Dämmerung

Das war eigentlich als Fortsetzung zum … ich glaube 4. Ende von der dritten Fassung von „Das Osiris Genom“ geplant. Nur ist mir dann leider im Laufe der Überarbeitung die Basis für die Fortsetzung weggebrochen und ich habe aktuell keine Verwendung mehr dafür, es sind aber schon 34 Seiten Text – zu schade um das ungelesen wegzuschmeißen.

Die Situation ist folgende, Ted und Akira sind ein Paar und nach einem Angriff auf die Erde damit beschäftigt ihr Training zu „Halbgöttern“ zu beenden und das geht mit einem umfangreichen Überlebens-Training einher.
Sie werden von den Resten von Horizon mitten im Dschungel ausgesetzt und müssen lernen in einer gefährlichen und völlig fremden Umgebung klarzukommen. Dabei stellen sie schnell fest, dass sie nicht mehr auf der Erde sind, sondern auf einem Waldplaneten namens Voras, weit weit weg.
Und man hat ihn schon ein bisschen den Weg geebnet und sie finden eine verlassene Burg und ein paar Vorräte und Werkzeuge vor.

Leider hab ich mit dem Schreiben wieder aufgehört, bevor es so richtig spannend wird. Denn ein kriegerisches Elfenvolk aus dem Süden will die Bande unterknechten und hohe Tributzahlungen, als das fehlschlägt belagern sie die Burg. Die Freunde haben zwar die Burg, sind aber zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen und chancenlos.
Derweil ist Akira mit dem alten Kaiman Tacitus unterwegs und erforschen die unterirdischen Ruinen einer lange untergegangenen Zivilisation. Ihr Ziel ist es, einen der fünf verloren gegangenen Weltensteine an seinen angestammten Platz zurückzubringen und vielleicht die Gunst der verschollen geglaubten Gottkönigin Vara zu erlangen um das Blatt zu wenden.

Es ist anzumerken, dass es häufige und sehr lange Aufzählungen gibt, die mitunter den Lesefluss stören können, ich muss das bei Gelegenheit mal ein bisschen überarbeiten.

Es ist ein bisschen wie ein Tagebuch gegliedert, mit Textmarken für die vergangenen Tage, seit der Ankunft.

Und es ist ein bisschen wie ein Computerspiel erdacht, mit verschiedenen Bereichen und Arealen der Burg, die man erst nach und nach freischaltet.

Hier kommt die PDF: LINK

Ich hab tatsächlich Bildmaterial dazu, weil ich den Schauplatz der Burg sehr detailliert ausgearbeitet habe, ich müsste es nur finden – ich weiß echt nicht mehr, wo ich die Sachen hingelegt haben könnte … Messy halt 😦

Aber als Trostpflaster gibt es für alle „Lore-Nerds“ einen Blick auf meinen Notizzettel: LINK 😉

Und für alle Webleser kommen jetzt die ersten 34 Seiten von Dämmerung:

Dämmerung

1.     Akira – 2074 – Fremde

„Und nun?“
Akira sah Ted fragend an. Der Urwald war voller Geräusche und Tierlaute, es war ihr unheimlich. Ted sah nachdenklich in den Himmel.
„Die Sonne steht glücklicherweise noch relativ hoch, ich denke wir sollten den ganzen Scheiß hier in die Burg schaffen, bevor die Sonne untergeht und sich irgendein Getier daran vergreift. Zu fünft haben wir mit dem Ausladen eine halbe Stunde beansprucht, zu zweit werden wir Stunden brauchen, zumal die Burg von hier aus gute zweihundertfünfzig Meter entfernt ist und wir den schweren Scheiß bis dahin schleppen müssen. Komm, nimm deine Reisetasche und wir gucken mal ob diese Burg besetzt ist.“
Sie nahm ihre Tasche hoch, die durchaus schwer war und einen Rucksack, den ihr ihre Mutter mitgegeben hatte. Ted trug ebenfalls einen großen Wanderrucksack und zwei schwere Taschen. Nach hundert Metern ächzte er ganz schön, immerhin war er nicht gerade muskulös gebaut, er hatte eher die Statur eines Kletterers. Zudem war er für einen Kaiserwaran ganz schön klein geraten, gerade mal eins achtzig, nur ein paar Zentimeter größer als sie. Leider war sie auch nicht so durchtrainiert wie sie es gerne wollte. Sie konnte mit einer Hand an einer Wand hängen, aber tat sich schon beim Schleppen eines Sacks Blumenerde schwer und ächzte jedes Mal, wenn sie zuhause ihren großen Tower PC zum Reinigen durch die Gegend schleppte.
   Die Burg hatte sogar eine Zugbrücke, die über einen Graben lief, aber der Graben war so flach, dass sie fast auf der Erde auflag. Also im jetzigen Zustand keine richtige Brücke. Das Tor bestand aus zusammengenagelten Brettern und war nicht verschlossen. Sie schoben es auf und es war erstaunlich leichtgängig. Sie staunten nicht schlecht. Sie standen in einem großen umbauten Hof. Hier draußen waren wohl Ställe und Lagerräume untergebracht und durch ein weiteres Tor auf der rechten Seite schien es zum hohen viereckigen Bergfried zu gehen und zu einem großen würfelförmigen Steinbau. Links am anderen Ende des Platzes erhob sich ein großer Wachturm aus der Mauer, die von einem überdachten Wehrgang gekrönt wurde.
   Rechts an der Wand des Bergfrieds war ein überdachter Bereich, wo sich ein bisschen Feuerholz stapelte. Ted vor ihr stellte die Taschen ab und formte die Hände zu einem Trichter.
„Hallo, ist hier jemand? Hört ihr mich?“
Rief er, aber es regte sich niemand. Auch nach fünf Minuten warten war alles leer und ausgestorben.
„Akira, ich glaube wir brauchen Tage bis wir hier alles erkundet haben. Das ist mir hier alles ein bisschen unheimlich, vielleicht schlagen wir einfach auf diesem Platz unser Lager auf, wenn was ist können wir schnell durch das Tor wieder abhauen. Und jetzt wird getragen was das Zeugs hält. Hier ne kleine Stärkung.“
Er reichte ihr eine Wasserflasche und einen Snickers Riegel. Sie ließ das Wasser ihre Kehle runterlaufen und verzehrte den Riegel. Ihr klappte die Kinnlade herunter als Ted ihr eine Beretta 92 mit Wadenholster und ein paar Reservemagazinen reichte.
„Schnall die um, die hab ich aus Liz Waffenschrank geklaut. Wir sind hier mitten im Nirgendwo und hier gibt’s definitiv wilde Tiere, also renne ich lieber bewaffnet rum als ohne. Nimm die bitte.“
Sie schnallte sich das Holster um und überprüfte ob die Pistole geladen war. Sie stopfte sich zwei Reservemagazine in die Hosentasche, sicher war sicher. Frisch gestärkt und bewaffnet fingen sie an, die Säcke, Fässer und Kisten in die Burg zu tragen.
   Die Nacht brach an als Akira völlig erschöpft die letzte Kiste über die Schwelle trug und sie gemeinsam den Riegel vom Tor schlossen, das in Wahrheit aus schwerem gehärtetem Stahl bestand, mit massiven Riegeln und Bodenankern. Sofern aus der Burg kein Monster kam, waren sie zumindest von außen sicher. Jetzt wo die Sonne weg war wurde es empfindlich kühl.
„Mach du mal ein Feuer, du bist ja wie ich gehört habe ein Experte in Sachen Survival. Ich gucke derweil mal ob ich drinnen Decken finde, bin gleich wieder zurück.“
Und er zischte davon. Er schien wohl vergessen zu haben, dass er derjenige war der Feuer mit seinem Willen erzeugen konnte. Sie zuckte mit den Achseln und schichtete Scheite zu einem Lagerfeuer auf und entzündete es mit einem Flintstein und Zunder. Nach zehn Minuten kam Ted mit Pelzen und Fellen behangen wie ein Weihnachtsbaum in den Hof zurück und schichtete alles zu einem bequemen Lager zusammen.
„Das ist drinnen der Wahnsinn, das sag ich dir. Ich hab zwar auch normale Decken gefunden, aber ich glaube die Felle magst du auch. Und keine Lebensformen auf den ersten Blick. Glückwunsch zum Feuer, das ist hier zwar eigentlich Dschungel, aber wenn es jetzt schon so kalt wird, könnte es nachts leichten Frost geben. Wir sollten in unseren Klamotten schlafen und gucken dass das Feuer viel Brennstoff hat, bevor wir uns hinlegen.“
Akira setzte sich mit dem Po in das Nest aus weichen Fellen und zog ihren Rucksack und ihre Reisetasche an sich heran. Sie musterte Ted, der wesentlich mehr Gepäck mitgenommen hatte als sie.
„Was ist eigentlich alles in deinen Taschen?“
Er sah sie einen Moment an.
„Ich habe mir irgendwie gedacht, dass das kein normales Training im Trainingslager wird und hoch gepokert. Aber es hat sich ausgezahlt, wie ich jetzt feststelle.“
Tja, hätte sie auch mal machen sollen, fluchte sie innerlich vor sich hin.
„Also, die eine Tasche ist voll mit Lebensmittelrationen von Nox, einem Kanister mit drei Litern Wasser, dazu die beiden Pistolen, Reservemagazine und einen vollen drei Liter Sack mit Munition. Und ein paar Bücher, Survivalguides, Das Hausfrauen Einmaleins – da steht auch drin wie man Brot backt und so. Walkie Talkies, Machete, Axt, ein paar Survivalmesser, Campingkocher und Kartuschen, Feuerzeuge, Flintstein, Zunder, Camping Kochgeschirr und Besteck, Taschenlampen mit Akku, Powerbanks, Akkus, Handstromgenerator, Wasserfilter, Lifestraws, Trillerpfeifen, Signalraketen, eine wasserdichte Plane, zwei kleine Erste Hilfe Sets, zwei Kompasse, Kletterseile und Karabiner, ein Zwei-Mann-Zelt, Angelhaken und Schnur, ein gefaltetes Fischernetz und noch einiges mehr. Und du?“
Sie starrte ihn mit offenem Mund an.
„Ähm, ich dachte es würde nicht so Survival-mäßig sein. Ich hab nur ein paar Sachen zum Anziehen, Wechselschuhe, Shampoo und Seife, ein bisschen Makeup, ein Ebookreader, Süßigkeiten, mein Prism mit Powerbank und Netzgerät, dazu Kopfhörer und ein AR-Headset, ein paar Kartenspiele. Hey lach nicht du Arsch!“
Ted kringelte sich vor Lachen und sie wurde rot bis über beide Ohren.  
„Ich dachte, wo du regelmäßig sowas machst wärst du total ausgerüstet und hab gar nicht so viel mitgenommen wie ich wollte. Ich wünschte ich hätte die Shotgun mitgenommen, damit fühle ich mich immer viel sicherer.“
„Du scheinst Mamas ganzen Schrank ausgeräumt zu haben.“
„So hat sich das auch angefühlt.“
„Ach deshalb warst du so kaputt als wir hier angekommen sind. Wenigstens sind auf meinem Prism zehn Terabyte Filme, Musik und Hörbücher auf Kristallspeicher, also solange der Akku mitmacht, ist für Unterhaltung gesorgt.“
„Warst du schon mal im Dschungel?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Es war immer mein Traum, aber mein Vater hat mich nie gelassen. Ich glaube Mama hat gesagt, dass wir mit unseren Körpern immun gegen Gifte und resistent gegen Krankheiten sind. Was uns aber nicht daran hindert uns das Leben aus dem Arsch zu scheißen, wenn wir die falsche Frucht erwischen.“
Ted schüttelte lachend den Kopf und kramte in einer der Taschen. Er warf ihr eine Packung Rationen zu und sie riss die Lasche auf. Nach ein paar Minuten kaute sie nachdenklich auf einem Riegel herum und starrte ins Feuer. Sie waren eng zusammengerückt und Ted hatte eine Pelzdecke um ihre beiden Schultern gelegt, jetzt war ihr schön warm. So saßen sie bestimmt Stunden, horchten in das nächtliche Toben des Dschungels um sie herum. Ein unheimlicher Schrei jagte den anderen. Das machte ihr Angst und irgendwann dämmerte sie zwar weg, aber ihr Schlaf war leicht und unruhig.

*

Tag 2. Der Geruch von Kaffee hing in der Luft als sie aufwachte. Es war noch früh am Morgen und die Morgendämmerung hatte eingesetzt. Sie setzte sich auf und sah Ted an einem Gaskocher.
„Morgen Akira, ich fürchte ich hab vergessen Milch einzupacken, aber wir haben immerhin Zucker. Ich hoffe du kommst mit starkem schwarzem Kaffee zurecht. Ich hab kaum ein Auge zugemacht und verdammt ich habe über ein Jahrzehnt im Urwald gelebt, aber diese Geräusche waren absonderlich. Ich habe beschlossen nicht ohne Armee in diesen Wald zu gehen! Du darfst gerne erkunden gehen, aber ich bleib hier.“
Sie lachte.
„Komm, sei doch nicht so ne kleine Pussy. Wir gehen da beide rein, zu zweit haben wir einfach mehr Chancen gegen böse Monster.“
Ted antwortete nicht, sondern goss den Kaffee in zwei Becher.
„Heute erkunden wir die Burg und dann müssen wir uns um Lebensmittel kümmern. Ich weiß nicht wann die das nächste Mal vorbeikommen oder ob die überhaupt regelmäßig Versorgungslieferungen machen. Ich hab genug Rationen für eine Woche. Wenn wir die Mahlzeiten strecken sogar noch ein bisschen mehr. Aber dann haben wir ein Problem.“
„Ja, ich denke wir sollten die Rationen als letzte Reserve halten und nur davon essen, wenn wir keinen Erfolg mit der Lebensmittelsuche haben.“
„Gut, machen wir so. Dann gibt’s jetzt erstmal Müsli mit Wasser. Guten Hunger.“
Er reichte ihr eine Tüte mit einer Müslimischung und kaute drauf los, nicht unbedingt mit Genuss, aber erstmal ging es darum etwas in den Magen zu bekommen. Nach einer Viertelstunde waren sie fertig.
„Sollen wir erst die Kisten auspacken oder uns umsehen?“
„Ich schätze wir können die Kisten effizienter auspacken wenn wir wissen wo alles seinen Platz hat.“
„Da stimme ich zu, komm wir gucken uns das Torhaus an, ich will wissen ob die Zugbrücke funktioniert.“
Ted stand auf, streckte die Glieder und half ihr hoch, zu zweit gingen sie über den völlig leeren Platz. Das Tor war etwa vier Meter breit und drei Meter hoch, aus dickem Stahl und an massiven Angeln eingehängt. Zu beiden Seiten gab es eine Tür, die in innere führte. Sie nahmen die linke und fanden ein mechanisches Gestänge und Schläuche, welche für das Heben und Senken der Zugbrücke verantwortlich schien, Hydraulik wie es schien. Die Wendeltreppe hoch landeten sie auf der Mauer. Ein Fallgitter gab es leider nicht, dafür waren hier offene Kisten mit Steinen zum runterwerfen oder durch die Löcher im Boden auf Angreifer schmeißen. Es war bemerkenswert, dass hier elektrische Lampen angebracht waren, denn sie sahen nirgendwo einen Schalter. Sonst gab es hier nichts zu entdecken. Als nächstes kam ein großes Steinhaus an die Reihe. Ted fluchte als sie eintraten.
„Verdammte Scheiße, wir hätten gestern doch erst den Hof durchsuchen sollen, dahinten sind Schubkarren und Sackkarren.“
„Und eine Menge Werkzeug für Garten-, Holz- und Feldarbeit. Und die Äxte sind richtig scharf, wie frisch geschärft.“
„Nur kein Pflug oder Geschirr für ein Pferd oder einen Esel.“
„Das wir aber auch erstmal finden müssten, sowas fällt doch nicht vom Himmel.“
„Und wir haben keine Räder, ich habe keine Ahnung wie man sowas baut, ich habe kein Handwerkliches Geschick, was bedauernswert ist weil hier auf der rechten Seite eine gutbestückte Werkstatt zur Holzbearbeitung ist, sogar mit elektrischen Bohrern und Sägen.“
„Und guck mal, über der Decke von der Werkstatt sind Getreidesilos.“
Sie gingen hoch und Ted kletterte auf eine Leiter um hineinzusehen.
„Und? Müssen wir nie wieder hungern?“
„Doch, die sind alle komplett leer. Alle vier.“
„Verdammter Mist. Da ist übrigens eine Rampe in einen Keller oder sowas in der Art.“
„Dann wollen wir doch mal sehen.“
Ted schaltete seine Taschenlampe an und ging die Rampe hinunter. Sie sahen sich um, nur leere Regale. Naja und Baustoffe. Holzplanken, Nägel und Schrauben, Rohmetall, Paletten an Ziegelsteinen und Zementsäcke.
„Schätze jetzt wissen wir zumindest einmal wo wir Kartoffeln lagern werden. Und mit dem Zeug können wir eine halbe Stadt bauen.“
„Nicht übertreiben.“
„Ok, für einen Bauernhof wird es reichen.“
„Schon besser. Jetzt wieder nach oben.“
Sie traten aus dem Lagerhaus heraus und wandten sich weiter. Da standen sie in einer gut ausgestatteten Schmiede. Mit einer großen Esse und einer Schmelze und angetriebenen Schleifsteinen. Das Werkzeug in den Halterungen wirkte nagelneu. Auch hier gab es maschinelle Schmiedehammer, die elektrisch betrieben wurden.
„Mit was befeuern wir denn die Esse? Holz?“
„Vielleicht finden wir noch was Passendes. Ansonsten können wir auch selbst Köhlern, das ist eigentlich gar nicht so schwer.“
„Na wenn du das sagst, glaube ich dir mal, Miss Survival.“
„Hör auf damit, ich war mit meinem Vater zelten, ich wurde nicht im Urwald ausgesetzt!“
„Schon gut, ich wollte dich nur ein bisschen aufziehen.“
„ist dir ja auch gelungen.“
Hier fanden sie auch ein kleines Quartier, für alle die hier arbeiten, mit vier Betten. Sie gingen ein Stück weiter.
„Ah ja, hier haben wir große Ställe für Hühner, Nutztiere und Schlachtvieh, jetzt fehlen uns nur noch die Tiere.“
„Wenigstens haben wir einen Dachboden voller Heu und Stroh. Und da ist auch der Eingang zum Wachturm. Komm mit.“
Es ging eine steile Wendeltreppe empor. In der ersten Etage standen ein paar Etagenbetten, in der zweiten Etage fanden sie Munitionskisten und Handgranaten.
„Schön dass wir zumindest ein bisschen Munition haben, nur leider waren das 7,92×57 mm Patronen, die werden eigentlich nur noch zur Jagd verwendet. Aber die Granaten sind nett, die nehme ich gern. Das waren auch welche für Rauch und Tränengas“
Und dann standen sie auf dem Turm.
„Sie mal, das ist zwar von der Außenseite Holz, aber die Wände bestehen im Inneren aus schwerem Stahl, dann ist das hier wohl ein ganz gut geschützter Käfig, außer es wirft jemand eine Handgranate rein.“
„Schon gut, lass uns weitergehen, sonst ist hier ja nichts.“
Kurz darauf, standen sie vor einem großen relativ flachen Bau mit einem hohen Schornstein. Links fanden sie einen großen quadratischen Schacht, verschlossen mit einer großen Luke. Sie leuchteten hinab, fanden aber nichts von wert, nur einen Schacht der Schräg nach unten führte.
„Dann wollen wir mal sehen was hier drin ist, ich tippe auf eine Bäckerei.“
„Dann ist das aber eine sehr große Bäckerei.“
„Ist ja auch ein ziemlich großer Kasten, da passen schon eine Menge hungrige Mäuler rein.“
Sie öffneten die Tür und sahen hinein, aus Deckenlichtern strömte helles Sonnenlicht. Eine riesige Maschine dominierte den Raum.
„Ich fall vom Glauben ab, das ist ein Dampfkraftwerk zur Erzeugung von Strom. Und das ist alles ist nagelneu, hier liegt kaum Staub. Guck, da vorne unten ist der Brennofen, wo man den Festbrennstoff reinwirft. Links ist der große Wassertank, dahinten ist der Kessel zur Dampferzeugung und rechts ist der Generator. Komm mit nach unten, hier führt eine Treppe lang. Hey guck mal, anscheinend hat das Kraftwerk einen eigenen Wasserbrunnen, jedenfalls ist da ein Handrad in der Wand. Und links daneben ist eine Schütte und wenn ich mir das so richtig denke kann man diesem Kran Brennstoff aus dem Keller hochholen, Moment ich kurbel mal.“
Die Kurbel drehte sich leichtgängig wie frisch geölt und aus der Tiefe hörte man ein Scharen. Dann nach ein paar Minuten kam ein Kasten den Schacht hoch und gut zwanzig Kilo Steinkohlebriketts fielen in eine Steinwanne.
„Geil wir haben richtige Kohle. Wobei wir aber nicht wissen, wie viel Kohle wir da unten insgesamt haben, von daher schlage ich vor, die wertvolle Kohle für später aufzuheben und erstmal mit Holz zu heizen.“
Sie gingen durch eine Tür und landeten in einem Raum voller Wasserkessel und noch einem Brennofen.
„Hier wird wohl das heiße Wasser zum Heizen und Waschen erzeugt. Und da sind elektrische Pumpen, die wohl den ganzen Bau hier versorgen.“
Sie gingen zurück und zu einer Stahltür und fanden dahinter einen Raum voller Elektrik und Schaltkästen. Akira stieß einen Jubelschrei aus, als sie an einem Schreibtisch einen Computer entdeckte.
„Ich wette über dieses Terminal wird ziemlich viel Haustechnik geregelt. Das sind Serverschränke und Switches und der Computer ist anscheinend mit einem Ethernet Kabel verbunden. Nur bezweifle ich dass wir mitten im Dschungel Internet haben. Und guck dir mal diese Apparaturen an, ein paar sind analog, hier: Akkustand null Kilowattstunden, dann haben wir hier Akkus zum Strom speichern. Und hier an der Wand, mit diesen Schaltern können wir einstellen in welche Teile der Burg der Strom umgeleitet wird. Komm, da ist noch eine Tür.“
Akira ging zu einer weiteren Stahltür, die allerdings verschlossen war.
„Mh, die ist gegen die Leere abgeschirmt, ich kann weder durchgucken noch hindurchgehen.“
Wieder auf dem Hof angekommen gingen sie zu einem Brunnen in einer Ecke.
„Mensch, das ist ein verdammt tiefes Loch, ich werf mal ein Steinchen.“
Ted ließ einen Kieselstein in den Brunnen fallen und nach einer ziemlich langen Weile vernahmen sie ein entferntes kaum vernehmbares Platschen. Neben dem Brunnenschacht standen zwei Eimer und eine ziemlich große Seiltrommel mit Kurbel. Links befand sich ein großer Wasserhahn mit einer Handkurbel. Sie kurbelten zu zweit und nach ein fünf Minuten plätscherte Wasser aus dem Hahn. Den Verschlag für das Feuerholz hatten sie schon gesehen also wandten sie sich zu einem Tor zwischen dem Steinwürfel und dem hohen Bergfried zu. Dahinter erblickten sie noch ein Torhaus und links und rechts große Doppelseitige Türen, richtige Portale.
„Ich wäre für Links, ich denke das geht schneller als dieser fette Kasten da.“
„Gut es ist links.“
Sie drückten die Pforte nach innen auf und standen an einer Treppe nach unten mit einer kunstvoll gearbeiteten Balustrade aus Stein. Sie sahen auf einen von mehrstöckigen Galerien umringten Lichthof herab, an dessen Grund ein kleiner Baum mit kräftigem Stamm wuchs, die Rinde war von feinen Äderchen durchzogen die blau pulsierten.
„Ich glaubs nicht, das ist ein Heiligtum mit einem echten Götterbaum, die sind wahnsinnig selten und werden Jahrtausende alt. Wenn du geübt bist und im Schatten eines Götterbaums meditierst, kannst du die Seelen derjenigen hören, die in die Leere eingetreten sind. Und man kann von Götterbaum zu Götterbaum mental Kommunizieren. So wurden schon vor Jahrtausenden Nachrichten zwischen den Priestern und Mönchen ausgetauscht. Und die Blätter des Götterbaums haben heilende Kräfte, ein Sud soll das Leben von Sterblichen verlängern und selbst die größten Wunden heilen. Es ist eine große Ehre, dass wir einen Götterbaum in unserer Nähe haben, ich habe von Leuten gehört, die tausende von Kilometern gereist sind um eine … ähm, Audienz mit einem dieser altehrwürdigen Bäume zu gelangen.“
Akira nickte bedächtig und ihr Blick viel auf die endlosen Reihen von Bücherregalen mit alten Büchern und Schriftrollen. Das mussten abertausende von Büchern sein. Links befand sich eine Tür hinter der sich ein Studienzimmer mit ein paar großen Schreibtischen befand. Auf einigen befand sich eine große Lupe an einem beweglichen Arm. Auch hier waren die Regale voller Bücher und Schriftrollen. Ted trat näher an den Tisch und fuhr mit den Fingen über die Schriftzeichen.
„Das ist in der alten Sprache geschrieben, nur die wenigsten verstehen sie. Man nennt sie Vá, ebenso der Name des untergegangenen Volkes. Es ist eher was für Gelehrte und Archäologen, bin ich aber nicht. Emmet würde Luftsprünge machen wenn er das hier sieht.“
Akira nahm ein altes Buch aus einem Regal und schlug es auch. Sie konnte es lesen, aber sie verstand es nicht, Ted trat näher und sah über ihre Schulter.
„Das ist Dalalonisch, aber ein sehr alter Dialekt, man kann es kaum lesen. Es geht glaube ich um Sternzeichen und so einen Mist. Stell ihn wieder zurück.“
In der Ecke war eine Holztür zu einer Treppe nach unten. Eine Etage weiter unten befanden sich Wohnquartiere mit einem eigenen Bad. Sie gingen weiter nach unten und stießen auf ein riesiges Archiv mit Regalen voller Schrifttafeln und alter Artefakte, es war wie in einem Museum. Und noch mehr Bücher, viel mehr. Ihnen war nicht so nach lesen zumute und sie gingen wieder nach oben. Als nächsten erklommen sie das zweite Torhaus und sahen nichts, nur Gestrüpp und ein paar Büsche und dahinter aufragende Bäume.
„Warum bauen die ein Torhaus, wenn das einfach ins Nichts führt? Komm wir gucken mal raus.“
Sie öffneten das Leichtgängige Tor und sahen nach draußen. Akira kniete sich hin und musterte den Boden. Dann, einer Eingebung folgend, grub sie ein Loch. Jetzt fühlte sie einen gewissen Triumpf.
„Guck mal Ted, da geht eine gemauerte Rampe runter. Ich glaube die haben irgendwas da unten gebaut und dann alles mit Erde zugeschüttet.“
„Warum sollten die das machen.“
„Kennst du nicht diese Computerspiele wo du erst nach und nach verschiedene Bereiche eines Levels freischaltest? So genau fühlt sich das hier alles für mich an. Erst die verschlossene Stahltür und dann das hier. Das ist doch merkwürdig.“
„Kenne ich, nachdem ich auf der Erde gelandet bin, haben die mich nicht rausgelassen, also hab ich mit Snacks eingebunkert und den ganzen Tag lang nur Videospiele gespielt. Mensch, was auch immer die hier hinterlassen haben, das wird eine scheiß Arbeit den Mist hier wieder auszugraben.“
Sie verschlossen das Tor wieder sorgfältig und widmeten sich dem Bergfried.
„Zuerst den Keller, ich glaube wir sparen uns das spannendste zum Schluss auf.“
Sie betraten ein großes viereckiges Treppenhaus mit breiten Steinstufen, es schien aber noch ein kleineres Treppenhaus für Bedienstete zu geben. Zwischen den Treppen lief ein geräumiger Fahrstuhl in einem offenen Schacht. Im Untergeschoss schalteten sie ihre Lampen an. Sie betraten einen großen Raum, mit aberdutzenden Quartieren mit Betten und Schränken, es waren sechzig Betten. Dazu einen sehr großen Waschraum mit Toiletten, Duschen und Reihen von Waschbecken. Es wirkte erstaunlich modern. In einem anderen Raum fanden sie Vorräte. Irrsinnige Mengen an Bierflaschen, Wein und Spirituosen hinter einer verschlossenen Holztür, so viele dass man glauben musste die hätten einen Getränkemarkt überfallen. Aber keinerlei Lebensmittel, nur leere Einmachgläser und leere Plastikwannen, Eimer und Fässer. Im Dritten Raum unter dem Bergfried fanden sie eine Wäscherei mit großen Industriewaschmaschinen, Trocknern und Tonnen an Waschmitteln. Im zweiten Kellergeschoss stießen sie neben einem Verlies auf einen spannenden riesigen Raum mit ewig viel Stauraum – die Waffenkammer.
   Altmodische Rüstungen aller Art mit Stahlhelmen, schusssichere Westen, ballistische Helme, Schwerter, Streitäxte, Streitkolben, Dolche und Speere. Aber keine Schusswaffen, dafür aber schier unerschöpfliche Mengen an Munition für jedes nur erdenkliche Kaliber. Ted deutete auf eine genagelte Holzkiste.
„Guck, wir haben Glück, da steht 9m Parabellum drauf und die ist nicht anzuheben, da hätte ich den Beutel mit der Munition gar nicht mitnehmen müssen. Und das alles ist der Wahnsinn, guck mal da sind Mörsergranaten und eine Riesenkiste .50 BMG, fehlen nur noch die Waffen und wir können Krieg spielen. Wir haben sogar Kanister mit Schießpulver und das Werkzeug um selbst Munition herzustellen. Das ist der totale Wahnsinn.“
„Ja, jetzt bin ich gespannt auf die oberen Etagen.“
Sie liefen die Treppen wieder hoch und machten die Lampen aus, im Erdgeschoss gab es Fenster.
„Bingo, Glückstreffer, die Küche, hoffentlich gibt’s hier was zu futtern.“
Sie betraten die gewaltige Küche mit langen Arbeitstischen und bergeweise Werkzeug und Küchengeräten. An einem der zwei breiten Gasherd mit sechs Kochstellen und zwei separaten Backöfen blieben sie neugierig stehen und Ted drehte an einem Knopf und ein schwacher Geruch nach Gas erfüllte die Küche, mit seiner Gabe zündete er die Herdplatte an.
„Zumindest haben wir schon mal Gas. Wenn ich mich täusche ist das Blaustoff, ein hochenergetisches brennbares Gas. Das hat so viel Dampf, dass damit sogar Kampfjets betrieben werden. Hoffentlich ist der Tank irgendwo im Keller gut geschützt. Blaustoff hat irrsinnige Zerstörungskräfte!“
Die Küche hatte zwei Türen, hinter der ersten befand sich eine Mühle mit großem Mühlstein und allerlei Küchengeräte, die man nicht jeden Tag brauchte.  
„Mh, man kann die Elektrik zuschalten, aber ansonsten heißte es kurbeln, kurbeln, kurbeln.“
Die andere Tür war verlockender.
„Yes. Die Speisekammer.“
Jubelte Akira beinahe schon, aber ihre Freude schwang schnell in Enttäuschung um, als sie den enorm großen Raum betraten.
„Tja, außer leeren Gläsern und Behältern und einer Wagenladung Gewürze ist hier nichts. Und die haben eindeutig einen Teeladen ausgeraubt, leider nur keinen Kaffee. Mit dem Speiseöl und Essig hier können wir einen Pool füllen und bis an unser Lebensende Gemüsebrühe schlürfen. Man ich hab mich so auf ein paar Snacks gefreut. Aber das ist ne Sackgasse.“
In der Nähe des Treppenhauses war ein Raum mit Garderoben und einem großen Kleidungslager. Dazu war ein Raum gewissermaßen die Poststelle, mit Einer Klappe für Brieftauben plus Käfige, Schreibtischen und Regalen mit Briefen und Papier. In der Ecke waren ein seltsamer PC und eine Art Drucker. Vielleicht war es auch ein altes Fax.
Im ersten Obergeschoss öffneten sie eine große doppelflügelige Tür und Ted stieß einen anerkennenden Pfiff aus.
„Heiliges Kanonenrohr, das ist ja ein richtiger Thronsaal. Hier mit zwei langen Tafeln und Bänken und einem hohen Tisch mit Thron. Schau dir nur dieses Buntglasfenster an, ich als der Feuerball werfende Magier und du als mutige Kriegerin mit Schwert und Bogen. Nur leider kann ich momentan höchstens eine Feuermurmel beschwören, schätze ich werde viel üben müssen. Dahinten war aber noch eine Tür. Mal gucken was da drin ist.“
Sie fanden komfortable Unterkünfte vor, sechzehn Betten. Sie tippte, dass man hier Reisende unterbringen konnte. Dann nahmen sie die Treppe ins zweite Obergeschoss. Hier entdeckten sie eine gut ausgestattete Krankenstation mit zehn Betten und Tonnen an Verbandsmaterial, aber wenig Arzneimittel und Medizin. Wäre ja auch zu schön gewesen.
   Im Raum daneben war eine Schneiderei mit einem großen Lager und richtig tollen Stoffen und Tüchern. Dann gab es noch einen großen Raum der ein bisschen wie das Hauptquartier der Burg aussah. In der Mitte stand ein großer Tisch aus glattem schwarzem Kristall. Teds Erklärung das sei ein Computer nahm sie ihm nicht ab. Es gab eine abgetrennte Funkkabine, Stationen mit Bildschirmen für Radar und anderen Krempel. Dazu lustigerweise einen mit einer Glaswand abgetrennten Raum mit einem Radiostudio.
„Nett, jetzt können wir Podcasts für uns selbst aufnehmen wenn wir Strom und Langeweile haben. Wenn ich die Geräte hier so sehe müssten hier auf dem Dach auch ein Radar und eine Antenne geben. Ich glaube viel kann oben nicht mehr kommen.“
Im dritten Obergeschoss befanden sich die Privatgemächer der Herrscherfamilie. Eine Kombination aus Schlafzimmer der Eltern und Wohnzimmer, mit einem riesigen Bett, Sofas und einem Kamin. Dazu drei Kinderzimmer, ein gigantisches Bad mit einer im Boden versenkten poolartigen Badewanne und großer Dusche sowie einen großen Ankleideraum mit zahllosen fein gearbeiteten Kleidungsstücken, Gewändern und Roben, dazu völlig absurde Mengen an Fellen und Pelzmänteln.
„Schätze deine Mutter hat hier oben mitgeholfen. Entweder wird es hier schweinekalt oder deine liebe Frau Mama hat einen Knall.“
„Das stimmt, aber ich für meinen Teil trag gerne Pelz. Ich glaube viel mehr kann nicht noch kommen.“
Diesmal gingen sie etwas länger und kamen auf dem Dach raus, es schien als wäre die Decke verdammt dick. Der Boden war aus Stein und in der Mitte war eine Versenkung, in der ein Mörser auf einer Lafette stand. In einer Ecke erhob sich ein hoher pyramidenförmiger Turm aus grauem Stahl aus dem allerlei Anbauten mit Kugelförmigen Sensoren und lange Antennen ragten. Ringsum lief eine etwa Brusttiefe Mauer. An zwei Stellen befanden sich Treppen nach unten die zu einem umlaufenden Wehrgang führte, auch hier innen mit dicken Stahlplatten ausgelegt. Von hier führten noch zwei Treppen zu Räumen im Zwischengeschoss wo Munition für Gewehre und den Mörser gelagert wurden. Ted stand an der Brüstung und sah nach unten, von hier aus hatte man eine gute Aussicht.
„Das ist ein schöner Ausblick, wenn doch nur unsere Lebensmittelsituation nicht so ungünstig wäre. Weißt du was mir von hier oben auffällt? Das Gelände ist zum Landeplatz hin abschüssig, wenn wir also hangaufwärts eine Quelle finden …“
„Könnten wir unsere Wasserquellen verdoppeln und eine Mühle oder einen Generator bauen!“
„Richtig erkannt. Mal schauen, auf drei Seiten ist etwa zehn Meter Gestrüpp, dann kleine Bäume und erst so nach und nach beginnt der Dschungel, das da hinten in der Ferne sind wirklich mordsmäßig große Bäume, die sind ja locker hundert Meter hoch. Und ganz im Norden, wow, das sind die größten Berge, die ich jemals außerhalb von Dalalonien gesehen habe, die müssen dutzende Kilometer hoch sein, also kein Wunder dass wir die von hier oben sehen. Hangabwärts haben wir ziemlich viel Platz, immerhin ist da ein fetter Orca gelandet und die sind nicht gerade klein. Was machst du zuerst wenn wir die Kisten da unten ausgepackt haben?“
„Ich erkunde die nähere Umgebung und gucke ob ich Beeren oder Früchte finde.“
„Gut dann fange ich damit an das Gestrüpp niederzumachen, dass zu nah an die Mauer wächst. Damit kann ich bestimmt Reisig und Feuerholz sammeln. Wir wissen nicht wie voll der Blaustofftank unter der Burg ist und ich habe nur drei Kartuschen, aber hier ist überall Holz, wir sollten fürs erste mit Holz heizen und kochen.“
„Da stimme ich dir zu. Gut, dann lass und jetzt mal in die Kisten gucken.“
Auf dem Hof betrachteten sie den beträchtlichen Stapel aus Holzkisten und Plastikkisten. Das würde eine Weile dauern.
„So mal sehen, ich guck mal ob ich ein Brecheisen finde.“
Fünf Minuten erschien Ted wieder und machte sich an der ersten Kiste zu schaffen.
„Die müssen ein Museum ausgeraubt haben! Zwei Kisten mit Karbiner 98k, dann vier MG42 und eine Kiste mit ein Dutzend AK-47, ach du dickes Ei. Ok hier wird’s aber besser, eine Kiste mit Glock 17 Pistolen samt Zubehör, da hätte ich mir die Mühe mit den Berettas gar nicht machen müssen. Mh, das sind zwanzig Stück und einen Arsch voll leere Magazine. Oh, na das ist definitiv besser. vier HK MR308 Designated Marksmen Rifles schon fertig montiert mit Zweibein und Zielfernrohr. Und hier? Oh komm zu Papa, zwei AWM von Accuracy International, ein Präzisionsgewehr und hier zwei AI AX50 in .50 BMG, das haut dicke Löcher. Uh oh, gibt’s hier Panzer? Das sind fünf RPG-7 Werfer, ich hab bergeweise Raketen dafür im Keller gesehen. Und dann noch diese beiden scheiß schweren Kisten, von der Plackerei habe ich immer noch Muskelkater. Das sind wohl noch ein Mörser und ein paar Granatwerfer. Und hier? Halleluja das ist ein schweres Gaussgewehr, die tragen normalerweise nur Ritter der Bruderschaft. Damit kannst du einen Kampfpanzer frontal zerlegen, vorausgesetzt du hast genug Saft um die anzutreiben.“
Sie fanden zwei Compound-Bögen und vier Recurvebögen samt Zubehör und eine Riesentonne mit hunderten von Pfeilen. Eine Kiste mit Nachtsichtgeräten und ein paar mit Visieren und Zubehör für die Waffen.
„Oh, Rettung in der Not, das sind Nox Rationspakete. Mal schauen was draufsteht, soso, drei Mahlzeiten plus Snacks und Getränke. Ich zähl sie mal durch. Dreißig Stück, macht also fünfzehn Tage. Besser als nichts, also mit meinen Rationen knapp drei Wochen Zeit um Nahrung an diesem merkwürdigen Ort zu finden.“
In einer Kiste war alles voller Taschen und Rucksäcke, dann Gefrierbeutel und Plastiktütchen mit Verschluss kistenweise, Plastikeimer und Gießkannen, Messer und Klappspaten, Rollen mit Schnur, Eine Kiste mit Arznei, Trinkflaschen und Plastikboxen, Kletterseile, Haken und Karabiner, aber keine weiteren Vorräte. Ted war begeistert als er eine große Kiste voller Kaffeebohnen fand. Kisten mit dicken Wolldecken und Sachen für Arbeitsschutz wie Ohrenschützer, Helme, Handschuhe und Schutzbrillen – auch für Warane. Zudem fanden sie eine kleine Schatzgrube, eine Kiste voller Pflanzensamen, in unbeschrifteten Blechdosen. Dann eine Kiste voller Trockenhefe. Sie fanden vier Zehn-Kilo-Säcke mit verschiedenem Getreide und eine recht große Kiste mit Basmatireis – also waren sie fürs erste gut versorgt.
„Du Ted, ich hätte eine Idee. Wir leeren alle Kisten die wir haben und befüllen sie mit Pflanzenerde, dann können wir zum einen diese Fläche hinter dem zweiten Torhaus ausgraben, sondern haben auch Töpfe um Pflanzen in kleinem Maßstab anzubauen. Wenn wir das vor den Toren machen könnte irgendein Tier die Samen fressen oder die wachsenden Pflanzen ausgraben. Auch können wir in den Plastikwannen Regenwasser auffangen.“
„Ich schätze das ist die Idee des Tages. Komm wir räumen alles ein.“
„Und ich würde vorschlagen, dass wir unser Basislager oben auf dem Bergfried aufschlagen, von da haben wir einfach die beste Aussicht und sehen Gefahren schon von weitem.“
Drei Stunden später stapelten sich die leeren Behälter auf dem Platz, hatten sie alles eingeräumt und ihr Lager nach oben verlegt. Ihre Taschen und Rucksäcke hatten sie nach oben mitgenommen. Ted hatte das AI AX50 und eine Kiste .50 BMG Munition nach oben geschleppt. Jetzt saßen sie auf ihrem Lager und aßen Gulasch mit Nudeln von Nox – sehr schmackhaft – dazu tranken sie gesüßten Kaffee. Akira hatte in ihrem von ihrer Mutter Liz gepackten Rucksack noch ein paar Rationspakete von Nox gefunden, also drei weitere wertvolle Tage Essen.
„Die Sonne steht noch ziemlich hoch, ich finde wenn wir rausgehen, sollten wir Rationen für wenigstens zwei Tage mitnehmen, falls wir uns verirren. Also zwei Pakete und mindestens drei Liter Wasser.“
„Aber das Zeug wiegt doch total viel.“
An dieser Stelle fing Ted an breit zu grinsen.
„Schon. Komm ich zeig dir deinen neuen besten Freund.“
Er reichte ihr einen Block aus milchig schwarzem Glas. Etwa drei Fingerbreit dick und so groß wie ein Taschenbuch. Ratlos drehte sie den recht schweren Glasblock in ihren Händen, alle Seiten waren makellos und Spiegelglatt, nirgendwo gab es Löcher oder Anschlüsse.
„Das ist ein Almanach, ein sehr seltenes Artefakt aus der alten Welt. Ich hab auf meinen Abenteuern zwei gefunden, den hier gebe ich dir, wo wir ja jetzt quasi Seelenverwandte sind.“
Sie sah ihn fragend an.
„Was mache ich damit?“
„Erstmal musst du ihn auf die kalibrieren, damit er weiß dass er zu dir gehört. Klapp ihn auf.“
Sie starrte den Glasblock an, nirgendswo war ein Scharnier zu erkennen.
„Komm ich zeigs dir.“
Ted nahm den Glasblock in die Hand und faltete ihn zweimal auf. Ihr klappte die Kinnlade herunter.
„Und jetzt beide Hände rauflegen und die Augen zu machen.“
Sie tat wie befohlen und ihre Hände fingen an zu kribbeln und wurden erst sehr kalt und dann sehr warm. Sie machte ihre Augen auf und weiße Linien glommen auf dem Glas.
„jetzt kannst du ihn verwenden. Es ist gewisser Weise wie ein Computer, du kannst zum Beispiel Notizen anlegen und das Ding hat eine Dreidimensionale Karte.“
„Wie bediene ich es?“
„Durch Gesten, da gehört viel Übung dazu. Ich hab einen aus einem Museum geklaut als ich acht war, hat mich Jahre gebraucht herauszufinden was damit möglich ist. Und es gibt so die ein oder andere Sache die ziemlich Mindblowing ist, nimm ihn mal hoch.“
Sie nahm den Almanach in die Hand und sah Ted fragend an.
„Und jetzt lass ihn los.“
„Aber das ist Glas, der geht doch kaputt.“
„Vertrau mir, lass ihn einfach los.“
Ängstlich öffnete sie die Finger und ließ den Almanach los. Es passierte nichts, der Almanach verharrte in der Luft, wie als würde ihn Gravitation nicht beeinflussen.
„Das ist ja irre. Wie funktioniert das?“
„Keine Ahnung, dass ist Technologie der Vá, niemand versteht das so wirklich. Das ist eine Anomalie der normalen Gesetzmäßigkeiten. Anomalien egal in welcher Form sind oft ein Symbol dafür, dass irgendwo ein Artefakt oder ein Bauwerk der Vá in der Nähe ist. Ich kannte mal einen jungen Archäologen, Emmet. Wir haben zusammen Abenteuer erlebt, aber wahrscheinlich ist er im Weltenportal verloren gegangen.“
Er wirkte sehr betrübt, dann hellte sich seine Miene auf.
„Ich hab noch was richtig cooles, dazu müsstest du mal deinen Oberkörper freimachen und dich auf den Rücken legen.“
Er öffnete seine Hand und zeigte ihr vier Objekte von der Größe eines Zuckerwürfels aus demselben milchig schwarzen Glas. Ratlos zog sie ihr T-Shirt aus und legte sich auf das Lager.
„Handflächen nach oben. Hinlegen ist besser weil dir gleich mächtig schwindelig wird. Ich lege jetzt jeweils einen Würfel auf deine Stirn, deine Handflächen und deine Brust.“
Sie spürte die Berührung und dann wurde ihr ganzer Körper erst ganz kalt und dann ganz warm, am Ende war ihr so schwindelig, dass sie glaubte Kotzen zu müssen.
„Der Almanach hat dich für würdig befunden, ich schlage vor du bleibst erstmal liegen und schläfst eine Runde. Ich gehe runter mahle ein bisschen Mehl und gucke ob ich es hinkriege ein simples Fladenbrot zu backen.“
Sie wollte protestieren, aber da war sie schon eingeschlafen. Als sie aufwachte war es immer noch hell. Ted saß neben ihr und las in einem Buch. Als sie sich regte, legte er das Buch weg.
„Wie fühlst du dich?“
Sie hatte starke Kopfschmerzen, langsam sah sie sich um. Sie starrte auf ihre Handflächen, die Würfel waren verschwunden!
„Und was mach ich jetzt?“
„Ich hab uns erstmal einen Kaffee gekocht, in diesem einen Raum hab ich eine Kaffeemühle gefunden, das ist also echter geiler Kaffee und nicht so nen Instant Mist wie in den Rationspaketen. Bitte sehr, vielleicht geht’s dir dann besser.“
Sie nahm den Becher entgegen und nahm einen Schluck, wohlig ran die heiße Flüssigkeit ihre ausgedörrte Kehle hinab, das tat so gut. Schweigsam saßen sie da und lauschen den Geräuschen des Waldes.
„Und was bringen die Würfel?“
„Damit kannst du den Raum um dich manipulieren, komm ich zeig dir eine coole Fähigkeit des Almanachs.“
Ted stellte den Becher weg und hielt seine Hände so, als würde er ein Gewehr halten. Was machst du da wollte sie fragen als sie entgeistert sah wie sich das MR308 in seinen Händen materialisierte.
„Wie machst du das?“
„Naja, ich nenne es das Leereninventar, denn wenn du den Almanach aufklappst und etwas draufstellst verschwindet es und landet im Inventar, das ist wie in einem Computerspiel. Und wenn du an den Gegenstand denkst und du ihn wieder erscheinen lassen willst, taucht er in deinen Händen auf. Allerdings ist die Größe nicht unendlich und es richtet sich nach dem Gewicht der Gegenstände. Und der Speicher wächst gewissermaßen mit, aber nur unglaublich langsam.“
Akira holte ihren Almanach heraus und faltete ihn aus, dann stellte sie ihren leeren Kaffeebecher auf die Fläche. Erst passierte nichts, aber nach ein paar Sekunden versank der Becher in der Fläche regelrecht und löste sich auf. Sie dachte ganz fest an den Becher und tat so, als würde sie einen Becher halten. Tatsächlich, in ihrer Hand materialisierte sich der Becher.
„Das ist ja der helle Wahnsinn!“
„Ich weiß, das hat mir Diebeszüge ungemein erleichtert, weil ich so nie mit Beute erwischt wurde. Aber du solltest keinen lebenden Organismus ins Inventar legen, ich hab‘s mal mit einem Huhn probiert und es ist vor meinen Augen regelrecht explodiert. Das war ne Riesensauerei.“
„Gut, dann ziehe ich mir ein paar gescheite Cargopants an und sammle meine Ausrüstung zusammen, steht die Sonne noch hoch?“
„Mh, ich denke ein paar Stunden hast du noch. Apropos, was hältst du davon, dass wir abwechselnd schlafen und immer einer für ein paar Stunden Wache hält und Patrouille geht?“
„Das ist gut, aber erstmal nur oben im Bergfried, von hier oben hat man genug Übersicht. Soll ich dir ein Nachtsichtgerät holen?“
„Ne, die sind nur für Menschen, meine Augen liegen viel weiter seitlich, ich brauch andere. Dafür hab ich einen richtig guten Geruchssinn mit meiner Zunge. Das hast du nicht.“
„Dafür musst du dich nicht ständig rasieren!“
„Apropos, ich habe aus dem Bad deiner Mutter einen Rasierer und ein paar Packungen Klingen geklaut, nicht das dir noch ein flauschiges Fell wächst.“
„Was hast du noch geklaut?“
„Ich hab mich in der Küche bedient und ein paar Vorratspackungen mit Reis abgegriffen, dazu Soßen. Dann Fischkonserven, eingelegtes Gemüse, ein paar Zucchini, Kartoffeln und Zwiebeln, Nüsse, getrocknete Pilze und ein paar Konservendosen mit diversen Eintöpfen. Und aus dem Schuppen einen Werkzeugkasten, Zollstock, Maßband und eine Akkubohrmaschine. Ach ja, zwei Packungen Klopapier. Und noch so Kleinkram wie Schokoriegel und Energieriegel.“
„Für wie lange reicht das?“
„Zu zwei bestimmt eine weitere Woche. Heute gibt’s Reis.“
„Du bist genial, die Kartoffeln und Zwiebeln können wir anbauen!“
„Deshalb hab ich die auch mitgenommen. Weil noch Platz war hab ich aus dem Musikzimmer aus Spaß eine Trompete mitgehen lassen. Für Signale und so dachte ich mir.“
„Puh, im Gegensatz zu dir fühle ich mich so nutzlos, bis auf die Wechselsachen habe ich nur Plunder dabei.“
„Sag das nicht, du hast für Unterhaltung gesorgt. Wenn der Strom läuft und wir dein Prism an die Anlage angeschlossen bekommen, können wir über Radio Musik laufen lassen. Ich hab tragbare Radios im Keller gefunden. Außerdem hast du Kartenspiele und ein paar Bücher dabei. An sowas habe ich gar nicht gedacht. Also muss ich dich auch mal loben. Und das Makeup heben wir uns auf, falls wir irgendwann ein richtiges Gefolge haben. Irgendwann in hunderten von Jahren.“
Ted lachte und schenkte Kaffee nach. Eine Stunde später hatte sie alles vorbereitet und entfaltete den Almanach zur Größe einer Landkarte. Zuerst legte sie das MR308 und zwei Reservemagazine rauf, .308 Winchester Munition hatte ordentlich Wumms und immerhin wussten sie nicht was es hier für Tiere gab. Dann einen vier Liter Kanister mit Wasser und drei Rationspakete. Eine Machete und ein zwanzig Meter Seil mit ein paar Haken, da spürte sie, dass nicht mehr viel reinpassen würde, also legte sie nur noch eine Taschenlampe und Reserve Akkus dazu.
   Sie hatte ihre bequeme Cargohose angezogen und einen Gürtel angelegt. Dazu einen Sportsbra und darüber eine Hemd und einen Brustgurt mit einer Tasche für ein kleines Notizbuch und ein paar Stifte, immerhin war das eine völlig unbekannte Welt. In den Gürtel steckte sie einen Kompass, ihr Messer, ein paar Taschen, in die sie Plastiktütchen und Verbandsmaterial füllte, ein kleines Fernrohr, Leuchtfackeln und ein Streichhölzer. Dazu schnappte sie sich einen Rucksack und packte den Almanach, einen leichten Pullover und Mütze, einen Regenponcho, ein Nachtsichtgerät, eine Wasserflasche und ein paar Snacks ein. An ihr Handgelenk schnallte sie eine Uhr, die sie im Hauptquartier in einer Schublade gefunden hat. Merkwürdigerweise hatte die Uhr 30 und nicht 24 Stunden auf dem Ziffernblatt. Dazu ein kleines Feld wo eine Sonne abgebildet war. Aber sie schien zu laufen.
   Ted machte sich derweil in der Küche zu schaffen und sie ging zu ihm. Er formte flache Brotlaibe.
„Na Herr Bäcker, bist du erfolgreich?“
„Kann so sagen, ein Brot ist schon fertig. Während du gepennt hast war ich stundenlang am Mehl mahlen. Hier du kannst was abhaben, es ist noch warm. Woa du siehst ja aus als würdest du für Tage in den Wald gehen.“
„Erstmal will ich nur die nähere Umgebung erkunden und auf ein paar der Bäume steigen.“
„Sei aber vorsichtshalber wieder da bevor die Sonne untergeht.“
Er sah auf die Uhr, die sie bis jetzt gar nicht bemerkt hatte.
„Du hast noch etwa drei Stunden Zeit bis die Dämmerung einsetzt.“
„Woher weißt du das?“
Er sah sie nicht wenig verständnislos an.
„Weil meine Uhr wieder funktioniert, die ist an die Leere gekoppelt, besser gesagt auf das Leerenkraftfeld auf Voras, dem Planeten auf dem ich aufgewachsen bin. Wir sind also nicht auf der Erde. Irgendwie müssen die es geschafft haben ein Portal zu erschaffen. Oder die haben ein unglaublich mächtiges Artefakt der Vá gefunden haben, mit dem du fremde Welten bereisen kannst.“
„Und das sagst du mir erst jetzt?“
„Mädchen, ich hatte fünf Jahre eine Uhr am Handgelenk die nicht funktioniert, weil ich auf der Erde war, warum sollte ich annehmen das die uns auf Voras absetzen? Als ich den Dschungel aus dem Fenster des Orca gesehen habe dachte ich an das Gaja Projekt auf Grönland oder den Dschungel am Amazonasbecken. Außerdem ist mir das erst vor ein paar Stunden aufgefallen als ich nach einer Uhr gesucht habe weil ich den ersten Laib Brot fertig hatte. Egal jetzt wissen wir wo wir sind. Stück Brot gefällig?“
Etwas verstimmt nahm sie sich von dem Brot.
„Bisschen kross geworden, aber nicht so furchtbar wie angenommen.“
„Tja, ich stecke eben voller Wunder.“
Er zwinkerte ihr zu, und sie riss den Brotfladen in zwei Hälften und packte eine Hälfte in ihren Rucksack, dann ging sie los.
   Das Gestrüpp um ihre Burg herum war wenig ergiebig, aber sie fand ein paar kleine Knollen, die sie vorsichtshalber einsteckte. Als sie ihren Kompass hervorholte bemerkte sie, dass die Burg genau nach Norden ausgerichtet war. Sie ging ein paar Schritte in den Urwald hinein der nicht so dicht war wie sie erwartet hatte, am Boden könnte man fast schon Autofahren, so weit standen die Bäume teilweise auseinander. An einer Stelle wo der Boden etwas matschig war, fand sie Spuren eines ziemlich großen Tieres. Sie fand fremdartig aussehende Pilze und Pflanzen. An einem dicken Stamm wucherte ein Gestrüpp mit Früchten von der Größe einer Gewürzgurke, weiß mit blauen Flecken und sehr fleischig. Sie nahm ein paar zur späteren Untersuchung mit und dann ging sie auch schon wieder zurück in die schützende Basis der Burg.
   Ted servierte Reis mit Soße Süß-Sauer und frischem Fladenbrot.
„Und was spannendes entdeckt?“
„Du lagst daneben. Wie sitzen nämlich auf der Kuppe eines Hügels, im Norden, Osten und Westen ist es stark abschüssig. Nach Süden zum Landeplatz hin gibt es nur ein ganz leichtes Gefälle.“
„Tja, das ist gut zum Verteidigen, aber schlecht für unser Wassermühlen-Projekt. Vielleicht sollten wir ein Windrad stattdessen bauen. Und wir müssen den Generator mal langsam in Gang bekommen, wir haben zwar Klos mit Wasserspülung, aber das bringt dir nichts, wenn keine Pumpe das Wasser hier nach oben transportiert. Also heißt es entweder jedes Mal nach unten rennen und in den Busch pissen oder einen Eimer nehmen und das Geschäft über die Zinnen schmeißen. Ich hab für dich übrigens einen … Adapter mitgenommen wenn du pissen willst.“
„Schön das beim Essen zu besprechen.“
Sie dachte einen Moment nach.
„Morgen werde ich zu einer kleinen Expedition aufbrechen und Proben sammeln. Aber ich werde nur ein paar Stunden in den Wald reingehen, keine Tagesausflüge fürs erste, nicht solange unsere Lebensmittelsituation nicht dauerhaft gut aussieht. Und wenn du den Generator anmachst würde ich das nachts machen, da sieht keiner den Rauch und den Maschinenlärm hört keiner bei dem Affentheater da draußen nachts.“
„Ok, ich hab mich hier übrigens nochmal genauer umgesehen und in diesem Arbeitsraum neben der Küche haben wir einen Schrank zum Räuchern von Fleisch und Fisch. Und einen Steinofen mit Holzzufuhr für Brote. Da werden die Brote besser als wenn ich die im Ofen des Herds mache.
Gut, dann sammle ich morgen Feuerholz und bereite die improvisierten Beete für die Kartoffeln und die Zwiebeln vor, wenn noch Platz übrig ist probiere ich ein paar der Samen aus, die wir gefunden haben.“
Nachdenklich starrte er ins Leere.
„Weißt du was doof ist? Während wir den Generator antreiben können wir nichts anderes machen und müssen womöglich Tage damit verbringen erst einmal Brennmaterial zu sammeln und das Wasser hochzupumpen. Wir verbrennen also auch sinnlos Rationen, während wir keine Lebensmittel gewinnen. Das ist nicht gut.“
„Ach wir werden schon essbare Sachen im Wald finden. Mach dir mal keine Sorgen.“
Aber das Wasserleitungs-Problem war nicht gut, sie mussten alles am Brunnen per Hand hochpumpen, weil der Strom nicht lief. So wuschen sie den Topf und die Teller in einer Waschschüssel, umständlich. Und die Heizung dürfte ohne Strom auch nicht funktionieren, jetzt war sie fast schon froh über die Massen an Fellen und Pelzmänteln die sie besaßen.
Unter dem freien Sternhimmel legte sie sich hin, sie durfte als erste schlafen und dämmerte schnell weg.

*

Tag 3. Es war verdammt  kühl als sie bei Sonnenaufgang Ted weckte. So kalt dass sich Raureif gebildet auf den Oberflächen gebildet hatte. Ted setzte Kaffee auf und sie aßen das Brot von gestern und probierten die fleischigen Früchte, die sie gestern gefunden hatte. Es schmeckte nach einer Kreuzung aus Banane und Kartoffel und keiner von ihnen musste sich nach dem Verzehr übergeben.
   Nach dem Frühstück überarbeitete sie ihre Ausrüstung. Sie hängte einen Klappspaten an ihren Rucksack und tauschte das MR308 gegen ein AK-47. Sie war keine Scharfschützin und ihr war der Gedanke lieber, ein Raubtier in möglichst kurzer Zeit mit möglichst viel Blei vollzupumpen. Außerdem war das AK-47 mit Reflexvisier gute zwei Kilo leichter als das MR308, das hieß sie konnte mehr Munition und andere Sachen mitnehmen. Zudem schnallte sie ein Bajonett vor. Dann ging sie raus und beobachtete wie Ted mit einer Schubkarre und bewaffnet mit Beil und Machete dem Gestrüpp um die Burg an den Kragen ging. Sie schmunzelte.
   Der Tag lief nicht gut. Sie probierte verschiede Gewächse und musste sich übergeben und bekam heftigen Durchfall am Abend. Dafür sammelte sie einen ganzen Sack voll mit diesen Gurken, die sie am zweiten Tag gefunden hatte. Und sie notierte sich in ihr Notizbuch, welche der Pflanzen nicht verträglich waren, mit Skizze und Beschreibung der Frucht und Pflanze. Als sie zur Burg zurückkehrte war vom Gestrüpp nicht mehr viel übrig und sie sah Ted dabei zu wie er einen jungen Baum an der Baumgrenze fällte. Der Holzstapel in der Burg war gut gewachsen und ein paar der Kisten waren mit Erde gefüllt und mit Schildchen markiert. Scheint so, als wäre sein Tag wesentlich besser gelaufen. Heute übernahm sie die erste Nachtschicht.

*

Tag 4. Heute probierte sie keine Früchte aus sondern verbrachte den Tag damit auf Bäume zu klettern und die Flora und Fauna zu beobachten. Gegen Mittag kletterte sie gerade auf einem Baum, als ein großes Tier mit Ähnlichkeiten zu einem Triceratops langsam durch den Wald trottete, umschwirrt von einer Rotte Hühner. Der Große hatte vier Vorderbeine und zwei mächtige Hinterläufe, die Haut war dick und ledrig und mit Narben bedeckt. Der Kopf war gehörnt und hatte einen mächtigen Nackenschild. Der Bauch hing zu den Hinterläufen hin zu dicken Säcken herab in dessen Inneren sich eine Flüssigkeit zu bewegen schien. Über den Schultern waren knöcherne Auswüchse wie Plateaus, die von einer langen Hautfalte bedeckt wurden.
   Die Hühner hatten nicht auch nur im Entferntesten Ähnlichkeiten mit einem Huhn, aber die Trompetenartigen Laute die sie ausstießen erinnerten an ein Gackern. Es waren bauchige kleine Kreaturen die sich wieselflink auf sechs kurzen kräftigen Beinen bewegten. Auf einem langen Hals saß ein Kopf mit großen wachsamen Augen und einem langen Rüssel. Weil das außer Insekten die ersten Kreaturen waren, von denen sie mehr als nur ein Vorbeihuschen sah oder einen Schrei hörte, beobachtete sie die Tiere aufmerksam. Immer wieder kletterte eins der Hühner hoch und verschwand unter der Hautfalte über den Schulterblättern. Vielleicht war dass ihr Bau oder eine Brutstätte.
   Ab und zu trötete eins der Hühner und der Triceratops grub an der Stelle wo das Huhn gestanden hatte. Dann waren die Hühner also Spürhunde für Knollen unter der Erde, die der Riese selber nicht fand. Nach einer Stunde sammelten sich die Hühner an einer Stelle und buddelten wild trötend eine Grube, Der Triceratops stellte sich über die Grube und ließ eine große Menge einer Sirup-artigen lilafarbenen Flüssigkeit aus den Bauchsäcken in die Grube laufen und die Hühner saugten die Substanz mit ihren Rüsseln auf. Dann trottete die seltsame Gruppe davon. Nach ein paar Minuten kletterte Akira von ihrem Baum und trat an die Grube heran wo noch ein Rest Flüssigkeit war. Sie steckte einen Finger in die Flüssigkeit die zäh wie Sirup war und schob ihn sich in den Mund.
Es schmeckte leicht süßlich und fruchtig mit einer seltsamen nicht uninteressanten Note nach Pilzen. Sie füllte den Rest in eine Glasflasche. Und das Zeug war definitiv bekömmlich.
   Sie lief am Boden zurück zur Burg und achtete nicht so auf den Boden wie sie mal hätte achten sollen. Jedenfalls bekam sie einen Riesenschreck als eine Falltürspinne von der Größe einer Hauskatze plötzlich ihren rechten Stiefel umklammerte. Sie mochte Spinnen und hatte immer gern mit Scarlett gespielt, der Tarantel ihrer Mutter, aber die hier war ja riesig. Als die Spinne feststelle, dass der Stiefel nicht in ihr Beuteschema passte, ließ sie los und krabbelte zurück in ihren Bau. Jetzt passte sie mehr auf und in der Abenddämmerung erreichte sie die Burg.
   Bei der Burg sah sie Ted, wie er Holzscheite in eine Schubkarre warf, er musste noch einen Baum gefällt haben. Im Burghof waren jetzt zwei Drittel der Kisten und Container mit Erde gefüllt und mit beschrifteten Schildchen versehen. Ted war zwar nicht gebaut wie ein Schrank, aber er war ein echtes Arbeitstier mit viel Ausdauer. Sie hingegen hatte nur einen Sack mit Früchten gesammelt, aber ihre Beobachtungen waren auch was wert. Nach dem Abendessen hielt sie ihm das Fläschchen mit der Milch dieses Viehs unter die Nase.
„Koste mal.“
„Das sieht nicht aus, als sollte man das trinken.“
„Komm schon.“
„Ok, aber nur einen Teelöffel voll. Mh, riecht komisch aber nicht unangenehm. Schmeckt gar nicht mal so schlecht, wo hast du das her?“
Sie erzählte im von ihrem Tag und Ted musterte das Fläschchen nachdenklich.
„Wir müssen herausfinden ob wir dieses Tier melken können. Vielleicht können wir eins bei uns in den Ställen halten, wir müssen nur an die Knollen herankommen, die dieses Tier frisst. Und wir können es schlachten, wenn es alt wird. Großartig. Und ich versuche gerade diese weißen Gurken zu kultivieren, dazu werde ich ein Gitter aus Stöcken bauen, wo sich die Pflanzen hochranken können.“
„Gut mach das, ich denke wir sollten vielleicht die Tage zählen, die wir hier schon sind. Und du hast die erste Wache.“

*

Tag 5. Ein Horn erklang in den frühen Morgenstunden vor Sonnaufgang. Sie beide waren sofort hellwach und sprangen auf und das Horn erklang erneut, aus Richtung Süden. Momente später brach ein einzelner Reiter zwischen den Bäumen hervor, etwa zweihundertfünfzig Meter entfernt. Verfolgt von einem großen Schatten. Ted sprang sofort zur AI AX50 und sie lud ihr AK-47 durch.
„Ich renn runter und mach das Tor auf. Versuch ob du diesen Schatten ins Visier bekommst.“
„Alles klar Chefin.“
Er rannte mit dem schweren Scharfschützengewehr zu Brüstung und sie sprintete zum Treppenhaus. Im Nu war sie unten und rannte zum Tor. Sie hörte das mächtige Donnern des Gewehres zweimal, dann war Stille. Akira öffnete das Tor und der Reiter ritt in den Hof, sie schloss das Tor wieder und legte den Riegel vor. Von oben sah Ted zu ihnen hinunter. Erst jetzt sah sie sich den Reiter genauer an. Das Reittier sah aus wie ein Raptor und war etwa so groß wie ein kleines Pferd. Es trug Panzerung, einen Sattel und allerlei Gepäck und Taschen. Der Raptor musterte sie mit erstaunlich klugen Augen. Die Reiterin sprang aus dem Sattel und landete neben Akira auf dem Boden, sie war ein gutes Stück kleiner als sie, höchstens eins sechzig und schlank und zierlich gebaut. Sie trug einen langen offenen Ledermantel mit einem dicken Pelzkragen, darunter ein Gewand aus dickem grünem Stoff, die Hände waren behandschuht und sie trug eine dicke Mütze mit Nackenschutz auf dem Kopf. Ihre Augen waren groß und bernsteinfarben. Auf ihrem Rücken war ein mächtiger Rucksack.
„Vielen Dank, dass ihr uns gerettet habt.“
Ihre Stimme war ein bisschen piepsig, sie schien noch ziemlich jung zu sein. Jetzt war auch Ted hier, er musste eine Abkürzung durch die Leere genommen haben.
„Hast du es erwischt?“
Fragte sie Ted und er nickte.
„Japp ein ausgewachsener Leopard. Und wer bist du?“
„Ich bin Ava und ich bin eine Vorasdienerin. Hinter mir steht Tapp. vielen Dank für die Rettung. Sagt, dürften wir bei euch unterkommen? Ich bin sehr weit von meiner Stadt entfernt und habe kaum mehr Proviant dabei und würde es nicht mehr zurück schaffen.“
„Ich denke schon dass du … ihr bleiben könnt. Allerdings haben wir selbst nicht viel Essen was wir abgeben können.“
Ava machte ein niedergeschlagenes Gesicht.
„Dann sitzen wir hier wohl fest schätze ich.“
„Komm lass uns hochgehen, dann können wir am Feuer und mit etwas zu Essen im Bauch alles Weitere besprechen.“
„Und mich lasst ihr hier versauern oder was?“
Akira und Ted starrten den Raptor an, der gerade gesprochen hatte. Erst jetzt bemerkte sie, dass der Raptor ein zweites Paar Arme hatte, die recht lang und kräftig waren und in Händen mit vier langen Fingern endeten.
„Wenn du dich schmal machst könntest du ins Treppenhaus passen.“
„Dann mache ich mich schmal.“
Sie führten ihre beiden Neuankömmlinge ganz nach oben aufs Dach. Tapp schien keine Probleme mit den Treppen zu haben und er passte überall gut und mit reichlich Spiel durch. Oben halfen sie Ava Tapp die Gepäckstücke, den Sattel und die Rüstung abzunehmen. Danach schüttelte sich Tapp aus und setzte sich hin. Es gab Brot und Rationen. Tapp und Ava sahen die Plastiktüten ratlos an.
„Die müsst ihr aufreißen, da ist ne Lasche dran, dann bis zur Markierung mit heißen Wasser auffüllen und umrühren. Vielleicht nicht unbedingt das leckerste was es gibt, aber es ist nahrhaft und macht satt. Das ist das einzige bisschen Fleisch das wir haben und ich wüsste nicht wie wir einen Raptor sonst versorgen sollten.“
„Dann dürfte es dich bestimmt beruhigen, dass ich nur selten Fleisch esse.“
„Das beruhigt mich ungemein. Was treibt ihr in dieser Gegend?“
„Wir sind Vorasdiener und Schüler an einer Vorasakademie in einer Tempelstadt Südlich von hier an einem Meer. Ich lerne Botanik und Gärtnerei und Ava ist Sprachgelehrte, sie befasst sich mit der Erforschung von Vá, der alten Sprache. Wir sind anlässlich des neuen Lehrjahres, was am ersten nach dem Vorastag beginnt, zu einer benachbarten Vorasakademie aufgebrochen. Nach einer Woche von unserer Gruppe getrennt worden und etwas planlos durch den Urwald gelaufen, nach zwei Wochen herumirren hatten wir schon fast die Hoffnung aufgegeben und sind einem hungrigen Leopard über den Weg gelaufen, aber wir haben zum Glück euch gefunden. In diesem höchst merkwürdigen Gebäude und mit fremdartigen Waffen die viel Lärm machen, aber zum Glück Leoparden töten.“
„Dann schickt dich der Himmel. Wir kommen nicht von hier und wissen nicht was man hier essen kann und was nicht. Unsere ersten Versuche waren von gemischtem Erfolg und unsere Lebensmittelvorräte gehen immer mehr zur Neige. Ich glaube ohne eure Hilfe würden wir verhungern.“
Tapp lächelte.
„Ich sehe was ich tun kann. Ich habe meine Unterlagen auf meinem Notizbuch und ein paar Bücher dabei. Ava hingegen hat ihren ganzen Rucksack voller Schriftrollen und Steintafeln in Vá, ich glaube wir sind euch am meisten von Nutzen, wenn wir uns um den Anbau von Lebensmitteln und dem Sammeln von Früchten und Gemüse und Nüssen widmen, zumindest ich. Ava ist nicht sehr wehrhaft und hat Angst vor Spinnen.“
„Nicht gut, mir ist gestern eine begegnet die war so groß wie eine Hauskatze.“
„DU HAST WAS?“
Stieß Ted panisch hervor und seine Augen weiteten sich.
„Hast du auch Angst vor Spinnen?“
„Ich habe eine heftige Spinnenphobie. Was glaubst du warum ich nicht in diesen Wald will?
Akira schüttelte lachend den Kopf. Dann wandte sie sich zu Ava.
„Was ist denn eine Vorasdienerin?“
„Voras ist der Gott der Schöpfung und er umgibt uns alle und wir verehren seine Kinder, die Vorasbäume. Sie sind sehr selten, sind eng mit Voras verbunden und werden uralt. Jede Tempelstadt hat einen Vorasbaum in ihrer Mitte.“
Akira dachte nach.
„Wir haben einen komischen Baum in dem Tempel neben dem Bergfried. Aber ich weiß nicht ob das ein Vorasbaum sein könnte.“
Avas Augen wurden groß.
„Kannst du mir den zeigen?“
„Klar, nach der Mahlzeit kann ich euch eine Führung der relevantesten Orte geben. Kannst du Akira eine Liste mit den essbaren Pflanzen geben?“
„Klar, hat sie ein Notizbuch oder einen Computer?“
„Wir beide haben einen Almanach.“
„Verdammt noch eins, die sind noch seltener als Vorasbäume! Ja die gehen auch. Moment.“
Tapp stöberte in einer der Satteltaschen und beförderte eine Daumendicke Glasscheibe etwa im A4 Format hervor. Was wollte er damit? Akira staunte als der Raptor zweimal auf die Scheibe tippte und die Scheibe aufleuchtete und Symbole darauf erschienen. Er wischte und tippte eine Weile auf dem Ding herum dann drückte er auf etwas und in der Luft über der Scheibe schwebte ein Hologramm, dann schubste er das Hologramm in ihre Richtung und es verschwand. Sie griff nach ihrem Almanach, klappte ihn auf und aktivierte ihn und navigierte sich zu der Datei, die ihm Tapp geschickt hatte. Eine bebilderte Liste mit Pflanzen und ihren Früchten erschien. Sie schob die Liste in die Luft vor ihr und schmökerte darin, während sie ihr Müsli futterte. Ted stand auf und zeigte den beiden Neuankömmlingen die Burg.
   Nach zwei Stunden Lektüre packte sie ihre Sachen und ließ den Wasserkanister und ein paar Rationen sowie drei Magazine weg um mehr Früchte und Nüsse tragen zu können. Dann schnappte sie sich ein paar leere Beutel und lief los. Heute ging es besser, weil in der Auflistung nicht nur drinstand wofür man diese Früchte verwendete und wie sie aussah, sondern auch wo man sie finden konnte. Sie sammelte Mehlnüsse von der Größe von großen Orangen, Zucchiniartige Früchte in schrillem grün mit roten Punkten, die ihr schon aufgefallen waren, sie aber für giftig befunden hatte. Erstaunlicherweise gab es hier auf Zitronen und Orangen, nur eben etwas größer als auf der Erde. Mehr von diesen weißen Gurkenfrüchten, die ausgesprochen lecker waren und als der Grundnahrungsmittel in Südvoras angepriesen wurden, von denen gab es hier auch echt Tonnen, wenn man wusste wo man suchte.
   Beim vierten und fünften Lauf half ihr Tapp, auch wenn er nicht klettern konnte, dafür konnte er in Taschen und Körben auf dem Rücken eine Menge tragen. Er sammelte am Boden Knollen und Speisepilze und ein merkwürdiges Moos dass an Küchenschwämme erinnerte, es schmeckte leicht salzig und war überraschend schmackhaft.
   Sie sammelten und sammelten bis Anbruch der Dämmerung. Tapp verlief sich fast, er schien keinen guten Orientierungssinn zu haben. In der Burg staunte Ted über die neuen Vorräte in der Vorratskammer. Er und Ava hatten eine Ausgrabung veranstaltet und erstaunliches zutage gebracht, sie zeigten es ihnen Sammlern, Die Ostseite der Burg hinter dem zweiten Tor sah aus wie eine Archäologische Ausgrabungsstätte. Ted und Ava waren auf eingegrabene Ziegeldächer, einen Schornstein und eine Mauer mit Wehrgang gestoßen. Auf der Außenseite hatten sie eine Mauer ausgegraben, die den steilen Hang hinab immer höher wurde. An der Ecke in Richtung Süden war die Mauer sicherlich acht Meter hoch und ging in ein massives Fundament aus dicken Felsbrocken über. In den oberen Abschnitten der Mauer waren vergitterte Fenster eingelassen. Eigentlich wollte sie böse sein, weil Ted wieder Unsinn getrieben hatte, aber sie war überwältigt von diesem Fund.
Am Abend überraschte sie Ava, indem sie mit dem Fund des Tages zu kochen begann, sie sagte nur dass sie in der Akademie oft für den Küchendienst eingeteilt wurde.
   Beim Essen erzählte Ted, dass Ava völlig entzückt von dem Baum im Tempel gewesen war und man sie von den Büchern und Ausgrabungsfunde regelrecht wieder wegzerren musste.
Es gab einen schmackhaften Gemüseeintopf, der gut satt machte.
   Dann beratschlagten sie für den nächsten Tag. Am nächsten Tag würden Akira und Tapp wieder auf Nahrungssuche gehen, während Ted ein Plumpsklo ausheben und weiter Holzhacken würde, Ava sollte in der Burg bleiben und sich in der Küche nützlich machen.
   Für die Nacht suchten sich die Neuankömmlinge Schlafplätze. Tapp machte sich im Stall ein Lager bequem und Ava bezog eins der Quartiere beim Tempel und aufgrund der fallenden Temperaturen machten sich Akira und Ted in dem großen königlichen Schlafzimmer bequem. Also nahm Akira die Pelze wieder mit und Ted schleppte das schwere Gewehr. Die königliche Etage hatte Fenster aus der man zur Not auch rausschießen könnte, sie waren mit schweren Gardinen verhangen. Gemeinsam schleppten sie ihre Rucksäcke und Reisetaschen und den restlichen Plunder. Aus der Waffenkammer brachte Akira ein einhändiges Schwert aus Federstahl für Ava mit, die sich sehr bedankte, sie schien außer einem Dolch nicht bewaffnet zu sein. Tapp brachte sie nichts, das eine Paar Vorderläufe hatte große gefährlich aussehende Krallen.
   Sie teilten sich wieder in Wachen auf, in Südvoras waren die Nächte etwa zwölf Stunden lang, also musste jeder drei Stunden Wache halten und konnte neun Stunden schlafen. Sie einigten sich darauf die anderen im Morgengrauen zu wecken. Ted spielte schlecht Trompete, Ava blies ihr Horn, Akira hatte eine Trillerpfeife und Tapp konnte Trompetenartige Laute ausstoßen.

 *

Tag 6. Nach dem Frühstück unterwiesen sie Tapp und Ava in den Gebrauch von Schusswaffen. Tapp war erst sehr negativ gestimmt, aber als Ted ihm eine AK-47 in die Hand drückte und ihm zeigte wie man die bediente, geriet er schnell in gute Stimmung als er in den Dschungel ballerte. Er konnte sogar einigermaßen Zielen. Und er geriet ganz aus dem Häuschen als er ein RPG-7 schießen durfte. Fortan trug er immer ein RPG-7 und ein AK-47 mit sich herum, ihm schien das Gewicht der Waffen und der Munition gar nicht zu stören und sie bastelten ihm ein Geschirr, mit dem er die Waffen an den Sattel hängen konnte und immer gut rankam.
Ava war Schusswaffen gänzlich abgeneigt und deutete nur auf das Schwert, das sie ihr am Vortag gegeben hatte. Zu dritt gelang es ihnen sie zum Tragen einer Glock 17 zu überreden, wenn auch nur widerwillig. Dann ging der Tag los, Ted rannte wie ein Irrer mit einer Axt herum und die Sammler gingen in den Wald. Diesmal gab sie Tapp einen Kompass und zeigte ihm in welche Richtung die Burg war.
   Wieder ein sehr ergiebiger Tag und sie liefen mehrmals, weil selbst Tapp nicht genug auf einmal tragen konnte. Wieder begegnete sie einem dieser Triceratops, die Tapp Wator nannte und die Rüsselhühner, die er Flips nannte. Als der Wator den Sirup in ein gegrabenes Erdloch abließ, blies sie mehrmals fest in die Trillerpfeife, die sie um den Hals trug, und wartete die Reaktion des Wators ab.
Die Flips rannten alle wild trötend zum Wator zurück und kletterten behände auf seinen Rücken, dann galoppierte der Wator davon. Trotz dicker Lederhaut schien er Kämpfen wohl auszuweichen. Egal, sie füllte mehrere Flaschen mit dem dicken Sirup und steckte sie ein. Tapp erzählte, dass man Watoren in kleinen Herden hielt und den Sirup erntete, der sehr nahrhaft war. Flips wurden gerne als Spürtiere verwendet, für die Jagd oder um diese Knollen auszugraben.
   In der Burg wurde der Holzstapel stetig größer und war jetzt schon zu einem Drittel voll. Ava hatte mit den Mehlnüssen süße Fladenbrote gebacken und dazu gab es eine Gemüsepfanne mit Reis. Jetzt wo sie richtig kochten, konnten sie sich ihre wertvollen Rationspakete und das bisschen Getreide aufsparen.

*

Tag 7. Beim Frühstück in der großen Halle hatten Tapp und Ted eine erhitzte Debatte zu den Kästen mit Erde im Hof, Die Kartoffeln und die Zwiebelkiste zeigten erste Triebe und Tapp bestand darauf, man müsse die Setzlinge richtig einpflanzen. Tapp gewann und Ted würde damit beginnen einen Garten anzulegen. Seinen Einwurf, dass Tiere die Setzlinge ausgraben könnte, verwarf Tapp indem er in den Raum warf, dass es in dieser Gegend außer Watoren keine nennenswerte Tiere gibt, die auf der Futtersuche in der Erde wühlten, und die Watoren ließen sich ganz einfach mit Lärm vertreiben. Ted war trotzig und beschloss einen Garten mit Hochbeeten und einem unnötigen Schutzwall anzulegen und griff nach Spaten und Schubkarre und verließ verstimmt die Burg.
   Auch heute würden sie wieder den ganzen Tag sammeln, Tapp hatte ihr ein Buch gegeben, in dem auch Kräuter und die Pflanzen von Gewürzen abgebildet waren. Sie hatten die letzten beiden Tage so viel gesammelt, dass sie es heute ruhiger angingen ließ. Gegen Mittag hörte sie plötzlich Gewehrschüsse gefolgt von Tapps Jubelschrei. Sie kletterte den Baum hinab und lief zu ihm hin, sie sah gerade noch, wie Tapp eine große Echse runterschluckte, nur noch der lange Schwanz hing ihm aus dem Maul.
„Diese Waffe ist einfach prachtvoll, ich habe einen kleinen Waran erlegt, einen Primitiven. Ich bin so ein lausiger Jäger, aber er ist mir einfach so über den Weg gelaufen. Man, das reicht bestimmt für ein paar Tage, dann halten unsere Lebensmittelvorräte länger, ich ess ja immer Doppelte oder Dreifache Portionen im Vergleich zu euch.“
Akira sah zu wie der Schwanz auch noch in Tapps Rachen verschwand und kletterte dann wieder auf den nächsten Baum um Gewürzpflanzen und Früchte zu ernten. Als sie mit ihrer Ausbeute zur Burg zurückkehrten stellten sie erbost fest, dass Ted vieles gemacht hatte, nur keinen Garten ausheben.
Nachdem sie abgeladen hatten gesellten sie sich zu ihm, Er stand in einer etwa vier Meter tiefen Grube in der Nähe der Mauer der Nebenburg. Er hatte ein gutes Stück der Südmauer freigelegt und auch einen Wehrgang mit Schießscharten.
„Was gedenkst du da zu tun Ted? Das sieht nicht nach einem Garten aus!“
Er sah auf und deutete auf ein grünangestrichenes Metallrohr.
„Ich habe ein schweres Geschütz gefunden. Da hinten geht das Kanonenrohr in einen dicken Schild über. Ich habe den Umfang gemessen und das Kaliber der Kanone dürfte an die 15 Zentimeter haben, also ordentlich Wumms.“
„Und der Garten?“
„Ja mach ich noch, ich wollte nur die Nebenburg ein bisschen ausgraben um zu gucken auf welcher Höhe man am besten den Garten anlegen soll. Nach den Erkenntnissen der letzten Tage werde ich ihn Nahe der Landefläche Hangabwärts anlegen, da komme ich mit der Ausgrabung der Burg nicht so ins Gehege.“
„Könntest du einfach nur bitte die Pflanzen eingraben?“
„Jaja.“
Aber sie wusste dass er log um sie loszuwerden, er würde hier weiter in der Erde herumgraben, dafür war er einfach zu neugierig. Tapp schüttelte nur den Kopf und nach einer Kleinen Erfrischung ging es wieder los, Ava sang während sie Brot backte und die frischen Lebensmittel verarbeitete.
Am Abend gab es einen schmackhaften Gemüseauflauf.

*

Tag 8. Jetzt waren sie alle froh, dass Ted sich vor der Gartenarbeit gedrückt hatte. In der Nacht wurden sie von Avas Horn geweckt und sahen dass es schneite. Es war auch Kalt geworden und mit vereinten Kräften trugen sie die Pflanzenkiste in den großen Saal und stellten die Pflanzenkisten mittig hin. Den Trieben schien es zum Glück noch gut zu gehen. Dann beschlossen sie das Kraftwerk in Gang zu setzen, auch wenn ihre Holzvorräte erst zu einem Drittel gefüllt waren. Also trugen sie Feuerholz zum Kraftwerk und warfen es auf einen Haufen. Ted hatte eine der Türen des Brennofens geöffnet und fachte mit seinen Kräften ein prasselndes Feuer an. Ava kurbelte neues Wasser nach oben um den Wasservorrat gut gefüllt zu haben. Akira ging in die Schaltzentrale und schaltete erstmal auf Heizung und die Wasserpumpen. Nach einer Stunde prasselte ein großes und heißes Feuer und sie hörten das Wasser gluckern. Langsam vernahmen sie die Geräusche des andrehenden Generators und als die sie Testweise das Licht anschalteten jubelten sie laut, sie hatten Strom!
Ted und Akira befeuerten abwechselnd den Ofen und Ava kurbelte Wasser.
   Der Generator war irre effizient und erzeugte selbst mit Holz einen Haufen Strom. Im Kraftwerk war es schön warm und wenn sie rausgingen trugen sie dicke Pelzmäntel. Ava hatte ihren dick gefütterten langen Ledermantel und Tapp schien die Kälte nicht so zu stören, er sammelte weiter Feuerholz. Nach dem Essen aus Rationen teilten sie sich für die Nacht auf, Liz hatte die zweite Wache. Ted nahm sich ein paar wertvolle Energieriegel und eine Thermoskanne Kaffee mit und heizte die ganze Nacht durch.
   Als sie mit ihrem Wachrundgang dran war und Ted neben dem Ofen im Warmen schlief probierte sie eine Theorie aus, nämlich die Stahltür betreffen, die sie am zweiten Tag gefunden hatten.
Mit einer Taschenlampe bewaffnet näherte sich der Stahltür und als sie probeweise die Klinke herunterdrückte, schwang sie einfach auf. Jetzt brannte in ihr wieder diese Neugier auf.
Der Gang führte zu einer Treppe und sie lief sie hinab. Hier brauchte sie gar keine Taschenlampe, denn das Licht brannte zumindest in dem langen Flur. Er ging nach Süden und um eine Biegung nach Osten, sie ging zuerst nach Süden. An den Seiten waren Stahltüren eingelassen. Die Wände waren aus Steinem gemauert und ganz schön dick.
   Sie sah sich die Räume an und leuchtete den Inhalt kurz mit der Taschenlampe an. Es fanden sich Lagerräume für allerlei Sachen. Elektronische Komponenten zum Bau von Schaltungen, elektrische Geräte wie unter anderem kleine Generatoren, Motoren, Taschenlampen, Funkgeräte und Radios, Batterien und so weiter. Der nächste Raum war voller Elektro- und Computerkabel, der dahinter voller Glühbirnen. Zu ihrer Überraschung war ein Raum voller Kisten mit Salz, alles voller Salz. Sie kannte sich nicht mit der Verarbeitung von Fleisch aus, aber konnte man Fleisch nicht mit Salz haltbar machen? Sie zuckte mit den Achseln und ging weiter.
In einem Raum fand sie lauter Chemikalien, von vielen hatte sie noch nie etwas gehört. Dann in einem anderen Lagerraum säckeweise Gewürze, noch mehr Brühpulver und Mengen an Teepaketen und Säcken mit Kaffeebohnen, letzteres würde Ted freuen. Zu ihrer Freude fand sie Blechdosen und Päckchen mit purem Kakaopulver. Dazu ein paar Säcke Rohrzucker und reichlich Gläser mit Honig.
An einem Raum würde Ted seine helle Freude finden, denn hier waren Kettensägen und ein Tank mit Blaustoff, jedenfalls stand das auf dem Tank, sie kannte sich damit nicht aus.
Außerdem noch mehr Werkzeug aller Art und Schleifsteine.
   Ein größerer Raum war voller Kohlebriketts. Auch hier unten gab es ein paar Unterkünfte mit Betten und Schränken und einem Waschraum. Ihr fiel auf, dass es hier unten Luftschlitze für Frischluft gab und es gab ab und an Lautsprecher, Klingeln und Telefone in den Wänden – zumindest in den Arbeits- und Schlafräumen.
   Von hier unten hatte man Zugang zum Treppenhaus des Bergrieds und hier fand sie auf die Kabine des Aufzugs, er funktionierte einwandfrei und war beleuchtet.
Sie ging nach Osten und eine weitere Treppe herunter, sie musste ein gutes Stück unter der Erde sein, aber die Luft hier unten war frisch und nicht abgestanden. Plötzlich stand sie in einer riesigen Gewölbehalle voller langer leerer Steinbecken, an der Decke gab es ein sehr großes Oberlicht, dass mit einer dicken Glasplatte verdeckt war, von hier unten sah sie das Erdreich. Das musste ein unterirdisches Gewächshaus sein, und es war ungewöhnlich heiß und feucht hier unten, hier zirkulierte bestimmt keine Heizung. Sie legte eine Hand auf den schwarzen Felsboden und stellte fest dass er regelrecht heiß war. An zwei Stellen gab es Brunnenschächte aus denen Wasserdampf quoll und daneben eine Pumpe. In den Wänden gab es Durchgänge zu weiteren Räumen. Sie fand eine reichlich warme Dampfsauna und weitere Räume mit Steinwannen zum Anpflanzen von allerlei Gewächs. Hier unten waren die Mauern aus schwarzem Felsgestein. In der Mitte des Raumes befand sich ein Wasserbecken. Die Decke war so konstruiert, dass der kaltgewordene Wasserdampf von der Decke in dieses Becken tropfte. Sie nahm einen Schluck und es schmeckte Mineralisch und erfrischend lecker. Warum schmeckte ihr Wasser nur so normal, ihre Quelle war doch nur ein paar Meter entfernt?
   Sie ging die Treppe im Norden hinauf und lief eine gute Weile. Sie kam in einem Raum heraus, der offene Fenster hatte, sie mussten wohl in die Steinmauer der Nebenburg eingelassen sein, und es schien ein bisschen Mondlicht in den Raum. Er war so groß wie der Lagerraum in der Burg oben und hier befanden sich schier unerschöpfliche Vorräte an Steinkohle. Nebst riesigen Tanks, in denen sie Blaustoff vermutete. Aber auch große Tanks mit Schmieröl. Rohrleitungen führten von den Tanks weg und ein paar führten zu einer Tür in der Wand. Dahinter befand sich wohl das Hilfskraftwerk. Hier war auch alles nagelneu und hier gab es eine Dampfturbine mit Kohleofen und auf der anderen Seite einen Stromgenerator mit einem Verbrennungsmotor. Es gab reichlich Schalter und Kurbelräder. Solange der Teil hier eingegraben war, brachte ihnen das alles nichts, fürchtete sie nur. Außerdem wusste sie nicht mehr ob der Schornstein im Dschungel noch mit einem Stopfen oder sowas versehen oder einfach noch unter der Erde lag. Eine Tür führte südwärts, also wahrscheinlich auf einen Hof oder so. Sie öffnete die Tür nach innen und stand vor einer Erdwand, tja, hier kam sie wohl nicht raus. Also wieder die Treppe nach unten und zu dem anderen Treppenhaus südlich.
Hier oben gelangte sie in noch eine Waffenkammer, nur ohne die Waffen. Nur Berge von Munition und Granaten für Artillerie oder ein schweres Geschütz. Sie betrat einen Gang und landete in einem befestigten Raum mit einer ernsthaft großen Kanone auf einer drehbaren Lafette. Dann hatte Ted wohl dieses Rohr ausgegraben. Auf der anderen Seite war ein weiterer Gang. Noch mehr Granaten und Munition, zudem zwei große Mörser auf bereiften Lafetten und ein paar Raketen- und Granatwerfer. Davon musste sie unbedingt Ted berichten.
Ein Durchgang führte eine Treppe hoch und hier oben war die überdachte Plattform eines Wachturms, hier oben lagerten ein paar Kisten mit Granaten und Gewehrmunition vom Kaliber 7,92×57 mm, passend für die MG42 Maschinengewehre und die Karabiner 98k. Sie öffnete eine Klappe in der Seite und konnte raussehen, auch wenn sie vor lauter Ranken und Gestrüpp nichts sah, sie schlug es mit der Machete zur Seite und konnte raussehen, es ging ganz schön weit nach unten.
Dann ging sie den ganzen Weg zurück und weckte Ted um ihm von ihrem Ausflug zu berichten. Er flitze davon um sich alles anzusehen und sie begann ihren eigentlichen Wachrundgang.

*

Tag 9. Akira wurde durch Rotorenlärm geweckt und rannte hoch aufs Dach. Dort aus dem Süden näherte sich in ziemlicher Entfernung ein schwarzer Punkt, durch das Fernrohr entdeckte sie einen bulligen schwarzen Orca. Einer großen Transportmaschine mit zwei Kipprotoren, das Lasttier für alle Fälle auf der Erde. Ein paar Minuten später gesellte sich Ted dick eingepackt in Pelze neben sie.
Die zivilisierten Warane auf Voras waren Warmblüter und ihm schien gerade der Arsch abzufrieren. Hier oben lagen gute fünfzehn Zentimeter Schnee.
„Was kommt da?“
„Ein schwarzer Orca.“
„Dann hoffe ich mal, dass der uns nicht zu Brei bombt, denn ein RPG-7 kratzt den nicht mal an.“
Der Orca näherte sich schnell und kam in Sicht. Ted ging runter zu den anderen, die mit aller Wahrscheinlichkeit noch nie ein Flugzeug gesehen oder gehört hatten. Als der Orca auf dem Landplatz hangabwärts landete, ging sie auch runter. Das Südtor stand weit offen und sie gesellte sich zu den anderen drei, die an der Schwelle warteten.
    Zwei Gestalten näherten sich ihnen während dutzende Horizon Gardisten den Orca entluden.
Die eine war eine recht große glatzköpfige junge Frau in einem dunkelgrünen Gewand, über das sie einen Mantel aus Tigerfellen geworfen hatte, sie trug dicke gefütterte Stiefel und eine Umhängetasche aus dickem Stoff. In der Hand trug sie einen Stab aus reich verziertem Holz.
Der andere war ein Waran, in etwa so groß wie Ted, vielleicht ein bisschen größer. Er trug dicke Stiefel, Cargohosen mit Gürtel an dem allerlei Equipment hing, dazu ein Wadenholster mit einer Pistole, eine dick gefütterte Jacke, Handschuhe und ein rot gemustertes Halstuch.
Ted lief ihnen entgegen und Akira folgte ihm.
„Luma! Emmet!“
Das waren doch seine beiden Freunde aus dem Dalalonischen Hochgebirge, von denen er ihr so viel schon erzählt hatte. Waren die nicht nach dem Eintritt in das Weltenportal verschwunden gewesen?
Ted umarmte die beiden überschwänglich und stellte sie den anderen vor. So früh am Morgen war es beißend kalt und sie luden sie in die Burg für ein Frühstück ein während die Horizon Leute weiter die Sachen dem Orca ausluden. Schon jetzt war klar, dass sie den halben Tag mit Umladen verbringen würden. Schon jetzt standen da drei eingeschweißte vollbeladene Europaletten und ein Haufen schwere Leinensäcke und große Plastikfässer. Ava servierte süßes Brot mit einer heißen Früchtesuppe und es gab Kaffee.
   Mit einer warmen Mahlzeit im Magen und lockeren Begrüßungsgesprächen und nach einer ausgiebigen Tour des Geländes holten sie die Karren aus dem vorderen Lagerhaus und liefen runter zum Orca, der die Turbinen wieder angeworfen hatte und langsam abhob.
   Aus drei Paletten waren zwölf geworden, der Berg mit den Säcken war gut drei Meter hoch und überall stapelten sich Transportkisten in Stapeln bis drei Meter hoch in allen Größen so weit das Auge reichte. Dazu ein dutzend große brusthohe Plastikfässer. In all dem Chaos entdeckten sie einen Käfig mit einem Dutzend Hühnern, einem Hahn und zwei jungen Milchkühen plus Bullen von der Erde.
   Das würde Tage dauern das alles hoch zur Burg zu transportieren. Zuerst brachten sie die Tiere in die Ställe und fütterten sie. Dann wandten sie sich den Säcken zu, die Getreide, Reis, Kartoffeln, Kaffeebohnen und Steinkohle enthielten. Die Säcke waren wenigstens dreißig oder vierzig Kilo schwer und bis auf Tapp waren sie alle nicht sehr kräftig gebaut und konnten die Säcke kaum anheben. Tapp hingegen hob probeweise einen Sack auf und trug ihn als wäre es federleicht. Da war die Arbeitsteilung klar, Tapp würde die Säcke übernehmen und sie fünf die Kisten. Die Paletten stellten wohl die Winterreserve da, denn sie waren voller haltbarer Lebensmittel wie Konservendosen und Einmachgläser mit Gemüse und Soßen.
   Bewaffnet mit Karren aller Art gingen sie ans Werk. Als es langsam Nacht wurde hatten sie nicht einmal ein Drittel geschafft. Was nun? Emmet half ihnen weiter als er gezielt eine Plastikbox öffnete und Stäbe von der Länge eines Unterarms zeigte, gefertigt aus einem leichten schwarzen Metall mit einer mandarinengroßen Kugel aus diesem milchig schwarzem Glas, aus dem auch ihr Almanach bestand. An der Spitze war ein Stachelkranz angebracht.
„Das ist eine Vorasfackel oder auch Leerenfackel genannt. Wird gerne auch als Keule verwendet und die findet man ziemlich häufig. Seht her, ich drehe den Kranz nach rechts und leuchtet auf wie ein Licht, je weiter man dreht desto heller wird es. Es hat keine Batterie sondern wird von der Energie der Leere gespeist, die überall um uns herum ist. Man kann aber auch das machen. Vá!“
Ein Ball aus strahlend weißem Licht schoss aus der Spitze in die Nacht.    
„Ein Ball aus reiner Energie. Macht Licht, ist aber auch so heiß wie Feuer. Ideal gegen Vampire, ein Treffer und die Verglühen regelrecht. Allerdings braucht es nach einem Schuss eine gewisse Zeit, bis sich die Fackel wieder auflädt“
„Bist du schon vielen Vampiren über den Weg gelaufen?“
„Schon, die nisten sich gern in den alten vergessenen Tempeln der Vá ein. Ich würde mich nicht als Vampirjäger bezeichnen aber über die Jahre hab ich schon den ein oder anderen Vampir gegrillt.
Es gibt aber noch eine Sache.“
Emmet steckte die Fackel in den Boden und drehte den Kranz linksherum, dann ließ er los. Die Glaskugel hob sich senkrecht in die Höhe und verharrte in etwa dreieinhalb Metern Höhe und verströmte ein helles warmes Licht.  
„Damit können wir den Weg runter zum Landeplatz erhellen und auch hier oben, den Metallschaft kann man aufspreizen und wie ein Stativ benutzen. Und Ted hat mir erzählt dass du auch einen Almanach besitzt. Ich hab was für euch beide.“
Er öffnete die Hand und zwei Kugeln aus diesem Glas erschienen auf seiner Handfläche.
„Das sind Voraslichter, die müsst ihr mit eurem Almanach verbinden, dann könnt ihr sowas machen.“
Er hob eine Hand in die Luft und ein Ball aus hellem Licht schwebte über seinem Kopf. Er zeigte ihnen wie man die Lichter verband und dann gingen sie frisch ans Werk und beleuchteten den Weg zu den übrigen Vorräten. Nach dem Abendessen schufteten sie die Nacht durch. Zwischendurch ging ihnen der Strom aus, aber das war ihnen egal. Sie schleppten bis zum späten Abend des nächsten Tages. Als sie mit vereinten Kräften das letzte Fass in den Hof gerollt hatten, schlossen sie das Tor und legten sich nach einem schnellen Abendessen erschöpft schlafen. Die sau schweren Fässer waren die blanke Hölle gewesen.

*

Tag 11. Nach dem Frühstück gingen sie ans Werk und entpackten die Sachen. Die Lebensmittelvorräte kamen in die Vorratskammer und den Keller unter dem Lagerhaus. Mühsam schütteten sie das Getreide und den Reis in die Silos und die Kohle den Schacht neben dem Kraftwerk hinab. Die großen Fässer waren voller getrockneter Erbsen und Bohnen aller Art. Dann größere Mengen an gepökeltes Fleisch auch in Fässern. Dazu Kisten mit Pökelsalz.
   In den Kisten fanden sie Unmengen dicker Wolldecken, unendlich viele Felle, Pelzdecken und -Mäntel, warme gefütterte Kleidung und warme Unterwäsche für alle. Lumas und Emmets privates Gepäck. Ein paar Thermoanzüge – Jumpsuits aus einem dicken neoprenartigen Material in das laut Ted Heizfäden eingearbeitet waren, gespeist durch eine Batterie aus Energiekristallen. Die zogen Emmet und Ted gleich an. Zahlreiche Kisten mit Seife und Kerzen. Eine Kiste war voller Glocken, eine andere voller Musikinstrumente. Radios. Elektronikkomponenten und Computer, Peripherie wie Tastaturen und Kopfhörer. Noch mehr von den Karabinern 98k und eine Kiste mit dem Selbstladegewehr Karabiner 43. Kisten mit Handtüchern. Barren mit Gold, Silber und Kupfer. Roheisen und Rohstahl. Noch mehr Pflanzensamen. Bücherkisten. Meteorologische Messgeräte. Ausrüstung für Ausgrabungen und Kistenweise Glaszylinder, die ebenfalls leuchteten wenn man sie drehte. Kletterausrüstungen zuhauf, ideal fürs Bergsteigen und das erklimmen der höchsten Bäume. Kistenweise Lötzinn und Kabel mit kleinem Durchmesser. Noch mehr Kompasse. Wasserfilter. Schaltafeln und großen Batterien. Und noch mehr Krempel.
   Mit den Lebensmitteln würden sie locker über den Winter kommen und sie konnten sich endlich dem widmen wozu sie Lust hatten.
   Ted und Emmet gingen mit Spaten bewaffnet ans Werk um die Vergrabenen Gebäude auszubuddeln und begannen damit Erde an den Mauern abzutragen, damit niemand einfach so in den Hof springen oder klettern konnte, was den Zweck einer Schutzmauer nicht sehr gelegen kam. Damit waren die beiden den ganzen Tag beschäftig. Ava war unentwegt dabei zu Backen und zu kochen, auch wenn sie alle Hände damit zu tun hatte für sechs Personen zu kochen. Tapp trug die Kisten mit der Erde und den Pflanzen nach unten in das unterirdische Gewächshaus, dann begann er damit, die Erde, die Emmet und Ted freischaufelten, nach unten zu transportieren um die Steinbecken damit zu füllen. Er sagte dass er sich da unten gut und ziemlich frei bewegen konnte, was eine gute Nachricht war. Weil es ihm im Stall langsam zu kalt wurde zog er nach unten zu den Quellen und nahm ein paar der magischen Lichter mit. Auf die Frage wo er da unten auf Klo gehen würde, antwortete er trocken mit „Dünger“ und das Thema war vom Tisch.
Luma war als Geistige des dalalonischen Buddhismus und ihr momentanes Amt als spirituelles Oberhaupt wenig nützlich und kümmerte sich also um die Tiere im Stall und half Akira Holz zum Kraftwerk zu bringen. Wobei sie jetzt genug Kohle für einige Wochen hatten, plus der Vorräte die schon im Speicher waren.
   Akira selbst konnte als IT- und Elektrik-Ass ohne Strom wenig machen und betrieb den ganzen Tag das Kraftwerk, sie brauchte eine Weile bis sie Feuer gemacht hatte. Sie verbrauchte die letzten Vorräte an Feuerholz, bald brauchten sie mehr. Ted hatte vorgeschlagen, das Holz zu Holzkohle zu Köhlern.
   Nach dem Abendessen fühlte sie sich wie gerädert. Oben erwartete sie schon Ted. Sie wollte sich schon ins Bett werfen als er sie sanft daran hinderte. Er drückte ihr ein Stück Seife in die Hand.
„Eure Hoheit, Sie stinken! Da, ab in die Dusche, währenddessen lasse ich uns schon einmal eine heiße Badewanne ein.“
Jetzt wo er es sagte stellte sie tatsächlich fest dass sie stark roch, in den letzten 11 Tagen hatte sie sich noch nicht einmal geduscht oder gewaschen und hatte harte körperliche Arbeit erledigt. Im Bad entkleidete sie sich und bemerkte wie ihre Körperbehaarung fröhlich wucherte, aber ans Rasieren dachte sie erst gar nicht, dafür war keine Zeit. Sie betrat die Dusche über ein paar Steinstufen nach unten in ein Steinbecken ein Meter mal ein Meter mit einem Abfluss in der Mitte. Nach einem Moment prasselte warmes Wasser auf sie herab und sie genoss jede Sekunde. Die Seife schäumte ganz gut und roch nach Zitrusfrüchten. Im Hintergrund hörte sie Wasserrauschen. Sie stieg aus der Dusche und sah zu wie Ted Kerzen um die fast volle Badewanne platzierte und anzündete. Dann goss er etwas in das Badewasser und ein intensiver Zitrusduft erfüllte den Raum. Jetzt stieg auch Ted aus seiner Kleidung und stieg in den Wanne hinab, Akira folgte ihm in die heißen Fluten und ein wohliges Gefühl breitete sich in ihrem Körper aus. Sie fühlte jetzt schon, wie sich die Verspannungen der letzten Tage langsam lösten. Ted rückte ganz dicht neben sie und tauchte für einen Moment richtig ein. Sie küsste ihn sanft.
„Darf ich dich massieren meine Liebe?“
„Oh mein Retter in der Not, dann massiere ich dich danach auch.“
Sie stützte die Arme und den Kopf auf den Rand des Beckens und Ted ging bestimmt ans Werk. Es war ein so unbezahlbar gutes Gefühl und sie erwiderte die Geste so gut sie es eben konnte.
„Ist das nicht totale Wasserverschwendung?“
„Ach, ab und zu muss das auch mal sein, außerdem sind wir das Herrscherpaar, wir dürfen das.“
Sie genossen die Wärme eine ganze Weile und ließen dann wiederwillig das Wasser ab. Ted rubbelte sich schnell trocken und ging raus, bei ihr dauerte das mit ihren klitschnassen langen roten Haaren erheblich länger. Als sie nackt zu Ted ins Wohnzimmer stieß, hatte er schon ein prasselndes Feuer entzündet und Felle vor dem Kamin ausgelegt. Sie setzte sich ans Feuer und Ted deckte sie zu, er reichte ihr ein volles Weinglas mit Rotwein und setzte sich neben sie.
„Weißt du nach der ganzen Plackerei der letzten Woche will ich doch einfach mal den Abend genießen und entspannen, ich hab übrigens eine Überraschung für dich.“
Er reichte ihr ein gefülltes Glasschälchen und einen langen Löffel.
„Oh mein Gott! Das ist Eis, und dann noch meine Häagen Dazs Lieblingssorte, wo hast du die her?“
„Ich habe mich hier oben ein bisschen umgeguckt, weil es mir seltsam räumlich etwas seltsam vorkam und mich in der Leere umgesehen. Und siehe da, ich habe zwei Geheimtüren gefunden.
Die eine führt in eine regelrechte Schatzkammer, mit geprägten Münzen in Vorasglas, Gold, Silber und Bronze und Kisten mit Edelsteinen und Diamanten.
   In dem anderen Raum habe ich eine königliche Snackkammer mit einem großen Kühlschrank, einem Eisschrank und Bergen mit allen unser beider Lieblingssnacks. Ich finde das sollte unser kleines Geheimnis fürs erste bleiben. Meine Lieblingssüßigkeiten teile ich nicht gern.“
Das Eis war eine wahre Wohltat und viel zu schnell alle. Sie legte das Schälchen weg, trank einen Schluck Wein und fiel dann über ihren Freund her. Es folgte leidenschaftlicher Sex und dick eingekuschelt schlummerten sie nebeneinander ein.

*

Tag 12. Beim Frühstück beratschlagten sie über den Tag. Ava würde weiter Brot backen und sich mit den irdischen Back- und Kochzutaten vertraut machen. Ted hatte ihr die geliehenen Back- und Kochbücher zur Lektüre hingelegt. Das verstand Akira nicht so richtig.
„Aber Ted das ist doch Quark, die Bücher sind in Deutsch geschrieben, wir sind doch auch einem völlig anderen Planeten!“
Ted musterte sie fragend.
„Dir ist aber schon klar dass du Erdmädchen die beiden problemlos verstehen kannst, oder?“
Verdammt, das war ihr nie aufgefallen.
„Sie sprechen Agemas, das ist die allgemeine Sprache auf Voras, zumindest in der Zivilisation. Es entspricht im Großen und Ganzen dem irdischen Englisch. Und als Sprachwissenschaftlerin kann Ava auch Dúas, das ist Deutsch.“
„Warum ist das so?“
„Naja, wir verwenden auch das metrische System und SI Einheiten, nur auf unsere Welt angepasst. Und Emmet trägt seit seinem zwölften Lebenjahr eine belgische FN Five-Seven im Holster. Das alles konnte nur passieren weil Ben Solomon, alias Noah, alias Jonah, etwa sechshundert Jahre vor meiner Geburt auf dieser Welt gestrandet ist und einen ganzen Kopf und Rucksack voller irdischem Wissen und Gegenständen dabei hatte. Er hatte über die Jahre und Jahrhunderte großen Einfluss auf die Zivilisationen von Nordvoras, insbesondere Dalalonien. Er hatte bei seinem Absturz zwei Pistolen dabei, eine davon war eben eine FN Five-Seven.
Als Archäologe war er mit alten Sprachen vertraut, aber als Deutscher eben auch mit seiner Muttersprache und wohl bekannt mit dem Englischen das er in seinen Tagebüchern verwendete.“
Akira sah ihn mit großen Augen an. Das war zwar abwegig, aber irgendwie machte es auch Sinn.
Sie sah zu Ava, die etwas abwesend in einem Kochbuch schmökerte. Emmet meldete sich zu Wort.
„Ich hab mir das Gelände um die Burg herum angesehen, insbesondere die Nebenburg. Sie dürfte sehr wichtige Einrichtungen enthalten und das zweite Kraftwerk könnte im Winter lebenswichtig sein. Wir sollten mit den Ausgrabungen beginnen, aber es sollte die Priorität sein, dass niemand unbefugtes über die Mauer klettert. Ich würde vorschlagen wir ziehen alle an einem Strang und graben die Burg aus, dann können wir alle sicherer schlafen. Im Gegenzug werden ich und Ted danach als erstes dieses Oberlicht des Gewächshauses ausbuddeln, damit du Tapp mit dem Gärtnern anfangen kannst. Wir haben genug Thermosuits für uns fünf und Tapp wickeln wir in Decken ein. Für Verpflegung ist gesorgt in den Kisten waren Berge von Horizons Wundermittel. Riegel aus Vorasreis, unglaublich energiereich und nahrhaft, ein Bissen und du bist satt für etwa zehn Stunden. Ein Riegel reicht für einen ganzen Tag. Angereichert mit Vitaminen und Nährstoffen. Ideal für Expeditionen. Ich hatte ein paar Riegel und eine Dose mit Reissamen dabei als ich auf der Erde gestrandet bin, die haben das gut kultiviert und die Riegel analysiert. In den gut sieben Jahren, die ich auf der Erde war, ist viel passiert. Und dafür dass ich ihnen dieses Geschenk auf dem Silber Tablet serviert habe, wurde ich mit allerlei gutem Equipment und Messgeräten ausgestattet. Das Zeug wächst übrigens praktisch überall, auch da wo es schweinekalt und karg ist. Die Mönche im dalalonischen Hochgebirge schwören darauf.“
„Dann können damit ausgerüstet Tapp und Ava wieder zu ihrer Akademie zurück!“
Ava und Tapp sahen sich unsicher an.
„Das geht nicht. Wir waren nicht ganz ehrlich. Wir haben keine andere Akademie besucht sondern wurden verbannt! Wisst ihr wir beide waren totale Außenseiter auf der Akademie. Tapp war der einzige Qwaraptor auf der Akademie und ist für seine Art ungewöhnlich intelligent und ich bin eine zwergwüchsige Elfe. Wir wurden nur gehänselt und schikaniert. Dann haben mich ein paar Leute zusammengeschlagen und Tapp hat eingegriffen und mich da rausgeboxt. Dafür wurden wir der Akademie verwiesen und in Verbannung geschickt. Ich hab heimlich ein paar seltene Vá Artefakte mitgehen lassen und Tapp wertvolle Daten und Pflanzensamen sowie einen Vorasbaum-Samen. Damit haben wir uns fertig gemacht, so viele Lebensmittel gestohlen wie wir tragen konnten und sind etwa vier Wochen durch den Urwald geirrt. Hier ist es so toll. Außerdem bin ich noch jung und die hätten mich nie an richtige Artefakte rangelassen bevor ich nicht mein hundertstes Lebensjahr erreicht hätte und ich bin erst fünfundzwanzig.“
„Und hier werde ich nicht schikaniert und kann in Ruhe forschen und ihr habt Kistenweise völlig fremdartige Pflanzen und Samen mitgebracht. Außerdem gibt es in der Stadt sowas wie Schusswaffen gar nicht und von denen will ich mich nicht mehr trennen. Ohne euch wären wir einfach im Dschungel verreckt oder ein wildes Tier hätte uns gefressen, was ja beinahe passiert wäre. Dafür sind wir euch auf ewig dankbar und wir versuchen unser Wissen mit euch zu teilen.“
„Das hättet ihr und schon am ersten Tag erzählen können!“
Sagte Ted mit einem vorwurfsvollen Unterton.
„Tut uns auch leid, aber wir dachten ihr würdet uns wieder wegschicken.“
„Sehen wir so aus wie Barbaren?“
„Kaiserwarane sind für gewöhnlich nicht sehr nett und überfallen oft andere Stämme und Städte.“
„Das ist einleuchtend, aber ich persönlich will euch nichts tun. Also, seid ihr bei unser Ausgrabungsaktion dabei?“
Alle stimmten zu und sie schlüpften in die wärmenden Anzüge, die unter normale Kleidung passten und sie gingen ans Werk.

*

Tag 16. Die Burg saß jetzt auf einer richtigen Anhöhe und für die Nebenburg würde man eine ziemlich lange Leiter brauchen, um über die Mauer zu steigen. Ted hatte den Schornstein ausgegraben und den Pfropfen entfernt, dann hatten sie die Ventile für den Blaustoff aufgedreht und den Blaustoffgenerator in Gang gebracht. Dann begannen Ted und Emmet damit den zweiten Innenhof aufzugraben und die Bäume zu fällen die dort fröhlich wuchsen. Ava probierte Rezepte aus den Rezeptbüchern erklären und fragte Akira oft um Hilfe wenn sie ein Wort nicht wusste oder eine Zutat nicht kannte. Luma kümmerte sich um die Tiere und zum Frühstück gab es Omelett mit getrockneten Pilzen. Und zu Abend kochten Ava und Luma Chili con Carne mit gepökeltem Fleisch, das sie durch den Fleischwolf getrieben hatten. Tapp hatte mittlerweile alle Steinbecken im Gewächshaus mit Erde gefüllt und die treibenden Zwiebeln und Kartoffeln eingepflanzt. Ebenso wie die anderen Gewächse die Ted dankenswerterweise auf Englisch also Agemas beschriftet hatte. Erhellt wurde das Gewächshaus von hellen Leerenfackeln. Tapp war komplett nach unten gezogen und baute sich mit Kisten einen improvisierten Schreibtisch für seinen Laptop und seine Forschungsnotizen in einem der leeren Räume um den Garten herum. Und eine bequem ausgepolsterte Schlafstätte, Felle hatten sie mittlerweile genug. Das mit dem Dünger war echt kein Scherz gewesen. Und er legte einen Kompost an, der bei diesem Klima gut gedeihen würde, Regenwürmer fanden Emmet und Ted beim buddeln zuhauf und brachten sie runter, ebenso wie Pflanzenabfälle und Laub. Akira hingegen hielt das Feuer im großen Kraftwerk am Laufen und las nebenbei Forschungsnotizen von Tapp und in eBooks zum Thema Pflanzen und deren Anwendung. Draußen schneite es zwar, aber mitten im Dschungel zwischen den Bäumen schien alles genauso wie im Sommer zu sein. Die Energiekristalle der Thermosuits luden sie an der großen Batterie der Burg auf. Ted und Emmet schufteten Tag und Nacht und am Nachmittag des sechzehnten Tages drang endlich Sonnenlicht nach unten in den Garten. Tapp war ganz aus dem Häuschen und pflanzte sorgfältig Pflanzen an, zum Teil beauftragte er Akira damit, Pflanzen mit Wurzel aus dem Dschungel auszugraben und zu ihm zu bringen. Er war völlig fasziniert wie die Zwiebeln sprossen und sie verbuddelten noch ein bisschen Knoblauch. Das würde sich später zum Kochen ganz ausgezeichnet machen. Wenn Ava nicht gerade backte oder kochte, verbrachte sie ihr Zeit im Tempel und las in den Büchern der Bibliothek oder untersuchte die Steintafeln und Artefakte. In dem Sack mit den gestohlenen Artefakten war auch ein Kalender gewesen, so wussten sie immer welchen Tag sie hatten. Der Winter würde noch andauern um und das Ende des Jahres mit dem Vorasfest kam ganz langsam Sicht.

*

Tag 18. Wieder wurden sie von Motorenlärm geweckt, aber diesmal war es nur ein kleiner Lambda Swordfish, nicht viel größer eine V-22 Osprey. Zu sechst gingen sie nach unten zur Landefläche und besuchten ihre Neuankömmlinge. Es waren vier. Eine schwarze junge Frau mit kurzem Kraushaar, die gut fror. Amber mit ihren leuchtend grünen Augen, sie war recht klein, nur ein bisschen größer als Ava, aber sie war durchtrainiert und strömte pure Wildheit aus. Sie trug gefütterte lange Hosen und einen Mantel aus Leopardenfell. Dann kam Jack, ein griesgrämig aussehender muskelbepackter Schrank von einem jungen Mann mit einem struppigen Vollbart, auch er war dick eingepackt. Die vierte Person war ungewöhnlich, denn sie war eine ausgewachsene große primitive Leopardin mit intelligenten Augen, sie trug leichte Rüstung und ein Geschirr mit allerlei Taschen. Ihr schien die Kälte nichts auszumachen. Die menschlichen Ankömmlinge waren behangen mit Rucksäcken und Tragetaschen und diesmal mussten sie den Swordfish alleine ausräumen, aber zu neunt ging das schnell. Ava rannte schon mal los um Frühstück zu machen und das Brot aus dem Backofen zu nehmen, der Rest trug die wenigen Kisten und Taschen hoch zur Burg.
Jack hatte sich verändert, jetzt schien er einfach nur schlechte Laune zu verbreiten. Bei der Führung jammerte er ständig darüber rum wie unfair alles sei.
„Das ist doch Schwachsinn! Uns haben sie als Training mit einem Wasserkanister, einer Machete und drei Messern auf einer einsamen Insel ausgesetzt und ihr lebt hier in einer richtigen Burg und habt Strom, fließendes Wasser, Heizung und gekochtes Essen mit Brot. Das ist total unfair! Ihr musstet nicht um euer Überleben kämpfen. Gut die Seen sind bei dem Wetter eh zugefroren, ich koche!“
„Das geht nicht, wir haben eine Köchin!“
„Wenn denn? Die dumme, die hässliche oder diesen mickrigen Zwerg da? Der Knirps kommt ohne Hocker doch gar nicht an den Herd.“
„Du bist gebaut wie ein Schrank, du solltest etwas sinnvolles machen, wie Holzhacken oder dich an den Ausgrabungen beteiligen.“
„Das können doch die beiden schwächlichen Schluffis da machen, die sehen aus als könnten sie ein bisschen körperliche Ertüchtigung gut gebrauchen und ich bezweifle dass der zierliche Zwerg da schnell und effizient für acht Personen und zwei Fresssäcke kochen kann. Nix da, ich stell mich in die Küche und jetzt zeigt mir mein Schlafgemach!“
„Dann hilft dir Ava eben, aber sie hat die letzten Tage so einen guten Job abgeliefert.“
„Meinetwegen.“
Das könnte ja heiter werden. Jessica schien mit Jack und Amber nichts zu tun haben wollen. Sie war freundlich aber sehr still, schien sich mit Ava aber gut zu verstehen. Sie war die Metzgerin und Gerberin der Gruppe und solange Amber und Lucy, die Jägerinnen, kein Wild heranschafften, hatte sie nichts zu tun. Sie half beim Kohle schippen und Emmets Ausgrabungen. Amber und Lucy schienen ein gut eingespieltes Team zu sein und mit einem der Bögen aus den vielen Kisten waren sie ständig im Dschungel unterwegs. Als sie einmal vier tote Flips mitbrachte, war Tapp außer sich und schrie sie an, dass Watoren ohne ihre Hühner jämmerlich verhungern würden. Dann stritt er sich mit Jack, der nicht einsah, dass seine Freundin einen Fehler gemacht haben sollte, das Ganze artete beinahe in einer Schlägerei aus, die Tapp zweifellos gewonnen hätte. Von da an waren Jack und Tapp Feinde.
Ein Gutes allerdings war, dass sie in einer der Kisten Zahnbürsten und verschiedene Arten von Zahnpasta fanden. So brauchte sie kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie heimlich Eiscreme aß.
Zudem gab es einen großen Nachschub an Klopapier.

*

Tag 21. Der Haussegen hing mächtig schief. Die gute Stimmung war passe. Jack war ein ungehobeltes Arschloch und schien beschlossen zu haben jeden seiner Mitmenschen bis auf seine Freundin Amber scheiße zu behandeln. Ted und Luma stritten sich ständig mit Jack, er fand einen Archäologen und eine Geistliche in ihrer Gruppe für total überflüssig. Jessica war die ganze Zeit nur genervt und angespannt. Ava war völlig verängstigt, weil Jack sie bei der Küchenarbeit oft völlig unbegründet zur Schnecke machte und anschrie. Das war dann doch zu viel für die junge Elfe und sie lief heulend zu Akira. Wutschnaubend eilte Akira in die Küche und Ava folgte ihr ängstlich.
„Hey Jack was soll das? Warum schreist du sie an und behandelst sie so mies.“
Jack drehte sich mit einem abschätzigen Blick.
„Oh die Königin kommt schimpfen. Der Zwerg da ist einfach völlig unfähig und arschlangsam, weil sie ohne Hocker nirgends rankommt. Verdammt es erfordert Effizienz wenn du für zehn hungrige Mäuler kochst, da darf man nicht rumtrödeln.“
„Sie hat für uns sechs immer gut gekocht, nicht den ungenießbaren Fraß den du uns auftischst.“
„Wie war das? Zweifelst du meine Kochkünste an? Das ist alles nur die Schuld von dieser kleinen Schlampe da, sie schneidet einfach zu lange und dann wird es nichts.“
„Genau schieb du ihr die Schuld zu? Entweder du lässt sie in Frieden und konzentrierst dich auf deine Aufgabe oder …“
„Oder was? Willst du mir drohen? Du und dein Schluffi-Freund, ihr seid doch zu nix zu gebrauchen. Essen sammeln und Holz hacken kann jedes dumme Schwein. Ich seh nicht ein, dass wir euch hier irgendwie gehorchen sollen und ihr die besten Sachen bekommt. Heute Nacht schnappen ich und Amber uns euer kleines Schlafgemach und ihr könnt in diesen unbequemen Betten schlafen. Ich seh nicht wie ihr uns stoppen wollt. Außerdem sind wir nützlich und stark. Und jetzt verzieh dich und nimm die nutzlose Elfe da mit.“
völlig Entrüstet stand sie da. Ja, wie sollte sie ihn stoppen, er war gut eins neunzig und muskelbepackt, da hatten sie doch keine Chance, er war der Stärkste in der Gruppe. Und Amber hatte eine saugefährliche abgerichtete Leopardin als Haustier. Sie hingegen kletterte auf Bäume und konnte nicht wirklich gut kämpfen und Ted war auch kein guter Kämpfer.
   Später beim Essen saßen sie alle zusammen in der großen Halle. Der Eintopf war versalzen und schmeckte stark angebrannt, dazu gab es halb verkohltes Brot. Ted war sichtlich wütend. Plötzlich sprang er auf und schrie Jack an.
„Hey, du dumme Hackfresse, du kochst scheiße!“
Jack wurde puterrot und stieg von der Bank auf.
„Du armes Würstchen beschwerst dich über mein Essen? Wenigstens mach ich was Nützliches und grabe nicht nutzlos in der Erde herum. Was du machst kann jeder Schwachmat. Ab jetzt bestimme ich was hier Sache ist, ihr könnt doch gar nichts. Herrscherpaar, das ich nicht lache. Ihr seid Abschaum!“
„Was ist dein verdammtes Problem? Besorgt’s dir deine kleine Freundin nicht richtig, dass du deinen Frust an uns auslassen musst?“
Jack sagte nichts und lief noch röter an.
„So du willst also König sein?“
„Was heißt hier wollen, ich bin es einfach, ab jetzt.“
„Na dann was hältst du von einem kleinen Zweikampf. Wenn du gewinnst bekommst du alles und hast die Herrschaft und wir bedienen dich von vorne bis hinten. Aber wenn ich gewinne, hältst du dein vorlautes Maul und machst deinen scheiß Job wie man es dir befielt.“
„Du dumme schwache Echse hast so gut wie verloren.“
Jack krempelte sich siegesgewiss die Ärmel hoch und stellte sich auf die große Fläche zwischen den Tischen, er schüttelte die Fäuste. Akira wollte Ted nicht gehen lassen, aber er machte sich sanft los und stellte sich locker vor Jack hin. Und dann begann der Kampf, Jack stürmte vor und schlug … ins Leere. Ted hatte sich in einer Rauchwolke aufgelöst. Jack stand ratlos im Raum, da erschien Ted ein Stück hinter ihm und katapultierte sich in die Luft, Amber schrie erschrocken auf. Der schwere Stiefel traf Jack hart am Kiefer und er taumelte benommen. Ted deckte ihn mit blitzschnellen schweren Schlägen ein und traf die empfindlichen Körperstellen mit voller Wucht, er wich jedem von Jacks Schlägen oder Tritten geschickt aus. Jack war einfach zu träge und langsam. Ted trat ihm die Beine weg und rammte ihm den schweren Stiefel mit Anlauf in den Schritt, Jack quiekte schmerzvoll auf. Der Waran war über ihm und schlug ihm ins Gesicht, immer und immer wieder, bis die Haut aufplatzte und Jack das Blut über das Gesicht lief, er regte sich kaum noch und wimmerte nur. Amber war außer sich und stieß ein Befehl aus, Lucy sprang auf jagte auf Ted zu, der immer noch auf Jack einschlug. Die Leopardin sprang und landete im Leeren, dann erschien Ted wieder und nahm die Leopardin in den Würgegriff, sie strampelte und tobte, aber er schnürte ihr immer weiter die Luft ab.
„Nimm dein Kätzchen an die Leine oder ich breche ihr das Genick!“
Amber rief etwas und Lucy entspannte sich. Ted ließ sie los und kniete sich neben Jacks hin.
„Und jetzt zu dir, sprich mir nach: ich bin ein dummes Großmaul und werde ab jetzt gehorchen. Los! Hey ich hör dich nicht!“
Ted schlug ihm in die Eier und Jack wimmerte schmerzvoll.
„Ich hör dich immer noch nicht!“
Er drückte ihm die Luft ab und ließ ihn dann nach Luft schnappen.
„Ich bin ein dummes Großmaul und werde ab jetzt gehorchen.“
„Lauter! Wir hören dich nicht!“
Er drückte ihm wieder die Luft ab, diesmal länger, Jack schnappte nach Luft wie ein Fisch, dann schrie er laut.
„Ich bin ein dummes Großmaul und werde ab jetzt gehorchen!“
„Na geht doch. Für so einen dummen Tölpel lernst du schnell. Jetzt reden wir Klartext. Du lässt Ava in Ruhe und wir finden eine neue Arbeit für dich: Holz hacken und Erde schaufeln. Wie du selbst sagst, kann das jeder verdammte dumme Vollidiot. Und ab jetzt schläfst du im Stall bei den Tieren, deinen intellektuellen Artgenossen, deine kleine Freundin und ihr Scheißvieh auch. Und wenn du mir dumm kommst und nicht gehorchst knöpfe ich mir deine kleine Freundin da vor. Wir haben bis jetzt keine Jägerin gebraucht, wir werden auch weiter ohne Jägerin auskommen und ihr nutzloses Vieh, was unsere Fleischvorräte schneller aufbraucht als wir gucken können, ohne etwas zur Gesamtsituation beizutragen. Schreib dir das hinter die Ohren, auch nur der kleinste Fehltritt von dir und ich breche Lucy das Genick! Hast du mich verstanden?“
Jack wimmerte und Ted drückte ihm wieder die Luft ab.
„Ja, ich habe es verstanden!“
Jack heulte regelrecht.
„Dann ist es ja gut und jetzt gute Nacht.“
Er schlug Jack bewusstlos und wischte seine blutigen Hände an Jacks Oberteil ab. Alle sahen ihn mit offenem Mund an und Amber heulte hemmungslos und rannte zu Jack. Ted setzte sich wieder auf die Bank und wandte sich zu Ava.
„Jetzt darfst du wieder kochen und dir Zeit nehmen die du brauchst, du bist eine sehr gute Köchin. Und wenn du magst darfst du oben bei uns schlafen, wir haben noch zwei herrlich bequeme Betten.“
Ava strahlte glücklich. Tapp schüttelte nur den Kopf, mit seinen Krallen hätte er Jack in Fetzen gerissen. Jessica stand nicht auf Jacks Seite und grinste zufrieden. Luma und Emmet wirkten erleichtert das die ständigen Provokationen aufhören würden. Akira war völlig baff.
„Woher kannst du so gut kämpfen?“
„Tja, ich bin in den Straßen aufgewachsen, wo wir um jedes bisschen Essen gekämpft haben. Außerdem hab ich in der Armee gedient und war in einer Spezialeinheit, dafür musst du schon ein bisschen kämpfen können und auf meinen Abenteuern mit der restlichen Bande hab ich dem ein oder anderen ordentlich auf die Glocke gehauen. Noah hat mir Penta beigebracht und über die Jahre bin ich echt gut darin geworden. Das ist eine beliebte Kampfsportart unter den großen Echsen, weil man den langen Schwanz mit in den Kampf miteinbezieht, sozusagen als zusätzlichen Arm. Fünf Extremitäten also Penta, griechisch für fünf. Und jetzt schmeiße ich diesen ekligen Fraß weg, hilfst du mir Ava? Ich wasche heute ab. Meine Hände tun ein bisschen weh, ich muss wohl in was ganz Dummes geschlagen haben.“
Jessica half mit und versprach Ava beim Kochen zu helfen, die kleine Elfe freute sich sehr. Sie luden die beiden ein, bei ihnen oben in den königlichen Gemächern zu schlafen. Beide kamen der Einladung nach und freuten sich sehr.
   Tapp half Amber seinen ohnmächtigen Erzfeind auf die Krankenstation zu tragen, wo Amber seine Wunden versorgte. Jetzt waren sie und Jack Außenseiter, die keiner so richtig mochte.

*

Tag 26. Ted hatte Jack so übel zu Brei geschlagen, dass dieser drei Tage auf der Krankenstation lag. Ihm ging es ganz elend und übergab sich immer wieder, aber außer Amber hatte wirklich keiner Mitleid mit ihm. Ted besuchte ihn öfters und machte ihn zu Schnecke. Dann als er aufstehen konnten drückten sie ihm eine Axt in die Hand und schickten ihn bei dieser Eiseskälte zum Holz fällen, dass sie eigentlich gar nicht richtig brauchten. Er verrichtete die Arbeit ohne zu murren, aber er wirkte unglücklich und hatte Angst vor Ted. Akira fand es unklug, dass jetzt Ted anfing ihn scheiße zu behandeln und zu schikanieren. Er brüllte ihn an, dass er dumm und nutzlos war und zu wenig mache. Er schlief im Stall bei den Tieren und weinte leise im Schlaf. Tagsüber sagte er keinen Ton.
Ava und Jessica hingegen lebten richtig auf und verstanden sich bestens, als sie in der Küche standen und leckere Gerichte zauberten. Sie wagten sich daran, Butter und Joghurt aus frischer Kuhmilch herzustellen, die Luma aus dem Stall mitbrachte. Der Dachboden des Stalls war so reichlich mit Heu bestückt, dass es die Tiere sicher über den Winter bringen würde.
   Akira und Ted wechselten sich ab mit dem Kohle schippen und Emmet buddelte in der Nebenburg. Mittlerweile schneite es wie Teufel und der arme Emmet verbrachte mehr Zeit mit Schneeschippen als mit Graben. Jack hatte den letzten Baum auf der Nebenburg gefällt und zersägte ihn. Emmet arbeitete sich von außen nach innen vor und hatte den Wehrgang und ein paar der Dächer freigelegt. Über dem Generatorhaus blieb kein Schnee liegen. Mit jedem Tag wurde es kälter und sie wagten sich immer weniger raus. Tapp ging schon gar nicht mehr raus und genoss das warme Klima in seinem Gewächshaus, wo er fleißig Unkraut zupfte und die gedeihenden Pflänzchen goss und mit Dünge Marke Eigenbau düngte. Und mit den Küchenabfällen und den Regenwürmern wurde auch etwas aus dem Kompost.
   Abends nach einem tollen Abendessen zogen sie sich zurück. Oben schoben sie die Möbel an die Wände und Ted, der neben Penta die ein oder andere Kampfsportart kannte, übte mit ihnen, also Akira, Jessica und Ava. Danach gingen sie nacheinander duschen und spielten beim prasselnden Kaminfeuer, angefeuert mit dem Holz das Jack den lieben langen Tag gehackt hatte, Kartenspiele. Akira brachte Ava und Ted das Kartenspiel Wizard bei.
   Sie waren gespannt auf den nächsten Tag, denn bisher kamen die Horizon Flieger immer alle neun Tage und morgen wäre es wieder soweit.

*

Tag 27. Es war so weit und tief donnernde Triebwerke lärmten durch den Dschungel. Ein gewaltiger Tigershark, ein 270 Meter langes VTOL Flugzeug verharrte über dem Landeplatz und warf die Anker für die Lastenfahrstühle ab, die dann abwechselnd hoch und runter zischten und von gut zwei Dutzend Gardisten am Boden entladen wurden. Es war wohl klar, dass das hochtragen wieder Tage in Anspruch nehmen würde. Sie versammelten sich bibbernd Im Hof und erwarteten die beiden Neuankömmlinge.
   Ein großer muskulöser junger Mann und eine bildschöne junge Frau mit eindeutig russischem Einschlag erschienen mit Rucksäcken und dicken Taschen. Alfred und Tanja, die ältesten Kinder von Horatio Blazkowicz, dem Gründer des Rüstungskonzerns Omega. Dazu eine junge Frau mit kurzen schwarzen Haaren, Mara, zum wiederholten Male von den Toten wiederauferstanden wie es schien.
Alfred steuerte vor dem Frühstück als erstes die Schmiede an und begutachtete alles sorgfältig. Es schien als würde er sein Quartier in  der Schmiede aufschlagen. Die drei bekamen ein deftiges Frühstück und die volle Tour der Burg und der halb ausgegrabenen Nebenburg.
   Dann gingen sie dick eingepackt runter zum Landeplatz. Auf halber Strecke blieben sie staunend stehen. Zwei Drittel des Platzes waren mit einem riesigen Steinkohleberg bedeckt, ein Viertel mit Metallen in Barrenform und der Rest mit Kisten. Der Tigershark flog auch schon davon und hinterließ sie entmutigt. Es begann wieder das elendige Schleppen, nach einer Weile fing auch noch ein Schneesturm an und sie sahen kaum noch was. Wieder legten sie mit den Leerenfackeln und Magierlichtern eine Nachtschicht an und schufteten mit gelegentlichen kurzen Verschnaufpausen bei ununterbrochenem Schneefall. Zum Mittag hörte es auf zu schneien und sie hatten die Kisten und die Barren geschleppt. Ted schob eine Schubkarre mit einer Schaufel zu dem ziemlich erschöpften Jack.
„Bitte sehr Dummkopf, du schaffst jetzt die ganze Kohle hoch während wir schlafen, ich will dich nicht faulenzen sehen, bis der Berg da unten nicht abgetragen ist. Und streng dich an, sonst kann ich für die Sicherheit des Kätzchens nicht garantieren.“
Jack starrte ihn voller Entsetzen an, machte sich aber wortlos an die Arbeit und schuftete ununterbrochen. Akira war ganz und gar nicht mit Teds Verhalten einverstanden. Aber sie stellte ihn nicht vor den anderen zur Rede. Amber schien leise zu weinen, sie wusste dass er es nicht schaffen würde und es ihrer besten Freundin dann an den Kragen gehen würde.
„Du kannst ihn nicht so quälen! Er ist ein großmäuliges Arschloch und ungehobelt, aber du kannst ihn sich nicht zu Tode schuften lassen! Er hat seit einem Tag nicht geruht oder gegessen.“
„Na verdursten wird er immerhin nicht.“
Sagte Ted abfällig. Wütend sah sie ihn an.
„Du kannst kein guter Herrscher als Tyrann sein, als den du dich gerade aufspielst!“
Er musterte sie abfällig und ging ins Bett. Zwei ganze Tage und Nächte schuftete Jack ohne Pause und Essen. Ted und Akira hatten sich angeschrien und getrennt geschlafen.
   Sie wachte vor Sonnenaufgang auf, irgendwie hatte sie eine Ahnung. Sie nahm sich ein Horn, packte sich in dicke Pelze ein und lief raus um nach Jack zu sehen.
   Sie stolperte regelrecht über ihn, fast eingeschneit und flach atmend. Er war völlig erschöpft. Sie blies in das Horn und weckte die Burg auf, dann befreite sie ihn vom Schnee. Jack war völlig unterkühlt. Alfred und Tapp trugen ihn ins Krankenzimmer.
„Ich hätte ihn da liegen lassen, ist doch seine Schuld!“
Das war genug, sie ohrfeigte Ted vor den Augen der anderen.
„Du bist ein schlechter und überzogen grausamer Herrscher. DU gehst jetzt Kohle schippen.“
„Dann übernimmst du jetzt das Kommando?“
„So ist es.“
„Aye Sir.“
Ted zog sich seinen Thermoanzug an, stopfte eine Wasserflasche und Rationen in seinen Almanach und machte sich auf den Weg raus, ohne zu murren. Alfred schloss sich ihm an.
   Amber umsorgte ihren Freund auf der Krankenstation. Er regte sich kaum und sie wickelten ihn in dicke Pelze.
„Amber, deiner Lucy wird natürlich kein Haar gekrümmt, wir brauchen euch beide als Jäger, gerade jetzt wo das Sammeln von Früchten ausbleibt. Und Jack darf in der Küche mithelfen wenn er wieder aufpasst, aber er muss sich bei Ava entschuldigen und sie bleibt die Küchenchefin!“
Amber nicke eifrig und strahlte. Dann ging Akira in die Küche um sich einen Becher Kaffee abzuholen, schlüpfte in einen Thermoanzug um die Pelze nicht schmutzig zu machen und ging runter zum Kohleschippen, Tapp goss die Pflanzen und kam dann nach. Die anderen bis auf Ava und Jessica, die Frühstück vorbereiteten, halfen beim Abtragen des Kohlehaufens. Auch Lucy und Amber beteiligten sich und siehe da, zu zehnt ging es wesentlich schneller und sie schufteten sich nicht zu Tode.
Nach drei Tagen wachte Jack wieder auf und Ted entschuldigte sich bei ihm und begnadigte ihn. Beinahe schüchtern ging Jack runter in die Küche und entschuldigte sich bei Ava, die ihn etwas ängstlich ansah. Sie teilte ihn zum Mehl mahlen, Abwaschen und Kartoffeln schälen ein. Er wirkte dankbar, befand Akira, die dabei unbemerkt zugesehen hatte.

Am 35. Tag war der Berg endlich abgetragen, sie hatten acht Tage geschuftet und die Kohlevorhaben waren randvoll und sie hatten zwei leere Kellerräume mit Kohlesäcken vollgefüllt.
Jetzt warf Alfred die Schmiede an und das Hämmern von Stahl auf Metall erfüllte die Burg, an diese neue Geräuschkulisse mussten sie sich erst einmal gewöhnen.
   Morgen war laut Kalender die nächste Lieferung fällig, hoffentlich nicht wieder Berge von Krempel.    

*

Tag 36. Akira hatte am Morgen die Wache und sie stand auf dem südlichen Torhaus und spähte nach draußen. Je näher sie sich dem Vorasfest näherten, desto kälter wurde es. Amber wollte zwar unbedingt jagen, aber aufgrund des Schneesturms gestern, hatte sich das verzögert. Im Torhaus gab es eine wunderbare Heizung und sie hatte die dicken schweren Pelze für einen Moment abgelegt und spähte durch das Periskop im Dach nach draußen. Auf dem Dach war auch eine Glocke montiert die man geschützt von hier unten läuten konnte.
   Sie beobachtete den Platz im Süden als sich plötzlich eine Art Portal öffnete und Gestalten fast schon daraus hervorquollen, sie schienen bewaffnet zu sein. Hektisch läutete sie die Glocke um die anderen aufzuwecken und gefechtsbereit zu bekommen. Ihr Funkgerät knackte und sie ging ran während sie weiter aus dem Periskop sah, es wurden immer mehr und mehr Leute die auf dem Landeplatz geschäftig auf und ab gingen.
„Oh, man. Das werden ja immer mehr, ich zähle zwanzig. Over.“
„Schick alle, die kämpfen können, in die Waffenkammer, um Gefechtsbereit zu sein, du bleibst oben und bemannst den Mörser oder schießt mit deinem Gewehr. Over.“
Kurze Zeit später hatten sich die anderen waffenstarrend eingefunden und bemannten die Zinnen.
Die Menge am Platz wuchs immer weiter, aber die ständigen Bewegungen machten es schwer sie zu zählen. Sie schätzte sie waren wenigsten drei zu eins in der Unterzahl. Die Leute gingen immer wieder rein und raus aus dem Portal, dabei gingen sie schnell vor, aber ohne Zeichen von jeglicher Hektik. Man konnte von den Gesichtern kaum etwas erkennen, da alle dick eingepackt waren. Allerdings schienen sich zwei Kaimane und ein paar Echsen in der Gruppe zu befinden.

Ghost Team Six

Trotz des Namens startet es als ein harmloses Teenie-Drama und mausert sich erst nach und nach zu einem Spionage-Thriller mit großen Vorbildern wie Tom Clancy (Jack Ryan) und Robert Ludlum (Jason Bourne).

Anfangs war es eher als eine Abwandlung der zweiten Fassung von „Das Osiris Genom“ gedacht, hat sich dann aber schnell verselbstständigt. Ich hab auch irgendwie Lust beides in Buchform zu veröffentlichen, auch wenn beide Bücher sehr ähnliche Figuren und eine vergleichbare Story haben, sich aber völlig anders entwickeln.

Ghost Team Six, ist eine Einheit von hochspezialisierten Agenten der Geister (Ghosts), von denen einige es kämpferisch spielend mit den Navy Seals aufnehmen könnten. Zur Tarnung haben sie Scheinidentitäten und führen ein scheinbar harmloses Leben. Aber in Wahrheit infiltrieren sie Terrornetzwerke und zerstören sie von innen. Leicht zu verwechseln mit den „Schwarzen Geistern“ aus einem anderen meiner Bücher.

Mit Ghost Team Six hat Akira zudem erstmals eine Hauptrolle bekommen, nachdem sie in Osiris Genom (2. Fassung) nur eine winzige unbedeutende Nebenrolle hatte. jetzt hat sie eine große Hauptrolle in der 4. Fassung des Osiris Genoms. Ich mag ihre Figur sehr, sie hat etwas erfrischend wildes, aber auch verwegenes an sich. Und in meiner Vorstellung ist sie ziemlich hübsch ^^

Die Story endet vorerst nach 48 Seiten recht abrupt. Sollte sie aber bei euch gut ankommen (schreibt es einfach unten in die Kommentare), krame ich nochmal nach meinen Notizen und schreibe daran weiter – es wäre nämlich sehr schade fast 50 Seiten einfach so wegzuwerfen.

Es gibt einen Fehler recht weit vorne, wo Akiras Tante Sammy ihr von der „Fabrik“ erzählt (die auch Dreh- und Angelpunkt in der Kurzgeschichte „Waldgeflüster“ ist – LINK). In Wirklichkeit spielt die Story aber in einem großen Haus in Potsdam, das lose auf dem Haus beruht, in dem ich aufgewachsen bin. Ich habe leider kein älteres Skript mehr gefunden, wo die Stelle noch richtig war. Das müsst ihr einfach ein bisschen ignorieren.

An dieser Stelle empfehle ich allerdings wirklich die PDF, weil man in der Web-Form wirklich lange mit scrollen beschäftigt ist und schnell den Überblick verliert. Für alle anderen gehts jetzt los.

Ghost Team Six

1.     Akira – Reset

Sie war schon wach, bevor der Wecker schrillte. Wen wunderte das, sie war sehr früh zu Bett gegangen. Heute hatte sie Geburtstag und sie freute sich kein Stück. Alles was Spaß machte war verboten. Sie hatte eigentlich nur ihre beste Freundin Amber eingeladen, denn sie war nicht sehr populär auf der Schule, weil sie alle für eine Streberin hielten. Sie hasste den Stress. Ihre Eltern drängten und belagerten sie, denn aus ihr sollte ein 1.0 Abitur werden. Um dann an einer Prestige Uni zu studieren, einem jungen Geschäftspartner als Gattin vermittelt werden und ein langweiliges Leben als Anhängsel und Gebärmaschine leben. Sie beneidete ihre Cousinen, Tante Samantha war nicht so engstirnig. Jessica war voll auf Metal und Laura spielte mit ihrer tollen Stimme epische Soundtracks ein. Die würden kein langweiliges Leben führen. Beim letzten Mal klettern hatte sie sich ein paar Schürfwunden bei einem kleinen Sturz zugezogen und das war jetzt auch verboten. Zocken offiziell auch und ihre Elektronik-Bastelsachen hatte sie rechtzeitig verstecken können. Und sie durfte nur klassische Musik hören, was ein blöder Scheiß. Gestern hatte sie einen guten Teil ihres Ersparten zu einem Frisörsalon getragen um sich an der ganzen engstirnigen Scheiß, den man ihr aufdrängte zu rächen. Sie hatte danach ihre Haare unter eine Mütze gestopft, war unbemerkt an der Fassade hochgeklettert und im zweiten Stock durch ihr Fenster gestiegen und hatte sich dann eingeschlossen. Als nach dem Essen gerufen wurde, hatte sie Kopfschmerzen vorgetäuscht und sich schlafen gelegt.
Jetzt hatte sie ihre Sachen schon bereitgelegt. Sie ignorierte das brave Kleid und die flachen unauffälligen Schuhe die man ihr gestern hingelegt hatte. Heute ist mein Tag und nicht euer. Ich will kein zahmes naives Mädchen mehr sein. Ich bin jetzt schon volljährig, wenn das Abi durch ist sehr ihr mich nie wieder! Geld besorge ich mir schon irgendwie selbst und vielleicht kann ich fürs Erste ja bei Onkel Kaz einziehen. Sie war am überlegen, dass Abitur so richtig zu verbocken, aber damit würde sie sich vielleicht ihre Zukunft total verbauen, lieber nicht. Dann dachte sie an Onkel Kaz mit seinem Katastrophen Abi, dem schien es auch ganz gut zu gehen. Aber sie war leider noch nie bei ihm. Das war verboten.
   Sie nahm sich ihre Sachen, lunste aus dem Zimmer und schoss dann ins Bad und schloss ab.
Im Spiegel lächelte ihr ein hübsches Mädchen mit grünen Augen Sommersprossen und bunt gefärbten Haaren entgegen. Chaotisch und verspielt in allen Farben des Regenbogens. Für ihre Spießer Eltern der absolute Albtraum. Sie hatte ihre Eltern dabei belauscht, wie es darum ging Gäste einzuladen. Ihr Geburtstag wurde natürlich zum Anlass genommen um alle einflussreiche Bekannten und Kunden mit Söhnen in ihrem Alter einzuladen. Es ging also mal wieder nicht um sie sondern darum sie zu verheiraten. Na dann zeig ich doch mal was ich drauf hab.
   Sie sprang in die Dusche, dann föhnte sie ihre Haare und brachte sie in Form und mit Haarspray fürs Volumen. Dann schlüpfte sie ihn das bunte kurze Kleid mit einem sehr tiefen Ausschnitt. Sie legte ein betont nuttiges Makeup mit Falschen Wimpern und alles auf. Und dann noch die schwarzen High Heels mit extra hohen Absätzen, sie würde danach tagelang nur noch Barfuß laufen.
   Oh Mann, ihre Eltern würden in Ohnmacht fallen und das war der Plan. Sie linste wieder und lief unauffällig in ihr Zimmer, jetzt hieße es warten. Sie nahm ihren Lenovo Laptop und stellte ihn auf den Tisch. Ihre Eltern waren ziemlich Planlos wenn es um Technik ging, zum Glück. Per Dual Boot startete sie HALOS, das hatte ihr Kaz empfohlen und es lief wie eine eins. Jetzt noch Kopfhörer rein, Maus einstöpseln und ein Spiel starten. Sie spielte das originale Doom. Wenn ihre Eltern nur ahnten dass sie am liebsten böse Killerspiele spielte. Sie liebte es Spiele auf der höchsten Schwierigkeitsstufe zu meistern, das gab ihr einen richtigen Kick. Mit Betonung auf „gab“. Ihr Rechner war ja beschlagnahmt.
   Um elf drückte jemand die Klinke und klopfte dann energisch.
„Akira Schatz, Geburtstagskind hin oder her, du kennst die Regel, keine verschlossenen Türen. Komm doch bitte runter es gibt Frühstück mit all deinen Lieblingsleckereien.“
Sie wartete bis ihre Mutter Helena wieder weg war, dann schlüpfte sie wieder in ihre High Heels und atmete tief ein. Jetzt wurde es bunt. Sie stöckelte lautstark den Gang mit dem gefliesten Boden, vorbei an den alten Ölschinken und Ziertischchen mit irgendwelchem Schrott. Sie war froh dass sie wochenlang geübt hatte, mit den High Heels zu laufen. Über dem Bogen, der in das Treppenhaus mündete, hing ein Cisco Access Point, der nicht die Bohne ins historische Ambiente passte. Sie legte die linke Hand auf die Steinerne Balustrade und stieg langsam die Treppen herunter. Autsch, für sowas brauchte man echt augmentierte Beine wie Tante Samantha. Sie hätte kürzere Absätze nehmen sollen, aber dann wäre der Effekt nicht so groß gewesen. Personal lief geschäftig an ihr vorbei und beachtete sie zum Glück nicht.
   Sie ging durch die hohe Eingangshalle und in den großen Saal, wo sie für gewöhnlich speisten. Der war direkt neben der Restaurantküche und der Bäckerei. Alle waren versammelt. Ihre Eltern, Samantha und ihr Mann Martin und Jessica und Laura. Emma mit ihren Zwillingssöhnen Jack und Ryan, die dieses Jahr achtzehn werden würden. Dann noch ihre Großeltern Herbert und Lilly, Großonkel Frank, der nicht geheiratet hatte und ihr Uropa Ben Solomon. Überraschenderweise saß auch Mara Bluhm am Tisch, Samanthas augmentierte Assistentin mit den kurzen schwarzen Haaren.
Alle waren schon schick herausgeputzt. Ben und Frank, die Soldaten gewesen waren, trugen ihre Uniformen mitsamt Orden um Herbert zu provozieren, der das Militär verabscheute.
Jedenfalls ging ein großer Aufschrei durch die Anwesenden, als sie sie bemerkten.
   Ihr Vater lief rot an und Helena wirkte tief beschämt. Samantha biss sich auf die schwarz angemalten Lippen um nicht zu lachen. Die meisten waren völlig erschüttert. Akira ging zum Kopfende und setzte sich auf ihren Platz. Vor ihr lagen zwei frische Apfeltaschen aus der Küche und ein dampfender Becher Kakao.
   Alle sahen sie an und sie fühlte sich unbehaglich. Ben taute als erster auf und schlug ein Geburtstagsständchen an. Das lockerte die Stimmung ungemein. Sie aßen schweigend und Akira hoffte ihre Schminke nicht zu verwischen. Um zwölf wurde abgeräumt und sie standen auf. Johnny mit hochrotem Kopf zog sie zur Seite und zischte ihr wütend ins Ohr.
„Die Gäste kommen in ein paar Stunden, wie kannst du es wagen mich so zu demütigen. Wie sieht denn das aus, wenn sie dich so sehen? Du bist meine Tochter verdammt nochmal, denk doch mal welchen Eindruck das auf mich macht!“
Wie immer ging es nur um ihn und sie verdrehte nur die Augen.
„Werd nicht frech Fräulein, dein unverschämtes Auftreten wird Konsequenzen haben! Wir sprechen uns noch, wenn die Gäste weg sind. Einfach unerhört.“
Er zischte schäumend davon und sie atmete aus. Das würde ein anstrengender Tag werden.
Samantha kam auf sie zu, ihr schwarzes Kleid war nicht so provozierend wie ihrs, aber viel Haut verdeckte es auch nicht.
„Ich bin stolz auf meine große Nichte, du bist mutig geworden. Als eine Solomon und gerade Frau in dieser Familie braucht man das auch. Aber du kannst dich auf Frank und Ben immer verlassen, die decken dich, die sind loyal bis ins Blut. Johnny und Herbert sind einfach nur Arschlöcher. Gute Wahl des Kleides und der Haarfärbung, das steht dir gut. Wärst du meine Tochter wäre ich sehr stolz auf dich. Und jetzt lass uns mal raus gehen, die Vorbereitungen sind in vollem Gange und ich würde selbst mit anpacken wenn ich nicht so unpassend gekleidet wäre. Zieh die Schuhe ruhig aus, solange die Gäste noch nicht da sind. Ich hab gehört die Party steigt ab zwei. Komm lass uns alles ansehen, ich glaube hinten im Hof ist schon alles bereit.“
Dankbar schlüpfte sie aus den High Heels und rieb sich die jetzt schon schmerzenden Füße. Barfuß folgte sie Tante Sammy, die mit einem provozierenden Hüftschwung vorweg stöckelte. Sie beneidete sie darum, diese Willenskraft zu haben, in einer führenden Position in einem Megakonzern zu sein, so ein krasses Outfit zu halten und dann noch eine liebevolle fürsorgliche Mutter zu sein. Das war schon ziemlich krass. Sie wusste im Gegensatz dazu noch gar nicht so richtig, was sie nach der Schule machen würde. Auf jeden Fall Geld verdienen und dann ganz viele Abenteuer erleben. Das beste Geschenk der Welt war vor vier Jahren das Dietrichset von Onkel Kaz, sie liebte es Schlösser zu knacken und an Wänden herum zu kraxeln. Und mit Elektronik zu basteln. Ach sie freute sich schon darauf in dem geheimen Schuppen an ihren Dronen zu basteln. Aber heute war leider ihr Geburtstag.
Sie gingen durch die Eingangshalle durch das Portal in den Hof hinaus. Um den sprudelnden Springbrunnen herum waren große Zelte aufgebaut. Es gab eine richtige Bar, wo schon die Gläser mit dem Orangensaft bereitet und der Sekt kaltgestellt wurde. Stehtische wurden aufgebaut. Eine Jazzband probte. Und auf einem riesigen Tisch warteten schon ein paar Geschenke auf sie. Die wurden erst nach der Feier ausgepackt oder morgen. Ein paar Geschenke waren schon da. Sie sah eine mittelgroße Kiste mit einer großen weißen Schleife.
„Das große ist von deinen Eltern, aber ich und Kaz haben indirekt mitgeholfen. Du wirst es schon sehen. Das grüne Kuvert ist von Ben und Frank. Das bunte Päckchen ist von uns. Und das schwarzweiße ist von deinen Großeltern. Und ich glaube Kaz bringt dir auch noch eine Kleinigkeit mit. Ich hoffe die sind dieses Mal pünktlich, aber die haben auch einen langen Weg, deshalb bleiben beide über Nacht. Wobei sie flexibel sind. Wolf ist im Ruhestand und Kaz ist selbstständig. Vielleicht sollten wir es nur mit dem Familienfrieden nicht zu sehr strapazieren. Aber Mara freut sich schon total, dass ihr Papa sie besuchen kommt, normalerweise darf sie hier auf dem Schloss keinen Besuch empfangen. Wie gut dass der Schließtag des Museums genau auf deinen Geburtstag fällt, sonst könnten wir nicht so groß feiern. Wir könnten die Gelegenheit nutzen und uns die Sammlung angucken. Der Neuzeit Raum ist vor ein paar Wochen fertig geworden. Hast du Lust Liebes?“
Sie stöhnte innerlich. Das Familien-Museum kannte sie in und auswendig.
„Nur den neuen Raum bitte, den Rest kenne ich auswendig.“
Samantha lachte auf.
„Ja das Gefühl kenne ich nur zu gut. Anfangs ist es cool, aber nach einer Weile ist es nur noch frustrierende Langeweile. Komm, ansonsten sag ich nicht, wo Lien dein Lieblingseis versteckt hat.“
„Oh nein, hat sie? Wie hundsgemein.“
Lien war die chinesische Chefköchin in dem Schloss Restaurant, das auch für die ihre Familie kochte.
Das Schloss mit dem großen Landschaftspark war eben ein Tourismus Magnet und das Restaurant war exzellent und für Touristen gut bezahlbar und in einem traumhaften Ambiente. Und naja, Lien mochte keine Süßigkeiten. 
   Vom ganzen Personal kannte sie ein paar ganz gut. Die schwarze Pilotin Suzi mit den feuerrot gefärbten Haaren. Der dicke schwarze Gärtner Benj und der arabische Koch und Bäcker Tarek. Und Tante Sammy hatte noch einen Sekretär und Fahrer namens Merlin. Der Rest war irgendwie immer Namenlos geblieben, wie anonyme emsige Ameisen. Das fand sie schade.
   Um die Familie nicht zu stören war auf der Museumseingang auf der nach außen gewandten Seite des Nordflügels. Auf einem kleinen Vorplatz stand eine Marmorfigur mit Herzog Friedrich Solomon, der dieses Schloss, das in Familienbesitz lag, hatte erbauen lassen.
   Sammy öffnete das elektronische Schloss der Museumstür mit einer Schlüsselkarte und deaktivierte im Inneren den Alarm. Hier im großen Treppenhaus mit dem Lichthof war der Tresen für den Ticketverkauf mit Regalen voller Audio Guides. Einen Raum weiter war der Museumsshop. Das Museum war ein kulturhistorisches Museum, das viele Aspekte beleuchtete, besonders die Familie Solomon und deren Errungenschaften über den Verlauf der Jahrhunderte. Mit tonnenweise Aufstellungsstücken und Karten und toller medialer Aufbereitung. Dazu gab es eine Gemäldegalerie, eine wechselnde Sonderausstellung und kurioserweise ein Aquarium in den Keller mit Fischen und einer Reptilienabteilung. Der große Kaiserwaran Karl war die Hauptattraktion und Maras Liebling, Akira gruselte sich vor dieser riesigen schwarzen Echse. Er war abnormal schlau und Ben ging an Schließtagen manchmal mit ihm im Park spazieren. Sie gingen hoch in den ersten Stock und dann nach rechts in den nagelneuen Neuzeit Raum, der sogar noch entsetzlich neu roch.
Interessiert sah sich Akira um und las sich alles durch. Werner Solomons Geschichte war sehr traurig, Jüngster von vier Söhnen. Die großen drei gingen zur Luftwaffe und Werner wollte auch, wurde aber wegen einer Sehschwäche zu den Funkern gesteckt und diente als Offizier in Nordafrika. Als Nazi Deutschland auf der verlierenden Seite stand musste er sich mit seinen Männern zurückziehen und sind nach einer halsbrecherischen Odyssee mit wesentlich weniger Männern mehr tot als lebendig in Deutschland angekommen. Sie kämpften einen Aussichtslosen Kampf.
   Werners Brüder fielen im Krieg und seine Eltern kamen bei Bombenangriffen der Alliierten ums Leben. Das Schloss wurde bei Bombenangriffen schwer beschädigt und der West und Nordflügel brannten komplett ab. Es fiel in die Hände der DDR, die es einfach verfallen lies.
Werner war Vollwaise und Alleinerbe und fing an Maschinenbau in Westberlin an der TU Berlin zu studieren. Er lernte seine Frau Marie während des Studiums kennen. Mit ihr bekam er einen Sohn namens Ben. Werner und Marie starben beide relativ früh an Krebs und Ben ging zur Bundeswehr, wo er lange als Offizier diente. Er lernte eine junge Musikerin namens Sarah kennen und die beiden wurden ein Paar und heirateten ein paar Jahre später. Die beiden hatten zwei Söhne. Nach der Wende gründete Ben die Solomon Schlösser Stiftung mit seinem geerbten Familienvermögen und suchte Unterstützer um das Schloss wiederaufzubauen. Es wanderte wieder in den Besitz der Familie und sollte als historisches Wahrzeichen der Stadt wieder erstrahlen. Der Nordflügel sollte als Museum verwendet werden. Der ältere Sohn Frank ging zur Bundeswehr und trat dem relativ jungen KSK bei, dem Kommando Spezialkräfte. Der jüngere Sohn Herbert wurde Architekt. Sarah verstarb mit sechzig an Krebs und Ben widmete sich nach seinem Austritt aus der Bundeswehr der Aufarbeitung der Familiengeschichte.
   Über Frank war nicht viel bekannt, er war Offizier beim KSK, bis er im Einsatz schwer verletzt wurde und den Dienst quittieren musste. Danach fing er das Schreiben an und ist mit seinen Polit-Thrillern ziemlich erfolgreich. Er hat keine Kinder.
   Herbert gründete Solomon Industries als junger Mann und nach über dreißig Jahren war es einer der größten Baukonzerne der Welt. Er hat mit seiner japanischen Frau Lilly vier Kinder, von denen zwei äußerst erfolgreich sind. Emma ist Architektin beim Konzern ihres Vaters und Onkel Kaz wurde erst gar nicht erwähnt. Und der Rest war Bla Bla, Horizon wurde gegründet und ist heute einer der größten Megakonzerne der Welt. Da war eine animierte Grafik zu sehen. Heilige Scheiße, Horizon hatte sechzehn verschiedene Bereichsgruppen, ihr wurde ganz flau im Magen.
„Können wir jetzt gehen Sammy?“
„Ok liebes, ich sehe schon wie dich das nervt. Lien hat das Eis gar nicht versteckt, das war nur ein Vorwand um mir mit dir die Sammlung ansehen zu können, außerdem sind wir hier unter uns. Weißt du, die einzige Person die dein Leben steuert bis du! Das kann dir niemand wegnehmen. Und wenn Johnny das versucht, dann melde dich bitte bei mir! Meinen Kindern lasse ich die Freiheit die sie brauchen, Noten sind nicht alles. Jessica ist neben der Schule Frontfrau für eine fetzige Metalband und Laura ist eine sehr talentierte Songwriterin und verdient sich ein solides Taschengeld mit ihren Liedern auf Spotify. Ich bin stolz auf meine Mädchen, keine wird gezwungen ein langweiliges reiches Arschloch zu heiraten. Und wenn bei dir alles schief geht bin ich mir sicher, dass dein Onkel Sebastian, also Kaz, dich für eine Weile aufnimmt, bis sich die Wogen geglättet haben, aber lass uns mal nicht hoffen,  dass es dazu kommt.“
„Kriege ich dann jetzt erst ein Eis?“
„Erst wenn die Gäste weg sind Liebes.“
„Schade, ok dann lass uns zu den anderen gehen, die ersten Gäste müssten bald kommen.“
„Gute Idee, sei standhaft, keiner der eingeladenen Jungs muss dein zukünftiger Mann sein. Sie es ganz locker, Herbert hat auch ständig versucht mich zu verheiraten. Und erst Emma, oh man. Ich finde es stark dass sie trotz der Jungs Single geblieben ist. Aber auf dem Job ist sie nicht sehr glücklich, trotzdem will sie nicht aufgeben. Sie besucht mich oft und wir leeren die ein oder andere Weinflasche und diskutieren über schlimme Väter und Männer. Aber Martin ist ganz lieb, ohne ihn würde ich alles nie schaffen. Und zum Glück sind die Mädchen am BIT auf dem Internat, sie machen nächstes Jahr ihren Abschluss, wenn alles gut geht. Es ist so typisch Johnny, dass er dich auf ein elitäres Mädchen Internat in der Schweiz geschickt hat. Wann musst du wieder hin?“
„Wegen der Geburtstagsgeschichte hat Johnny einen Deal ausgehandelt. Heute ist Montag also muss ich erst Mittwoch wieder zurück. Und dann bleibe ich da leider bis zum Abiball. Und dann muss ich diese reichen verwöhnten Schlampen nie wieder sehen. Dann bin ich frei.“
„Weißt du schon was du dann machst?“
„Nicht die Bohne, nur schnellstmöglich von zuhause ausziehen und mit meiner besten Freundin Amber in eine schrottige WG ziehen.“
„Schrottige WG? Das klingt sehr nach Kaz, ich frag ihn mal ob er noch ein Zimmer frei hat.“
„Das wäre traumhaft, aber auch creepy, immerhin sind er und seine Freunde so viel älter als wir.“
„Ach sieh es einfach als verrückte Patchwork-Familie. Und die sind alle sehr nett. Ich war schon mal ein paar Mal da.“
„Und wie ist es? Ich will da unbedingt mal hin!“
„Das ist total irre was die sich da aufgebaut haben, es ist eine stillgelegte Fabrik mitten in einem Wald. Drumherum ist in jede Richtung kilometerweit Wald und das gehört alles denen, ich glaube Horatio, Kaz bester Freund hat das so ausgehandelt als man ihn fast schon angefleht hat eine Omega Fabrik in Deutschland zu bauen. Jedenfalls ist da alles top ausgebaut und im Wald kannst du überall coole Sachen entdecken. Kaz baut Tiny Houses im Wald und vermietet sie an Wanderer und Urlauber. Wolf ist wie ein verrückter Erfinder und Tamara ist die gute Seele. Es sei dir unbedingt mal zu empfehlen, deinen Onkel zu besuchen, das ist ein echtes Abenteuer.“
Die Erzählung löste ein Gefühl der Anspannung in ihr aus. Warum konnte sie nicht Kaz Tochter sein?
„Warum hat Kaz nie geheiratet und ist Kinderlos.“
„Darüber redet er nicht gerne. Er hat Pech mit den Frauen und ist unfruchtbar. Und er findet Kinder nicht so richtig prickelnd, was man ihm nicht ansieht, weil er ganz lieb und verspielt mit ihnen ist. Ok lass uns zurückgehen, wenn Kaz kommt, kann er dir ja selbst alles berichten.“
„Au ja, ich will unbedingt mal zu ihm wenn der ganze Stress vorbei ist!“
„Kannst du, liegt zwar wirklich am Arsch der Welt, aber durch Horatio haben die mehr Autos als ich zählen kann.“
„Warum denn so viele Autos?“
„Horatio Eine ist Auto Mechaniker und der bastelt gerne herum, naja Kaz hat den Defender von Ben geerbt, Wolf hat seinen eigenen Defender und Tamara hat einen VW Golf oder sowas.“
„Wie ist Tamara?“
„Sehr lieb und nett, und Wolf und Kaz sagen einstimmig, dass sie im Bett verdammt laut ist.“
„Oje, ich hoffe das kommt nicht so häufig vor.“
„Ich glaube Tamara und Xen machen das ständig.“
„Warum heißt der Typ Xen?“
„Er hat einen schrecklich altmodischen Namen bekommen und Kaz hat eine Geschichte geschrieben, wo es eine Figur namens Xen gibt, und das hat einfach so gut gepasst, dass ihn alle nur noch Xen nennen.“
„Moment Mal, In der weltberühmten Bücherreihe „Die Legende der schwarzen Geister“ gibt es einen Xen. Das ist doch Zufall oder?“
„Ist es, Kaz hat immer schon gerne Fanfiktion geschrieben. Aber ich glaube am liebsten will er auch Schriftsteller wie Onkel Frank werden. Nur hat er noch keinen Verlag gefunden.“
„Schreibt Kaz ernsthaft Bücher?“
„Naja es sind in erster Linie Kurzgeschichten und er meint immer scherzhaft er hätte Festplattenweise Stories bei sich rumfliegen. Aber er ist ernsthaft gut. Aber er will nicht zu HRZN Print und er traut sich nicht, die Geschichten jemandem anders als mir zu zeigen. Das ist sehr schade. Insgeheim habe ich die Vermutung, dass er unter einem Alias schreibt und veröffentlich.“
Sie gingen zurück auf den Vorplatz wo auch der Rest schon auf die Gäste wartete. Johnny war immer noch sauer, spielte es aber herunter als vor dem Parkeingang ein schwarzer Land Rover Defender in einer Staubwolke hielt. Das waren Wolf und Kaz. Onkel Kaz war besser gekleidet als ihr Vater. Anthrazitfarbener Anzug, Weste, dunkles Hemd und rote Krawatte. Mit dem Bart und den halblangen Haaren sah er haargenau aus wie John Wick aus dem gleichnamigen uralten Schinken. Ihr Lieblingsfilm. Ihr gefiel der Gedanke, dass man jemand so spezielles wahr, dass das Publikum diesen „Oh Shit!“ Moment hat, wenn dir einer ans Bein zu pissen versucht. Sie war ein Riesenfan von Actionfilmen. Johnny und Helena hatten davon keine Ahnung. Die hatten aber auch von dem Internet und Technik nicht allzu viel Ahnung. War immer richtig peinlich, wenn Helena in ein Elektronikgeschäft ging. Der konnte man jeden Rotz andrehen. Und den kaufte sie auch mit Johnnys Kreditkarte. Und Sie durfte ja nicht beratend zur Seite stehen, weil das gegen ihre Rolle als naives Mädchen ging. Zum Glück besorgte ihr Sammy alles was sie an Elektronik für die Dronen brauchte.
Wolf und Kaz kamen heran. Jetzt gab es eine Runde Umarmungen, nur Kaz und Johnny schüttelten sich noch nicht mal die Hände und Emmas Begrüßung war eher frostig.
   Wolf hatte ein in braunes Packpapier eingepacktes Geschenk und sie wusste schon dass es Plätzchen und Tee waren. Kaz Geschenk war in Nox Geschenkpapier eingewickelt und sie ahnte etwas als er ihr unauffällig zuzwinkerte. Sie gingen in den Hof und die Geschenke wurden neben die anderen gestellt.
   Nach und nach kamen die Gäste. Größtenteils Väter mit ihren Söhnen. Sie wurde denen vorgestellt und nicht einziger dieser elitären Säcke war ihr auch nur Ansatzweise sympathisch. Dann kam James Newton, enger Freund ihres Vaters mit seiner Tochter Amber und seinem Sohn Charles.
   Der Brite hatte seine Hände in Logistik und Rüstungsgeschäften und wohnte auf einem großen Anwesen in Brandenburg. Ihre beste Freundin hatte wenig Gutes über ihren Papa oder Bruder zu sagen. Charles verhielt sich ihr gegenüber auch so, als hätte er einen Gott-Komplex.
   Akira umarmte Amber fest. Der einzige Gast neben ihrem Onkel auf den sie sich echt gefreut hatte.
Sie war ähnlich aufgetakelt wie sie nur waren ihre Haare grell rot mit leuchtend orangenen Spitzen, es sah toll aus, dazu ein farblich passendes Kleid, das sie am Samstag in der Stadt ausgesucht hatten.
Ambers Vater wollte sich auch nur schnell verheiraten. Amber hatte sogar lange blutrote Krallen-Fingernägel und ihre roten High Heels waren so hoch wie ihre.
   Jetzt zusammen gegen den Rest der Welt konnte nichts mehr schiefgehen. Dann kam eine ganze Familie und bei dem Großvater mussten sie sich ein Lachen verkneifen. Der sah aus wie ein Zauberer aus einem Märchen. Lange Robe, Stab mit Kristall an der Spitze und eine zylindrische Kopfbedeckung. Der Vater trug einen lilafarbenen Anzug und die Mutter hatte ein tolles glitzerndes Kleid mit einer kunstvoll aufgetürmten schwarzen Mähne. Der Sohn wirkte deplatziert mit seinem weißen Polohemd und der einfachen Leinenhose. Sie stellten sich vor. Der Zauberer war Abubakr, Präsident des BIT. Der Vater war Adam und Leiter des BIT und die Mutter hieß kurioserweise Eva. Sohnemann hieß Sahid und hatte deutlich arabische Züge wie sein Vater und Großvater. Er hielt ihr ein Buchförmiges Paket hin und es war gut schwer, das musste ein Fetter Wälzer sein. Hausfrauen Einmaleins bestimmt, sie zog eine Grimasse und stellte das Geschenk zu dem immer größer werdenden Stapel.
Der Tag verlief sehr unangenehm und immer wieder wurde sie von ihrem Vater irgendwelchen Leuten vorgestellt, die sie nicht kennen wollte und bestimmt ganz wichtig waren. Der Umgang mit den jungen Männern die ungeschickte Anwerbungsversuche unternahmen war zum Kotzen aber sie musste ihrem Vater zuliebe gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Immer wieder flüchtete sie mit Amber in eine ruhige Ecke, was mit den High Heels gar nicht so einfach war und nach ein paar Stunden liefen sie Barfuß. Johnny zeigte den hohen Gästen das Museum und sie mussten mit. Schon wieder, so ein verdammter Mist. Es war langweilig und sie schauspielerte Interesse.
   Akira bemerkte immer wieder wie Amber zu Jack und Ryan hinüber sah. Die waren doch jünger als sie und was wollte Amber mit einem angehenden Soldaten. Dann zog Amber sie ins düstere Kellergeschoss zu den Terrarien. Oh nein, Ben hatte Earl freigelassen und ging mit ihm spazieren.
Die große Echse musterte sie neugierig, während ihr Herz heftig pochte. Sie hatte Angst vor Waranen. Und dann war er weg.
„Hey Akira, da bist du ja, ich hab dich schon überall gesucht.“
Oh nein Charles war im Anmarsch. Sahid sah der Echse hinterher und kurzerhand fing sie vor Charles Augen an, Sahid hingebungsvoll zu knutschen. Charles rauschte kochend wieder ab und sie löste sich von dem völlig überrumpelten Araber.
„Sorry Man, aber auf das Ekel hatte ich keine Lust, wie kann ich mich erkenntlich zeigen?“
„Ähm … du könntest dir nachher das Geschenk angucken.“
Er zwinkerte ihr zu und verschwand. Amber stupste ihr in die Seite.
„Was war das denn. Nicht dass es noch Ärger deswegen gibt.“
„Glaube ich nicht, der fühlt sich doch ebenso beschissen wie ich, das spüre ich.“
„Ok, ich geh mal Jack suchen, ich hab ein Geschenk für ihn.“
„Uhm, soll ich mitkommen?“
„Ich würde am liebsten alleine gehen, sorry Akira.“
Etwas verstimmt zuckte sie mit den Schultern und sah ihrer Freundin nach. Was sollte sie jetzt nur machen. Dann hörte sie eine vertraute Stimme.
„Ich dachte du magst keine Warane.“
Onkel Kaz kam grinsend auf sie zu und packte sie an den Schultern.
„Du siehst richtig toll aus Nichte. Damit ruinierst du ganz bestimmt Johnnys großen Plan. Ich hab mich mal umgehört und die feinen Pinkel sind empört von deinem Auftreten. Das ist doch Grund zum Feiern, lass uns rausgehen ich spendiere dir was.“
Dankbar ging sie raus. Kaz war riesig und durchtrainiert. Johnny war kleiner und schmaler. Bei Kaz fühlte sie sich immer sicher und geborgen. Es war ihr schon öfters passiert, dass sie ihn versehentlich Papa genannt hatte, dass hatte Johnny natürlich immer tief erzürnt.
   Im Hof waren sie ungestört und Kaz bestellte zwei Cocktails, für sie einen alkoholfreien.
„Weißt du, ich fände es viel cooler, wenn du mein Papa wärst.“
„Ist es echt so schlimm bei dir zuhause. Was ist denn mit Helena?“
„Die ist so wie Johnny mich haben will. Naiv und zahm. Das ist so schlimm, weißt du. Wie kann man so sein wollen und wie kann man sowas in einer Beziehung wollen?“
„Es gibt leider vieles fürchte ich. Aber ich hätte mehr von Helena erwartet.“
„Ne, sie ist zahm und brav und dafür gibt es Zuneigung und teure Geschenke, aber ich will sowas einfach nicht. Ich will wild sein und reisen und Abenteuer erleben. Mit meinen Händen arbeiten und mir selbst etwas schaffen. Ich will nicht das attraktive Anhängsel von irgendeinem Idioten sein.“
„Kann ich mir vorstellen. Was wäre für dich der Perfekte Geburtstag?“
„Mit meinen engsten Freunden Feiern. Also dich, Sammy und Amber. Und dann gar nicht mal so sehr feiern, eigentlich nur nicht übertriebene Geschenke auspacken, Kuchen essen, vielleicht spazieren gehen und dann grillen.“
„Gut, ist notiert, deinen zwanzigsten Geburtstag feiern wir bei uns in der Fabrik.“
„Echt?“
„Aber sicher doch, dann muss dich dein Vater nicht unnötig schikanieren.“
Akira umarmte ihren Onkel fest.
„Und wir haben einen Hofladen, wo Wolf seine Tees und Produkte des Gartens verkauft. Tomatensoße im Glas, Honig, Marmeladen und frisches Obst und Beeren und Gemüse. Du stellst dir nicht vor wie viel Arbeit dieser Garten macht. Wir könnten eine aufgeweckte Dame wie dich immer gebrauchen. Dann können wir unser Drohnenprojekt weitermachen. Ich war schon immer scharf darauf, Dronen mit AR zu kombinieren, aber hatte in dem Stress der letzten Monate keine Zeit. Und wir brauchen mehr hungrige Mäuler. Wolf hat so einen Output bei Gebäck und Torten, das ist der Wahnsinn. Bald müssen wir schon zwei Torten am Tag essen.“
„Das wäre echt total cool. Darf ich meine Freundin Amber mitbringen?“
„Wenn sie das mit ihrem Ekelpaket von Vater bespricht, gerne.“
„Wo wohnt ihr eigentlich?“
„Mitten im Nirgendwo, das nächste Nest in der Nähe heißt Waldfroh. In der Nähe ist ein großes Testgelände von Omega, wo die ihre Radpanzer testen, und in der nächsten größeren Stadt ist ein Gelände mit Außensets und Soundstages von Horizon Film, Sammys Lieblingsprojekt. Da in der Nähe ist ein kleiner VTOL Flugplatz mit Direktflug nach Berlin zu Solomon Central. Mit dem Heli oder VTOL. Die Familie Solomon besitzt einen ganzen Flugpark an Swordfish und mindestens einen Orca.“
„Moment was ist Solomon Central?“
„In welchem Loch wohnst du eigentlich?“
„Im Internat mit miesen Internet.“
„Dein Opa hat Anfang der 20er den Jahrhundertauftrag an Land gezogen. Den Entwurf eines kompletten Stadtteils und der wurde nach ihm benannt. Berlin Solomon. Da liegt auch das BIT.
Vom Bahnhof Potsdam Nord fährt die S10 und der Regio über das BIT, zum Solomon Central und zur Solomon Akademie.“
„Du verarscht mich doch, das wusste ich nicht ehrlich nicht!“
„Tja ich finde es auch nicht toll, erst diese Stadt die unseren Familiennamen trägt und die man auch noch lieblos in die Landschaft gezimmert hat. Und dann Horizon, dieser ekelhafte Konzern der auch immer größer und gefräßiger wird. Johnny wird echt größenwahnsinnig.“
„Wem sagst du es, als nächstes verscherbelt er mich an einen Scheich.“
Kaz lachte herzhaft auf.
„Nicht so laut, der nimmt das ernst!“
„Entschuldige, aber es passt so sehr zu dir. Was hast du denn mit dem Araber am Laufen?“
„Gar nichts, ich wollte nur nichts mit Charles Newton zu tun haben!“
„Da stimme ich dir zu, der Araber sieht nett aus, ich würde den im Auge behalten. Der wohnt in der Nähe vom BIT. Das ist von uns aus leider ziemlich beschissen zu erreichen. Wir haben noch Zimmer frei.“
„Weißt du, nichts was ich machen will involviert den Schulabschluss, ich würde am liebsten Schule sein lassen und bei euch auf dem Gelände arbeiten. Dann wird mich Johnny zwar enterben, aber das ist mir egal, ich will kein Geld, ich will einfach nur meine Freiheit. Aber mein Vater nimmt mich nicht ernst.“
„Hör mal Akira, du hast nur noch Prüfungen und dann ist es vorbei, und wenn du dann irgendwann Maschinenbau studieren willst kannst du das problemlos machen. Einen Schritt vor Schluss die Flinte ins Korn zu werfen ist reichlich doof. Wenn du durch bist, kannst du gerne zu uns kommen und auch deine Freundin Amber mitbringen. Das verspreche ich dir!“
Resigniert sah sie zu Boden. Fast hatte sie erhofft, dass er sie ermutigen würde durchzubrennen aber er hatte ja leider Recht, Prüfungen waren schon im Gange. Und dann war sie durch mit dem Scheiß.
„Kommst du zum Abiball?“
„Ich bezweifle dass mich mein Bruder einladen wird. Und Schweiz ist für mich ganz schön weit weg, ich hab ja keinen Flieger und der Defender ist keine Rennsemmel. Sorry Mädchen. Ein Andermal vielleicht. Kommt doch zu uns, dann feiern wir das nach. Da würden wir uns sehr freuen.“
„Versprochen dass wir kommen dürfen?“
„Großes Ehrenwort, wir haben ein paar leere Zimmer und den Wald voller leerer Tiny Houses, da könnt ihr wohnen. Ich hab mit den anderen schon mehrmals darüber gesprochen und die fänden es schön wenn du kommst. Und gegen Amber haben die bestimmt auch nichts. Und ihr klebt ja zusammen wie Pech und Schwefel. Nur jetzt gerade nicht erstaunlicherweise.“
„Dann kommen wir zusammen nach dem Abiball.“
„ist gebongt, dann sag ich gleich mal Zuhause Bescheid, dass wir das vorbereiten können. Tamara will dich so gerne kennen lernen.“
„Wie ist sie so?“
„Hat einen starken Willen, redet Klartext wenn ihr was nicht passt. Und ist gleichzeitig lieb und freundlich, das geht manchmal nicht gut und sie schmollt gerne. Sie ist eine erstklassige Schauspielerin. Horizon Film dreht gerade den vierten Teil der Verfilmung zur Legende der schwarzen Geister und Tamara hat eine der Hauptrollen als die Elfe Liz.“
„Klingt Interessant. Und Xen oder Horatio?“
„Recht Happy, aber sehr gestresst durch die viele Arbeit, leite du mal einen großen Konzern, das ist irre viel Verantwortung. Chronisch Depressiv und Tamara ist seine Frau. Sie haben oft … naja, du weißt schon … und sie ist laut dabei. Xen ist meist federführend wenn wir in der WG was kochen.“
„Und wie ist Wolf?“
„Sag mal wird das ein Verhör? Wolf kann zum einen knallharten Befehlston auflegen, ist aber meistens sehr nett. Er ist ein Workaholic und ständig im Garten, dann wieder im Labor, kauft für den Weltuntergang ein und Backt als gäbe es kein Morgen. Freizeit ist für ihn ein Fremdwort. Und er ist eine Labertasche, so wie Xen auch. Und Karl ist sein bester Freund. Oh nein!“
„Was denn“ fragte sie ängstlich.
„Ich hab unser wichtigstes WG Mitglied vergessen!“
„Wen den?“
„Lucy, unsere knuddelige Leopardin.“
Jetzt war es an Akira laut zu lachen.
„Ihr habt nicht ernsthaft eine Leopardin!“
„Doch, Tamara ist gelernte Tierpflegerin und Sammy hat uns eine trainierte und sehr schlaue Leopardin anvertraut die gerne auf dem Gelände herumstromert. Sie hat aber auch ihr Gehege für schlechtes Wetter.“
„Warum macht ihr das?“
„Was die Katze oder den Rest?“
„Alles, warum seid ihr so schräg drauf?“
„Naja wir haben uns zusammen gefunden und beschlossen, für niemanden außer uns selber zu arbeiten. Und wir wollen oder können keine Kinder bekommen. Es sei denn ein paar hübsche Mädchen wollen quasi adoptiert werden.“
„Au ja bitte! Ich hasse meinen Vater und meine Mutter ist doof.“
„Dann warte erstmal ab, bis du den Rest kennenlernst.“
„Was muss ich da hören, Liebes?“
Frank war an sie herangetreten.
„Unter uns, wer hasst diesen Kerl nicht? Ich muss dich noch zu deinem Outfit gratuliert. Du hast damit Johnnys Suppe versalzen.“
„Ich weiß, Kaz hat schon erzählt. Das war der Plan, auch wenn er nicht ganz billig war und reichlich schmerzhaft ist.“
„Die besten Pläne haben das so an sich.“
„Kaz, wo hast du eigentlich Wolf gelassen?“
„Der guckt sich das Museum an und dann geht er bestimmt mit Ben und Earl spazieren. Wolf liebt Kaiserwarane und vermisst Karl jetzt schon. Vor Karl hatten wir mal zusammengelegt und ihm ein maßgefertigten Kaiserwaran als Stofftier zum Geburtstag geschenkt. Und dann kam Karl.“
„Das ist eine coole Sache, dann werde ich ihn mal suchen, ich hab was mit ihm zu besprechen. Bis später.“ Und Frank lief davon.
„Woher kennen sich die beiden?“
„Die waren Offiziere in derselben Einheit und wurden im selben Einsatz schwer verwundet und mussten den Dienst quittieren. Und sie sind beste Freunde, seit Beginn der Offiziersausbildung. Also wenn du aus irgendeinem Grund mal mit mir oder Wolf Kontakt suchen solltest, dann wende dich an Frank. Er ist meistens hier und folgt seinem Tagesplan. Und Ben hat auch Franks und Wolfs Nummern. Er hat die beiden immer früher abgeholt, wenn sie wieder nach Deutschland gekommen sind. Leider ist meine Oma schon tot und das nagt sehr an Ben, dafür hilft die Therapie mit Earl.“
„Und woher kennst du denn dann bitte Wolf?“
„Mit achtzehn bin ich da in diesem Haus eingezogen, da wohnte Wolf schon unterm Dach. Und da sind wir einfach in Kontakt gekommen. Weißt du meine Eltern waren nie sonderlich nett zu mir weil mir Schule nichts bedeutet hat und ich hab immer nur Taschengeld Kürzungen bekommen während meine Mustergeschwister belohnt wurden. Gut, Sammy hat auch immer gut auf die Glocke bekommen – sie war immer schon sehr rebellisch was man ihr auch ansieht – wir bösen großen Geschwister eben. Mit achtzehn hat es mir gereicht und ich bin ausgezogen. Ben und Frank haben mir geholfen. Frank hat mich sozusagen an Wolf vermittelt. Anfangs war das komisch weil Wolf beruflich als Offizier immer weg und oft monatelang im Auslandseinsatz war. Aber wir haben uns schnell kennen gelernt und relativ schnell kamen Xen und Tamara hinzu, die auch aus angespannten familiären Verhältnissen kommen. Wolf ist geschieden und wohnt nicht bei seiner Familie. Er sagt das hätte nie gut funktioniert. Nur Mara seine Lieblingstochter ist ihm jetzt geblieben.
Und sie hatte ja diesen schweren Unfall vor ein paar Jahren. Sammy hat sie echt unter ihre Fittiche genommen, fast wie eine dritte Tochter. Und Wolf ist für uns der Vater den wir nie richtig hatten.“
„Das finde ich schön. Dann wird er mein Ersatz-Opa. Bestimmt.“
„Mh, Herbert ist so schrecklich wie Johnny. Und Mama ist eine überzogen strenge Hausfrau. Zum Glück hab ich die nicht mehr am Hals. Weißt du ohne Feier ist dieses Schloss sehr angenehm. Hier wohnen ja nur Ben und Frank in ihren bescheidenen Zimmern unterm Dach. Sammy hat sich und ihrer Familie eine große Welt am Platz der Nationen eins besorgt. Das ist nahe am BIT und an der  Horizon Firmenzentrale. Johnny jettet meist mit Helena an seiner Seite durch die Weltgeschichte, der hat Apartments und Wohnungen überall auf der Welt in den besten Lagen. Emma wohnt Bescheiden in Berlin Solomon und meine Eltern wohnen auch am Platz der Nationen eins. Wenn die alle weg sind, bin ich am liebsten hier.“
„Wie ist Berlin Solomon?“
„Groß. Erstreckt sich beidseitig der Havel und überall Wolkenkratzer und Parks. Herbert und Emma bekommen es hin, Beton und Glas sehr lebendig zu gestalten. Mit mehreren Schulen und zwei Universtäten eine bildungsschwere Stadt. Und ich geh da nur getarnt rein. Weil ich der einzige Solomon bin, der keinen „Erfolg“ hat.“
„Du bist auch ne echt Labertasche.“ Stellt Akira lachend fest.
„Du fragst mich ja auch regelrecht aus. Jetzt bin ich dran. Hast du einen festen Freund?“
„Ne, wie denn auch. Die Schule ist ein strenges Mädcheninternat. Und in den Ferien darf ich ja nicht einfach so raus. Man verfrachtet mich hierher und ich darf mit langweilen. Ich hab nur ein bisschen Spaß, wenn Amber bei ihrer Oma in der Stadt vorne ist, dann machen wir für feine Mädchen ganz untypische Sachen und gehen wild Zelten und klettern auf Bäume. Und machen Sachen bei denen meinen Eltern das Herz stehenbleibt.“
„Wie gut kennst du Amber?“
„Sie ist meine beste Freundin, seitdem ich auf diese Schule gehe. Wir teilen uns im Internat ein Zimmer. Ich kenne sie jetzt bestimmt schon seit meinem halben Leben. Und wir haben so eine gute Chemie zueinander, dass wie eigentlich wie Schwestern sind. Also nicht so Schwestern wie Sammy und Emma, die sich verabscheuen. Nein wie allerbeste Freunde. Darf ich dir ein Geheimnis verraten?“
„Nur zu.“
„Ich bin bi und ich steh total auf sie und sie weiß es. Und ich bin ganz nervös. Und eifersüchtig, weil sie Jack besser findet als mich.“
„So ist das mit der Liebe leider, sie funktioniert selten unkompliziert.“
„Warst du schon mal verknallt?“
„Das bin ich tatsächlich. Es gab in der WG über viele Jahre ein Gerangel darum, wer Tamara bekommt und sie hat sich für diesen hässlichen Fettsack entschieden. Das hat mich tief gekränkt. Seitdem habe ich es noch ein paar Mal versucht, aber es wollte nie funktionieren. Das Leben ist ungerecht!“
„Hoffentlich wird alles besser. Und ich brauche noch ein Stück vor dieser tollen Torte. Tarek ist der Hammer als Bäcker.“
„Komm ich auch, vor lauter Empfängen bin ich noch gar nicht dazu gekommen.“
Sie holten sich zwei dicke Stücke der Schokotorte mit Fondant Decke.
„Mh, sehr lecker. Ich kann nur nicht ganz urteilen, ob das an Wolf herankommt.“
„Tut es nicht“, bemerkte Wolf trocken, der aus dem nichts aufgetaucht war. Er hatte seine Tochter Mara im Schlepptau, die sehr glücklich wirkte.
„Wir haben im Park deine Freundin und Jack beim Schmusen ertappt. Sie haben sich tiefer in den Park zurückgezogen, zum Glück ist der Nachmittag recht warm. Amber war sehr verlegen.“
Plötzlich schmeckte die Torte nicht mehr so gut. Ihre beste Freundin vergnügte sich mit diesem Kerl der auch noch jünger war als sie. Kaz bemerkte das und legte eine Hand auf ihre Schulter.
„Die Liebe findet ihren Weg und vielleicht war es für dich nicht bestimmt, dass du mit ihr eine Beziehung hast.“
„Aber jetzt hat sie bestimmt viel weniger Zeit für mich.“
„Das muss nicht stimmen. Vielleicht ist es nicht für immer. Außerdem ist Jack nett und aufgeweckt. Der behandelt deine Freundin gut. Und wenn er zum Bund geht hast du wieder mehr Zeit für sie.
Wie haben genug Platz für euch drei, wenn ihr das wollt.“
„Ich will nicht, dass mir das Arschloch meine einzige Freundin wegschnappt.“
Rief sie trotzig und fing an zu weinen.
„Nicht sonst verschmiert noch dein tolles Makeup. Dann wirst du darüber mit ihr reden müssen.“
Sie schniefte und tupfte sich ganz vorsichtig die Tränen weg.
„Ist der Schaden schlimm?“
„Ach es sieht noch ganz gut aus. Und selbst ohne Makeup siehst du toll aus.“
„Ich will doch einfach nur abschreckend aussehen.“
„Und dass ist dir auch gelungen. Wir haben gesehen, dass die jungen Männer sehr planlos sind, weil du sie mit deinem Outfit überrumpelt hast.“
Sie seufzte und aß weiter von der Torte. Das mit Amber ging ihr nicht aus dem Kopf.
„Bin ich zu eifersüchtig Onkel?“
„Ich denke schon irgendwie. Es gehört zum Leben, dass sich auch die besten Freunde verlieben. Siehe mein Beispiel mit Xen und Tamara. Nimm es so hin. Sie wird ja nicht aus deinem Leben sein.“
„So fühlt es sich für mich aber an. Was mach ich nur?“
„Gar nicht daran denken und dich auf den Berg an Geschenken nachher freuen. Die Party wird auch nicht mehr so lange dauern. Es wird noch gegessen und in Anbetracht des erfolglosen Abends werden die meisten schnell gehen.“
„Amber darf sogar übernachten, sie hat auch richtig Ärger von ihrem Vater bekommen. Und ihre Oma wohnt in der Stadt, das ist sehr praktisch.“
„Stimmt, Merlin kann sie zur Not zu ihrer Oma kutschieren. Ich nehme an du schläfst in Sammys Gästezimmer?“
„Heute Nacht bestimmt und ich und Amber teilen uns das Bett.“
Kaz schmunzelte und nippte an seinem Cocktail.
„Weißt du womit du deinen Vater ins Grab bringst?“
„Nein, womit?“
„Wenn du mit Amber eine Beziehung aufmachst. Keine Enkel, keine Erbe, kein Nichts.“
„Das klingt verlockend, nur leider findet die Jack interessanter als mich, schnief.“
„Ach du glaubst doch nicht ernsthaft dass das klappt mit den beiden.“
„Sie ist total verknallt. Sie steht total auf Armee Filme und Pathos und Helden. Und Jack will Soldat werden. Die fährt total auf ihn ab. Und ich bin sowas eben leider nicht.“
„Dann musst du dir etwas suchen, was zu dir passt. Den Araber zum Beispiel.“
„Du willst mich echt mit allen verkuppeln?“
„Ich würde dir ein Date mit dem Waran organisieren, wenn du mit dem Gejammer über deine beste Freundin aufhörst. So ist das Leben! Mies und ungerecht.“
Akira schmollte und holte sich noch ein zweites Stück Torte.
„Und pass auf dass du nicht fett wirst, kleine.“
„Notfalls mache ich den Gürtel weiter, dann passt noch ein bisschen was zu essen rein.“
„Ich hoffe Papa macht keine Szene beim Abendessen!“
Es kam wie Kaz prognostiziert hatte, es wurde gespeist und dann verabschiedeten sich die Gäste. Sahid ging als letzter und zwinkerte ihr verschwörerisch zu. Dann war auch der letzte Gast weg und ihr Vater drohte zu explodieren. Er zerrte sie unsanft in eine Ecke und gab ihr eine Ohrfeige bei der ihr Kopf zur Seite schnappte und ihre Wange wie Hölle brannte. Er schrie sie an und sie weinte.
„Alle Mühe der Welt macht man sich dir einen tollen Geburtstag zu ermöglichen und du ziehst dich an wie eine Nutte und verschreckst die Gäste. Kannst du dir den Imageschaden durch dein ungehobeltes Auftreten für Horizon vorstellen? Der CEO mit der Schlampen Tochter. Einfach unfassbar du dämliche Zicke. Mach doch mal einmal was man dir vorschreibt. Warum kann du nicht einfach ein braves Mädchen sein?“
„Schlag deine Tochter nochmal und ich breche dir den Arm du mieses Arschloch!“
Kaz war zu ihrer Rettung geeilt und schubste seinen Bruder grob zur Seite, sodass dieser in eine Hecke stürzte. Ihre Wange fühlte sich taub an. Johnny rappelte sich auf.
„DU mischt dich nicht in die Erziehung MEINER Tochter ein, du Versager.“
„Demütige mich noch einmal und dein Gesicht macht Bekanntschaft mit der Wand da!“
„Du wagst es nicht einer der wichtigsten Männer der Welt zu drohen, du jämmerlicher Versager. Ich … ah!“ Johnny kollidierte unsanft Gesicht zuerst mit der Wand und seine Designerbrille flog von seiner Nase. Er rappelte sich auf und suchte nach seiner Brille, die einiges abbekommen hatte.
„Du … du hast meine Brille kaputtgemacht!“ stammelte Johnny fassungslos.
„Ich mach gleich noch mehr kaputt. Du weinerlicher Pisser nutzt deine Tochter doch nur gnadenlos aus und versuchst sie wie ein Objekt gewinnbringend an den Mann zu bringen. Wann hast du dich jemals gefragt, was sie will? NIE und du wunderst dich, warum deine Tochter kein zahnloses Plüschhäschen wie deine Gattin sein will. Du hast eine Kämpferin als Tochter! Sei stolz!“
„Beleidige meine Frau nicht!“
Ihr Vater stürzte unbeholfen auf Kaz zu der ihm ein Bein stellte. Er fiel der Länge nach auf dem gepflasterten Hof hin. Er rappelte sich halb blind auf und hielt mit erhobenen Fäusten nach Kaz Ausschau. Helena stürzte mit Tränen in ihren Augen auf ihren Mann zu, nicht auf sie. Die Prioritätensetzung ihrer Mutter tat echt weh. Sammy trat zu Akira und untersuchte besorgt ihre Wange. Sie war viel mehr wie ihre Mutter als Helena.
„Akira, du ungezogenes Ding. Das wird Konsequenzen haben. Die Haare bleiben auch keinen Fall so, wenn die Schule wieder anfängt sind die normal! Und wenn du dich noch einmal so nuttig auftakelst wirst du enterbt! Du wirst jetzt brav sein, bis wir dich sicher unter die Haube gebracht haben!“
„Hörst du Spinner eigentlich nie auf? Wir sind nicht im 18. Jahrhundert. Sie darf selbst entscheiden!“
Jetzt oder nie dachte sie sich.
„Papa? Papa hör mal zu. Aus deinen Plänen wird nichts, ich bin lesbisch!“
Kleine Notlüge, aber mit gehöriger Wirkung. Johnny sah aus wie von einem Zug überrollt und Mamas Augen wurden ganz groß vor Überraschung.
„Du bist … aber … ich … ICH verbiete so einen Müll, du wirst verheiratet basta. Ich habe das letzte Wort, und jetzt zieh den Mist aus und geh ins Bett. Man müsste dir die Geschenke wieder wegnehmen. Beschlagnahmen wie deinen PC.“
„Du hast kein Recht ihre Sachen zu beschlagnahmen. Das sind ihre Sachen, die hat sie bezahlt.“
„Papperlapapp in diesem Haus bestimme ich!“
„Seit wann denn das du Wurm? Solange ich lebe bestimme ich in diesem alten Kasten! Und nach meinem Tod wird es an Frank übergehen. Und der vermacht es mit Sicherheit nicht an dich.“
Papa schäumte wieder, weil er seinen Willen nicht durchsetzen konnte. Er stürmte an ihnen vorbei und Helena rannte ihm nach. Ihr war schwindelig von der Ohrfeige und sie fühlte sich elend. Sammy stützt sie und beförderte sie nach oben. Ihm Bad kotzte sie ihren Mageninhalt aus und entfernte heulend das Makeup. Nach der Dusche sah sie wieder ganz normal aus, bis auf die verheulten Augen.
Im Gästezimmer mit dem Gamingrechner setzte sich aufs Bett und weinte hemmungslos. Sie würde hier nie rauskommen. Papa würde sich einfach zwangsverheiraten. Wahrscheinlich noch als siebte Ehefrau eines arabischen Prinzen. Es klopfte und Sammy kam mit einem Stoffbeutel herein. Ohne Makeup sah sie total anders aus. Weniger unheimlich auch. Sie trug eine schlabbrige Jogginghose und ein schwarzes T-Shirt, so sah sie ihre Tante nur sehr selten.
„Darf ich mich setzen?“
„Klar, was hast du denn.“
Tante Sammy setzte sich neben ihr aufs Bett und umarmte sie fest, wie es nur eine liebevolle Mutter tun würde.
„Weißt du, ich will nicht, dass du die Schule kurz vorm Ende abbrichst. Aber versprich, dass du deinem Vater den Rücken zukehrst und nie wieder zurückkommst. Leb dein Leben, wie du es leben willst. Lass dich nicht fremdbestimmen. Von deinem Vater oder von sonst wem. Sei du.“
„Sowas ähnliches hat Kaz auch gesagt, ich soll nach dem Abschluss zu ihm kommen.“
„Tja, ich und Kaz waren schon immer auf einer Wellenlänge. Das klingt gut. Die fünf versuchen seit Jahren sich etwas selbst aufzubauen und wollen nur unabhängig sein. Bei denen bist du gut aufgehoben. Kaz ist auch ganz gut wohlhabend, der kann dir ein kleines Taschengeld geben.“
„Was macht mein Onkel eigentlich seit er mit der Schule fertig ist?“
„Ich würde sagen er genießt sein Leben. Er probiert sich aus. Seit einem guten Jahrzehnt schreibt er Bücher und Software, hauptsächlich Webseiten. Und ich darf dir nicht verraten, was er schreibt, dass muss er dir schon selbst verraten. Aber er schreibt unter einem Alias und sein Zeug verkauft sich gut.
Ich glaube diesen Kasten wo er wohnt konnte er sich kaufen. Aber da haben auch Ben und Frank mitgeholfen. Jedenfalls gibt es keinen der ihm diktiert wie er zu arbeiten hat, und das genießt er seit knapp zwanzig Jahren.“
„Was ist dieses Haus eigentlich?“
„Da haben mal neun Parteien gewohnt und jetzt wohnen die zu viert da. Aber ich hab es dir doch schon erzählt. Den Rest musst du entdecken, das verrate sich dir nicht.“
„Und was ist das in dem Beutel.“
„Auf die Gefahr hin dass mich mein kleiner Bruder noch mehr hasst gebe ich dir einen gutgemeinten Rat. Entweder du fügst dich deinem Vater, dann gebe ich dir das.“
Sie reichte ihr eine Packung mit einem Haarfärbemittel in der Farbe Dunkelbraun.
„Oder du provozierst ihn und machst gar nichts oder … oder du tust ihm damit richtig weh.“
Akiras Herz machte einen Satz als ihr ihre Tante einen elektrischen Rasierer in die Hände drückte.
„Drei Optionen. Du siehst für was ich mich vor dreiundzwanzig Jahren entschieden habe.“
Sie zwinkerte ihr zu.
„Der Motor ist sehr leise und das Bad hat ein gutes Schloss und ich glaube deine Freundin Amber braucht dich als Stütze, sie wartet draußen auf dich. Viel Spaß euch beiden.“
Sammy erhob sich und öffnete die Tür, Amber schlüpfte an ihr vorbei und ihre Tante schloss die Tür.
Amber war auch schon geduscht und trug frische Sachen, die ihr wahrscheinlich Laura geliehen hatte.
Sie ließ sich neben ihr betreten nieder.
„Du bist also eine Lesbe?“
„Ich bin bi aber ich steh schon eher auf Weiber.“
„Also auch auf mich?“
Akira zuckte hilflos mit den Schultern und nickte dann. Amber sah sie lange an und küsste sie dann auf die Wange.
„Was soll das?“
„Naja, du stehst auf mich und ich irgendwie auch auf dich. Und naja, das fühlt sich ehrlicher an, als wenn ich Jack küsse. Er ist nett und ich hab ihn gerne als Freund, aber nicht als Partner in einer Beziehung. Ich will dich haben, hab mich aber nie getraut es dir zu sagen, um die Freundschaft nicht zu ruinieren.“
„Das könntest du nie Amber. Das ist krass, wir sehen sehr ähnlich aus, haben dieselbe Figur und Körperbau und dieselben Interessen. Das ist doch wie geschaffen für eine tolle Beziehung, außerdem sind wir da schon so lange befreundet. Wie kann da noch was schiefgehen?“
„Weiß ich auch nicht, mit Jack wollte ich was ausprobieren, weil ich in ihn verknallt bin. Aber das war dumm von mir, er will mich gar nicht. Er ist schwul.“
„Bitte was? Das hätte ich nie gedacht.“
„Er will auch nicht, dass es jemand erfährt und ihn für ein Weichei oder einen Waschlappen hält. Er sagt er hätte am BIT jemanden kennen gelernt mit dem er sein Leben verbringen will.“
„Schwul sein ist ja auch ok in der heutigen Gesellschaft.“
Sie schwieg einen Moment und dachte nach.
„Amber, meine Tante hat mich auf eine saublöde Idee gebracht. Machst du mir eine Glatze?“
Ihre Freundin starrte sie eine Weile ungläubig an.
„Ähem, nachdem wir hunderte von Euro für eine professionelle Haarfärbung hingeblättert haben? Ok, ich mach dir eine, aber nur wenn ich auch eine bekomme. Wir sind wie Schwestern. Wir halten zusammen und machen auch den größten Unsinn zusammen!“
„Abgemacht! Aber erst hole ich zwei Sachen von unten.“
Der Geschenktisch war umgezogen weil es morgen früh regnen sollte und war jetzt im Speisesaal aufgebaut. Sie holte Kaz und Wolfs Geschenke und das von dem Araber Sahid.  
   Dann gingen sie kichernd ins Bad. Und Vorfreude und Neugierde breitete sich in ihr aus. Sie schoben den Badezimmerteppich zur Seite und zogen sich bis auf die Unterwäsche aus. Sie setzte sich auf den Rand der Badewanne und Amber legte los. Der Motor war tatsächlich nicht zu hören. Es war ein irres Gefühl wie die Haare büschelweise fielen. Und erst das Gefühl wenn sie sich über ihren völlig kahlen Schädel fuhr. Amber grinste sie an und sie tauschten Plätze. Am Ende kicherten sie wie blöde und schoben den riesigen Haufen gefärbter Haare zusammen.
„Jetzt kann Papa nichts mehr sagen, die Haare sind ab und brauchen Jahre bis sie wieder lang sind. Wie fühlst du dich?“
„Komisch und ich hab Angst auf die Reaktion der anderen.“
„Ich auch, bestimmt fragen mich alle ob ich Krebs habe. Was sollen wir sagen?“
„Verlorene Wette vielleicht, oder wir wollten es einfach mal ausprobieren.“
„Johnny wird einen Tobsuchtsanfall bekommen. Darauf wette ich, aber wehe er schlägt mich nochmal. Meine Wange tut immer noch weh. Lass uns wieder rüber gehen.“
Drüben in ihrem Zimmer verschlossen sie die Tür und legten sich nebeneinander aufs Bett.
„Dann probieren wir jetzt eine Beziehung?“
„Ich würde es mir wünschen. Ich hab dich so gern.“
Sie beugte sich über Amber und küsste sie sanft auf den Mund, dabei schloss sie die Augen und genoss den Moment. Der Kuss war lange und intensiv. Nach einem Moment lösten sie sich wieder voneinander und saßen nachdenklich auf dem Bett.
„Ich hab dem Araber versprochen dass ich sein Paket öffne, wenn ich ihn zur Ablenkung küsse. Warte mal. Da vorne ist es und in der Schublade ist ein Cutter.“
Sie nahm das große schwere buchartige Paket in die Hand und öffnete die Verpackung sorgfältig. Ein fetter Schinken zu Heraldik kam zum Vorschein. Resigniert betrachtete sie das Buch. Sollte das ein Witz sein? Sie öffnete den dicken Einband und stutzte. Da stand eine URL und ein Passwort. Sie blätterte weiter und stellte fest, dass das gar kein Buch war, sondern eine Schachtel. Und sie enthielt feinstes duftendes Baklava, arabisches Backwerk. Sie stellte die Schachtel neben Amber die sich ein bisschen was nahm und startete den Rechner mit HALOS. Sie schaltete den VPN ein und browste mit TOR, dann tippte sie die URL ein, die sie sich gemerkt hatte und gab auf der Seite das Passwort ein.
Es war ein Video, etwa eine halbe Stunde lang. Ängstlich drückte sie auch Start.
   Ein etwas verrauchter Kellerraum und ein Typ im Terroristen Outfit trat unter Beifall auf die Bühne.
Beim ersten Gag fing sie an zu lachen und Amber rutschte neugierig neben sie und sah zu. Sie kamen noch nicht mal dazu richtig das Gebäck zu genießen, so laut und häufig mussten sie lachen.
Dieser Araber hatte es echt drauf und wie der über Muslime herzog, das war in dieser Gutmenschen Kultur gar nicht mehr öffentlich möglich. Alles was irgendwie provozierte und jemandes Gefühle verletzten konnte war verboten und wurde sofort gegen protestiert. Und alle knickten bei dem erst besten bisschen Widerstand von den Wutbürgern zusammen. Das war so zum kotzen. Auf guten Humor durfte man jetzt anscheinend nur im Dark Web suchen.
   Das Programm endete mit ein paar echten Knallern und sie lachten Tränen. Das war doch mal ein tolles Geschenk gewesen. Ein paar gute Lacher und Snacks. Ihr graute vor dem Rest.
   Als nächstes kam Wolfs Geschenk und es war ein laut Verpackung ein Probierpaket des Garten der Welt Hofladens. Richtig edel verpackt und die Grafische Aufarbeitung der Etiketten war richtig toll, das würde bestimmt etwas richtig Gutes werden. Sie öffnete probeweise eine Packung mit Buttergebäck und das war echt toll. Und anscheinend war die Verpackung voll kompostierbar.
Sie freute sich schon auf das Haus und die Bewohner. Sie war schon sehr gespannt auf Tamara, die schöne Russin, hoffentlich war sie so nett wie Kaz meinte.
   Kaz Geschenk musterte sie misstrauisch. Er hat ihr dabei so merkwürdig zugezwinkert. Im Inneren stieß sie auf Kochutensilien. Nein warte mal, das war nur als Tarnung so dargestellt. Sie hob die Verkleidung ab und fand ein Survival Kit von NOX im inneren. Mit allem was man im Notfall brauchen konnte. Messer, Kompass, Feuerstarter, Notfalldecke, erste Hilfe Sachen und alles in der zu erwartenden Qualität von NOX. Das durften auf keinen Fall ihre Eltern sehen.
   Sie putzten sich die Zähne und fielen dann eng aneinander gekuschelt ins Bett und schliefen schnell ein. Ein schrecklicher Tag mit einem schönen Ende.

*            

Jemand hämmerte an die Tür. Johnny brüllte:
„Mach sofort die Tür auf du blöde Ziege. Wir haben das Chaos im Bad gesehen. Jetzt habe ich die Schnauze voll. Aufmachen oder ich breche die Tür auf!“
Ängstlich stand Akira auf und schlüpfte in ein T-Shirt bevor sie das Schloss öffnete. Die Augen ihres Vaters wurden bei ihrem Anblick riesig und er lief vor Wut tiefrot an.
„Bin ich denn nur noch von Spinnern und Versagern umgeben? Schön, wenn du das Leben torpedierst, was ich dir zu bereiten versuche, dann tu das, aber nicht mehr in meiner Gegenwart. Ich und James werden dafür sorgen, dass man euch in eurem Abschlussjahr rauswirft. Seht doch zu was ihr mit eurem Leben ohne Schulabschluss machen könnt. Für mich bist du gestorben, du bist nicht mehr meine Tochter, du bist wie eine lästige streunende Katze. Geh doch zu Samantha und Sebastian wenn du Eltern brauchst, uns willst du ja nicht. Ich lasse dein Konto sperren und sehe dich als enterbt! So, ich und Helena gehen jetzt. Wehe du jammerst mir jemals noch einmal die Ohren mit irgendeinem Mist zu. Dämliches unartiges Mädchen. Auf nimmer wiedersehen!“
Ihr Vater macht auf dem Absatz kehrt und stürmte davon, Akira weinte und stützte sich am Türrahmen ab. Kein Abschluss, kein Erbe, kein Geld. Ambers Telefon hinter ihr im Zimmer klingelte und ihre Freundin ging rann, wahrscheinlich ihr Vater der sie auch enterbte und vor die Tür setzte.
Am Ende des einseitigen Telefonats legte Amber kreidebleich auf und Tränen schossen ihr aus den Augen. Sie umarmte ihre Freundin fest und sie heulten sich Schulter an Schulter die Augen aus. Von draußen hörten sie das Quietschen von durchdrehenden Rädern als ein Wagen davon fuhr. Ihre Eltern entfernten sich aus ihrem Leben.
„Hat dich dein Vater auch vor die Tür gesetzt?“
Amber nickte schluchzend.
„Ich hab gar nichts mehr, nur die Sachen, die ich bei meiner Oma hab. Und Geld habe ich auch keins mehr. Was jetzt?“
„Jetzt brauchen wir Hilfe von Menschen mit mehr Verstand als unsere Väter.“
„Klingt ja fast als hättet ihr mich gerufen.“
Onkel Kaz streckte den Kopf durch die Tür. Akira sprang auf und umarmte ihn fest.
„Hat Sammy dich mal wieder zu was „mutigen“ überredet. Das war klar, dass das bei deinem Vater total nach hinten losgeht. Wir haben Johnny deutlich durch das ganze Haus gehört. Wolf telefoniert gerade und Sammy diskutiert mit ihrem Mann. Es gibt gleich Frühstück, dann besprechen wir eure Optionen. Geht in Ruhe duschen und kommt dann runter. Du musst noch deine ganzen Geschenke ausprobieren. Und Amber um dich kümmern wir uns natürlich auch, keine Sorge das bekommen wir hin. Das war absehbar, dass das passiert.“
Kaz löste sich sanft aus der Umarmung und ging wieder raus. Gefasst suchten sie beide frische Sachen raus und duschten entspannt nacheinander. Unten warteten alle auf sie. Wieder waren die Augen in Schock ganz groß und Sammy lachte. Tarek aus der Küche brachte ihnen frischen Kakao und Teigspezialitäten. Kaz kam in den Saal und steckte sein Handy weg, nach den Festigkeiten trug er natürlich nicht mehr seinen Anzug.
„So, wir haben uns kurz geschlossen und es gibt drei Optionen. Nummer eins, ihr bleibt hier bei Ben und Frank auf dem Schloss. Nummer zwei, ihr kommt bei Sammy in Berlin Solomon unter, auch wenn es vielleicht etwas eng zu sechst wird. Und Option Nummer drei, die uns allen am besten passt. Ich und Wolf nehmen euch nach Potsdam mit und ihr wohnt fürs erste bei uns. Wir haben genug Platz und ihr habt immer was zu tun.“
Akira wechselte einen langen Blick mit ihrer Freundin, die mit Bestimmtheit nickte.
„Wir nehmen Option drei.“
„Ok, Wolf sag Tammy und Xen Bescheid, dass wir mit den Mädels kommen. Tammys altes Zimmer ist groß genug für die beiden. Und Xen soll schon mal ein kleines Festmahl bereiten.
Und ihr beide nehmt mit, was nicht zu sperrig ist und sich im Kofferraum unseres Defenders transportieren lässt. Ben, habt ihr einen Anhänger?“
„In der Gärtnerei sind ein paar, die könnt ihr euch gerne ausleihen.“
„Amber, wie sieht es bei dir mit Gepäck aus?“
„Ich hab meine Tasche oben und bei meiner Oma habe ich einen großen Wanderrucksack untergestellt, da ist alles drin, was ich brauche.“
„Ganz ausgezeichnet. Dann essen wir jetzt in Ruhe und dann wird gepackt und dann geht’s los. Abgemacht? Die Geschenke kannst du in deinem neuen Zuhause auspacken. Und ihr zwei seht gut aus! Sammy sieht stolz aus. Eure Väter seht ihr bestimmt nicht so schnell wieder.“
Zufrieden machte sich Akira über ihr Frühstück her. Sie hatte sich so gewünscht bei ihrem Onkel zu wohnen, vielleicht unter anderen Umständen, aber das war jetzt so. Und sie war ihre scheiß Eltern los, die sie immer nur herumkommandiert hatten. Nachdenklich strich sie über ihre Glatze. Es würde zwar Jahre dauern, bis ihre Haare wieder lang waren, aber jetzt war sie Johnny los. Da waren die Haare verschmerzbar. Und das er ihr Konto sperren würde … nach den High Heels, dem Kleid und den Haaren war das sowieso leer und das Taschengeld war immer schon mies gewesen.
Nach dem Essen ging sie hoch und sammelte ihre Sachen ein. Ihre Kleidung, ihr Kleid und die Schuhe, der Laptop und natürlich die Geschenke. Auf dem Vorplatz beluden Kaz und Wolf Wagen und Anhänger. Lien hatte schon einen großen Snackkorb fertig gemacht und Frank steuerte ein paar bequeme Fleece Decken bei. Nach einer Stunde kam die Verabschiedung und alle drückten sie und Amber fest. Das war der Aufbruch ins neue Leben, sie atmete tief durch, dann stieg sie hinten rechts in den Defender. In der Mitte war der große Snackkorb und links entfaltete Amber eine der Decken.
„Nicht so schnell Amber, wir müssen noch deinen Rucksack abholen. Stimmt die Adresse?“
Kaz hielt Amber sein Smartphone hin und die nickte.
„Dann schnallt euch an und nochmal alle winken, so schnell sehen wir den Kasten nicht wieder.“
Akira kurbelte das Fenster herunter und winkte allen auf dem Vorplatz zu. Kaz drehte den Zündschlüssel und sie fuhren los. Der Defender zog ja gut an, was war das denn für ein Motor?
„Mädels, das Schiff ist zu alt für eine Klimaanlage und das Wetter für die Fahrt ist nass und kalt, also macht Gebrauch von den Decken, aber erst wenn wir wirklich auf dem Weg sind. Wolf hat schon bei deiner Oma angerufen und sie erwartet uns schon unten an der Tür damit es schnell losgeht.“
Sie nickten beide und der schwere Geländewagen schoss aus dem Park und durch die Stadt. Vor einem Frisörsalon hielten sie kurz an und eine ältere Frau mit leuchtend orange gefärbten kurzen Haaren trat mit einem dicken großen Wanderrucksack in den Armen aus dem Salon und winkte ihnen zu. Sie stiegen alle aus. Amber drückte ihre Oma fest.
„Meine Güte, gestern noch feuerrot und bunt und heute sowas. Das ist ja echt allerhand. Leider hört mein Schwiegersohn nicht auf mich. Und bei mir ist leider nicht genug Platz für dich auf Dauer. Ich danke Ihnen so sehr, dass Sie den Mädchen ein neues Zuhause geben. So viel Freundlichkeit gibt es heute nur noch selten. Uh, schon der erste Tropfen. Dann macht euch mal bereit und ich wünsche euch eine gute Fahrt in einen tollen Neuanfang.“ 
Wolf half Amber beim Einladen des schweren Rucksacks und sie stiegen wieder ein. Diesmal zogen sie die Schuhe aus und schlangen die kuschligen Decken fest um ihre schlanken Schultern. Kaz setzte den Blinker und fuhr den Straßenschildern nach aus der Stadt raus und rauf auf die Autobahn in Richtung Norden. Wolf las in einem Buch und Kaz blickte konzentriert auf die Straße. Dafür, dass der Defender so alt war, düste der aber mit ordentlichem Tempo über die Autobahn. Sie spähte aufs Armaturenbrett und die Nadel lag bei fast hundertachtzig Stundenkilometern und sie fuhren die ganze Zeit auf der linken Spur. Amber neben ihr war eingenickt und sie setzte sich Kopfhörer auf um Musik zu hören. Hoffentlich waren sie schnell da.
   Nach einer Stunde warf sie einen Blick auf ein Autobahnschild und Potsdam stand schon dran und jetzt waren sie wahrscheinlich noch gute anderthalb bis zwei Stunden entfernt. Sie sah nach vorne und Wolf tippte auf einem Tablet herum. Amber schlief immer noch. Neugierig warf sie einen Blick in den Snackkorb. Hoffentlich nicht nur herzhafte Sachen. Sie wickelte ein Sandwich mit Schinken aus und biss mit Appetit hinein, es war wie zu erwarten total lecker. Sie war schon sehr gespannt, wie Kaz und dieser Xen als Köche taugten. Und Wolf war ja anscheinend nur am Backen, also jeden Tag Torte. Sie würde bestimmt ganz schnell fett werden, stören würde es sie nicht solange sie Amber gefiel.
„Akira?“
„Ja?“
„Kann ich auch ein Sandwich haben?“
Sie reichte Wolf das zweite Sandwich aus der Dose.
„Danke sehr, du bist ein Schatz. Auf dem Hof gibt es viel für euch beide zu tun. Wir brauchen Hilfe im Garten, im Betrieb, im Laden und in ein paar Wochen im Lokal. Gewöhnt euch nicht an ein faules Leben. Ihr habt zwar noch genug Freizeit, aber es wird jeden Tag was geschafft.“
„Was er damit sagen will ist, dass ihr ein bisschen was dafür tun müsst für freie Kost und Logis. Und ihr bekommt ein Taschengeld, in der Nähe sind ein paar schöne Läden und Lokale. Aber es ist definitiv nicht Innenstadt. Aber die ist mit dem Rad und der Straßenbahn gut zu erreichen.“
„Also für mich ist das ok, ich kann stupides herumhocken nicht ertragen.“
„Sag das nicht zu laut, Wolf hört sowas sehr gerne. Ich denke ihr dürft erstmal alles erkunden und herumtollen und dann binden wir euch ganz langsam mit ein. Ich hab übrigens ein junges Mitglied der WG vergessen, aber er will anonym bleiben. Vielleicht seht ihr ihn ab und zu, aber er arbeitet fast nur am Computer in seinem Zimmer oben im dritten Stock. Und er mag es nicht, wenn man ihn bei der Arbeit stört, außer du bringst Baklava vom Araber gegenüber mit.“
Akiras Augen wurden groß, dann war das vielleicht auch ein Araber? Oder jemand der arabische Süßigkeiten sehr gerne mochte.
   Sie legte sich in den recht bequemen Sitz zurück und setze sich wieder die Kopfhörer auf. Sie sah neugierig nach draußen. Ein Porsche Cayenne hinter ihnen hupte wütend.
„Man ey, bin ich eine Formel eins Kiste? Dämlicher Idiot.“
Der Porsche fuhr rechts auf Augenhöhe heran und der Fahrer gestikulierte wild. Wolf zeigte ihm den Vogel und Kaz kachelte weiter mit hundertachtzig über die Autobahn.
„Schreib dir mal das Kennzeichen auf, das wird mir zu doof mit diesen Spinnern.“
Wieder Gehupe und der Porsche zog an ihnen auf der Mittelspur vorbei und scherte nach rechts aus. Das Fenster öffnete sich und jemand wedelte mit dem Mittelfinger, dann gab der Porsche Vollgas.
   Erst jetzt sah Akira die Dashcam überm Armaturenbrett, wo Kaz gerade auf einen Knopf drückte. Den schien das Ganze nicht die Bohne aus der Ruhe gebracht zu haben.
„Wir müssen demnächst mal tanken, der Motor schluckt wie ein Loch bei der Geschwindigkeit.“
Ein paar Kilometer weiter fuhren sie an einer Tankstelle rechts raus, sie suchten eine Zapfsäule und tankte Diesel satt. Kaz brachte eine Cola für sich und Wolf und Gummibärchen für sie mit und weiter ging es.
   Jetzt fuhren sie gemächlicher, aber sie waren jetzt auch fast da. Naja, ein bisschen weiter als fast. Nach einer knappen Stunde Autobahn im strömenden Regen setzte Kaz fuhr ganz rechts und setzte den rechten Blinker. Sie fuhren über Landstraße durch kleine verschlafene Käffer und Dörfchen von Westen nach Potsdam rein. Das war eine ziemliche Juckelei aber sie sah interessiert aus dem Fenster und sah sich alles bei dem jetzt überraschend sonnigen Wetter an. Das war ganz anders als sie das Reisen gewöhnt war. Normalerweise immer mit einem Privatflieger oder erster Klasse und nur Luxusresorts mit Fünf Sterne Hotels. So weit war sie noch nie mit dem Auto kutschiert worden. Amber war inzwischen aufgewacht und starrte ebenfalls nach draußen. Sie erreichten die ersten Anzeichen einer Stadt, auch wenn es alles noch etwas ländlicher war. Und rechte Hand war ein Wald, das war gut zu wissen. Es ging über eine Kreuzung mit einer Tankstelle und nach ein paar hundert Metern bog Kaz links in eine kleine Straße und auf halber Strecke nach rechts durch eine Einfahrt in einen Hof. Vier Stellplätze, von denen zwei belegt waren. Ein weißer VW Golf und noch ein fetter aufgemotzter schwarzer Defender mit einem Potsdamer Kennzeichen. Sie hielten vor einem offenen Garagenrolltor wo ein im Inneren ein dicker Mann mit kurzen strubbeligen Haaren an einem Motorblock herumschraubte, das war wahrscheinlich Xen. Als er den Wagen im Hof hörte nahm er die Kopfhörer raus und winkte ihnen zu. Und aus einem Durchgang stürzte eine sehr schöne Frau mit blauen Augen und tiefschwarzen langen Haaren.
   Akira nahm die Kopfhörer ab, schälte sich aus der Decke und zog die Schuhe wieder an. Dann ging es mit etwas wackligen Knien raus.
„Hey ihr habt mir nicht gesagt, dass die beiden keine Haare haben! Das ist doch erwähnenswert. Ich hab mich schon so gefreut, zwei hübschen Mädchen die Haare zu schneiden. Menno.“
Die dunkelhaarige Frau knuffte Kaz gegen die Schulter und umarmte ihn dann fest. Der dicke Mann war derweil in den Tiefen der Garage verschwunden.
„Ich denke wir zeigen euch die Wohnung und dann könnt ihr euch umsehen. Heute wird gegrillt, Xen hat schon fleißig das Grillfleisch mariniert. Ich hoffe ihr seid keine Vegetarierinnen, Xen hat mal wieder viel zu viel Fleisch vorbereitet. Und wir haben selbstgemachte Limo schon kaltstehen.“
Sie nickten und bereiteten sich dann vor alles hochzutragen. Kaz führte sie in den zweiten Stock wo die Tür sperrangelweit offenstand und ein leckerer Geruch nach mariniertem Fleisch ins Treppenhaus waberte. Ein langer Flur mit Parkett führte quer durch die Wohnung, Kaz öffnete eine Tür zu einem recht großen Zimmer.
„Tada, das war Mal Tamaras Zimmer, aber das gehört jetzt euch, ich hoffe es stört euch nicht, dass ihr euch das Bett teilen müsst. Wir dachten uns da ihr so gute Freundinnen seid, geht das fürs erste.
Wir waren am überlegen, ob ihr mit dem Bewohner im dritten Stock eine WG macht, aber dafür muss die Chemie zwischen euch dreien stimmen. Wir hatten noch keine Gelegenheit hier richtig auszumisten und Tamara mag es nicht, wenn man ihre Sachen angrabbelt, also seid ein bisschen vorsichtig wenn ihr euch alles anguckt. Ich denke Tamara hat euch schon ein paar Sachen bereitgelegt. Das Bad ist auf dieser Seite der Wohnung das Zimmer mit der blauen Tür. Viel Spaß, ich geh dann mal Xen und Tammy helfen.“
Und ihr Onkel verschwand wieder. Sie legte ihre Tasche ab und half Amber beim großen Rucksack. Staunend sah sich um. Das war praktisch eine Lagerhalle, in die man es geschafft hatte ein ziemlich großes Bett zu platzieren, mitten in ein Regal, sodass man fast eine kleine Höhle zum Verstecken hatte. Unter dem Fenster stand ein etwas abgenutzter Lehnsessel neben einem Tischchen und einer Stehlampe. Und der Rest waren Schränke und Regale. Mit unglaublichen Massen von lagerbaren Vorräten. Und die Bücherregale bogen sich unter der Last von zweireihig aufgestellten Büchern. Interessiert stellte sie sich auf die Zehenspitzen und zog ein dickes gebundenes Buch hervor. Band eins der Legende der schwarzen Geister. Sie klappte es auf und ließ es vor Schreck beinahe fallen. Sie hielt eine signierte Erstausgabe in Händen. Unter Sammlern war dieser Band sicherlich Monatsmieten wert. Ehrfürchtig stellte sie das Buch zurück. Auf dem Bett lagen zwei Stapel. Jeweils mit einer flauschigen Fleece Wolldecke, einem Badetuch und einem kleineren Handtuch. Kaz musste Tamara ihre Lieblingsfarben gesteckt haben. Ambers Stapel war rot und ihrer Grün.
Sie packten ihre Sachen aus und platzierten sie da wo noch Platz war. Etwas planlos sah sie sich nach einem Staufach für ihre modifizierte Drone und ihr Werkzeug um. Sie stellte es erstmal auf einen Tisch.
   Ihr fiel ein Schrank auf, der mit einem Schloss gesichert war. Wer macht denn sowas in seinem eigenen Zimmer? Jetzt war sie aber doch zu neugierig. Sie betrachtete das Schloss, das war keine sonderlich große Herausforderung. Mit ihrem Dietrichset war das Schloss schnell geknackt und sie öffnete den Schrank. Sie staunte nicht schlecht, alles voller Pelze. Sie nahm einen heraus und zog ihn sich an, der saß gut und fühlte sich sehr edel an. Amber probierte auch einen an.
„Hey, ihr Diebe, könnt ihr nicht fragen bevor ihr meine Sachen angrabbelt? Kommt raus da und hängt den wieder zurück in den Schrank, der Mantel ist von meiner verstorbenen Oma und sie hat mir den und ein paar andere vermacht. Ihr könnt die vier ganz links tragen, die sind nicht echt, aber erst fragen, dann anfassen!“
Betreten schlüpfte Amber aus dem Mantel und hing ihn zurück. Verlegen verschloss Akira den Schrank und drehte sich um, aber Tamara war schon wieder verschwunden.
Neugierig besah sie sich die Regale, die mit unglaublichen Mengen von Konserven und Einmachgläsern befüllt waren. Viele Marmeladen- und Einmachgläser waren mit selbst gemachten Etiketten und Inhalten versehen. Ganz viel Sauerkraut, Rotkohl, Tomaten, Apfelkompott und Marmeladen. Linsen, Getreide, Zucker. War das hier die Speisekammer oder was?
Sie nahm ihre Waschsachen und ging ins Bad. Amber legte sich derweil mit Kopfhörern im Ohr aufs Bett und machte sich lang. Sollte ihr recht sein. Blaue Tür hatte Kaz gesagt. Hier waren wohl die Wohnquartiere. Ein Raum mit einem Schild für Tamara und Xen und ein Schild für Kaz. Sie schob die Badezimmertür auf und sah sich um. Das war ja top saniert, mit Fußbodenheizung und barrierefreier Dusche und allem. An einem Schränkchen klebte ein Zettel mit ihrem Namen. So viel Platz brauchte sie eigentlich nicht. Sie stöpselte ihre elektrische Zahnbürste ein, der Rest war Seife und Shampoo. Bürste und Kamm brauchte sie bis aufs weitere nicht mehr. Unsicher warf sie einen Blick in den Spiegel, sie wusste nicht ob es ihr gefiel, es war einfach nur komisch. Aber sie war dadurch buchstäblich frei. Ohne Abschluss und Geld zwar, aber sie wollte nicht studieren und die mittlere Reife hatte sie ja. Den Rest würde sie sich einfach selber beibringen. Papa hatte auch nicht studiert und Horizon mit Sammy gegründet. Wobei ihre Tante wesentlich fachlich kompetenter wirkte, Sie hatte ja auch Maschinenbau studiert.
   Sie verließ nachdenklich das Bad und bemerkte eine offene Tür in eine Besenkammer, mit Putzsachen und einem uralten Vorwerk Kobold 121 Staubsauger, dass Modell war schon steinalt als sie geboren wurde. Kann es sein, dass hier überall Fußbodenheizung war, denn sie sah nirgendwo einen Heizkörper? Sie zog Schuhe und Socken aus und stellte fest dass der Boden schön warm war, sie zog ihre Sachen trotzdem wieder an, draußen war es recht frisch. Interessiert sah sich um. Im Flur waren eine riesige Garderobe und eine langes Schuhregal. Tamara trug anscheinend keine zu ausgefallenen Schuhe, zumindest standen nirgendwo High Heels und hohe Stiefel. Sie folgte ihrer Nase nach in die Küche wo das marinierte Fleisch zog. Die WG hatte gleich zwei Kühlschränke, aber es sah so aus, als würde man als ein Haushalt agieren. Also kein separates Fach für jede Nase.
Im Kühlschrank lagerten Bratwürstchen und Schalen mit Salaten. Ihr lief jetzt schon das Wasser im Mund zusammen. Und im Eisfach war tonnenweise leckeres Eis.
   Im großen Bad war sogar eine tolle Badewanne und in einem Schränkchen fand sie Gläser mit Badezusätzen und toll riechende Duftkerzen. Das waren bestimmt Tamaras Vorräte. Die würde sie gleich beim Essen danach fragen.
   Der Rest vom Haus war nicht so spannend, weil alles abgeschlossen war und sie nicht so Lust darauf hatte nochmal gleich am ersten Tag beim Schlösser Knacken erwischt zu werden. Oben unterm Dach wohnte Wolf, im dritten Obergeschoss war diese andere WG. Im ersten Obergeschoss war eine verschlossene Wohnungstür und auf der anderen Seite stand Labor und die Tür war sogar gleich elektronisch gesichert. Aber sie hatte ein Werkzeug mit dem sie da rein kommen würde, hoffte sie zumindest, Kaz war ja auch kein Idiot was so Sachen anbetraf. Und von dem hatte sie all diese Sachen gelernt.
   Selbst der Keller war fest verrammelt. Enttäuscht trat sie in den Hof. Jetzt parkten die beiden fetten Defender nebeneinander. Sie bekam die Motorhaube nicht auf, also legte sie sich unter den Wagen und holla die Waldfee, das sah von unten definitiv nicht wie der originale Defender aus. Mit einem anerkennenden Blick ging sie an dem Wagen vorbei. Die Garage hatte zwei Rolltore, von denen das rechte jetzt auch verschlossen war. An einer Wand waren Fährräder angeschlossen. Sie amüsierte sich über das grellpinke Damenrad, der Rest sah aus wie von Bahnhöfen zusammengeklaut. Fünf Räder, dann würden sie vielleicht auch noch Fahrräder bekommen.
   Dann ging sie durch den Gewölbegang. Links war ein Schuppen durch dessen Tür sie die Mülltonnen sah. Rechts führte eine Tür mit einem Gitterfenster zu einer Treppe, das Schloss war offen. Sie schob sich durch die Tür und lief die Treppe hoch. Oben war wieder eine Tür, die stand offen. Eine Dachterrasse mit gekacheltem Boden und einer hüfthohen Brüstung. An den Ecken ragten Metallpfosten für ein Sonnensegel in die Höhe. Wenn sie das richtig sah, wurde der Sonnenschutz mit einem Motor über Seilzug ausgezogen. Sie musste sich oberhalb der Garage befinden. Hier war schon ein professionell aussehender Grill aufgebaut, mit säckeweise Grillkohle, Anzündern und Werkzeug. Daneben ein L-förmiger Tisch, den man für ein Buffet verwenden konnte. Mit gekühlten Schubladen voller kalter Getränke. Mittig auf dem Dach erstreckte sich eine lange gedeckte Tafel mit Bänken. Auf der anderen Seite des Daches stand ein Liegestuhl. Dort lag Kaz und las in einem Manga. Er winkte ihr zu, als er sie bemerkte, und setzte sich auf.
„Schon fertig mit der Erkundung?“
„Nur das Haus und den Hof, ist ja alles abgeschlossen.“
„Mach dir mal keinen Kopf. Ihr bekommt einen Schlüsselbund mit allen Schlüsseln die ihr braucht. Alles Weitere kommt dann mit der Zeit. Kommt erstmal an, wenn ihr überall rein dürftet wärt ihr tagelang beschäftigt mit erkunden. Es ist übrigens nicht nur dieses Grundstück. Das nebendran war mal unbebaut, das haben wir uns geschnappt. Da ist der Lieferanteneingang und der große Nutzgarten. Auf dieser Seite sind hauptsächlich Höfe und Schuppen. Das mussten wir so machen, außerdem züchtet Wolf giftige Pflanzen für seine Experimente. Nix was neugierige kleine Kinder angrabbeln und in den Mund nehmen sollten, wenn wir bald eröffnen. Natürlich haben wir eine hohe Mauer um den Garten gezogen und die Durchgangstore verschlossen, aber du kletterst da bestimmt mit links rüber. Deshalb brauchen wir auch euch beide als Unterstützung bei der Gartenarbeit. Das ist irre viel Zeug, was gepflegt und bewässert werden muss. Xen wirft den Grill erst in ein paar Stunden an, sie dir hier doch noch alles in Ruhe an.“
Sagte er und widmete sich wieder seinem Manga. Sie lief zurück und stand vor einer Wand aus eingefassten Glasscheiben, die Seitenwand eines Gewächshauses. Sie drückte eine Doppeltür auf und ihr fiel die Kinnlade runter. Das war ja ein riesiges Teil, Die Konstruktion überspannte die bebauten Dächer mehrerer Schuppen und einen Innenhof. Überall waren lange hohe Beete mit tropischen Pflanzen und es war warm, es roch gut und die Luftfeuchtigkeit war ziemlich hoch. Sie sah sich um. Sie ging oben auf der Galerie an einer ganzen Menge Tische vorbei und trat an die Brüstung. Im Hof war an der einen Wand eine Bühne aufgebaut und die Tische oben standen so, dass man runter gucken konnte. Unten waren runde Tische mit gutem Blick auf die Bühne aufgebaut. Dann ging es eine von zwei Steintreppen hinunter in den Lichthof. Hier sah sie die große Bar und dahinter die Tür zur Küche und Schilder zu den Toiletten. Die Bar hatte eine gekühlte Kuchenvitrine. Das war ja richtig professionell hier. Sie hatte mit einem kleinen Hinterhofcafé mit einer improvisierten Bar und ein paar Bierbänken gerechnet, aber das sah ja richtig edel aus. Interessiert stöberte sie in der Speisekarte, die sie von einem Stapel gegriffen hatte. Die Gerichte sahen sehr lecker aus und die Preise waren zwar nicht preiswert, aber bezahlbar. War Potsdam nicht generell etwas teuer?
Hoffentlich hatte sie noch die Gelegenheit zu testen was Xen und Kaz in der Küche taugten.
Neugierig warf sie einen Blick in die Küche. Alles war nagelneu und tipp top aufgeräumt. Ein paar Vorräte und Gewürze standen schon bereit und hier wurde anscheinend in erster Linie mit Vorräten von NOX und selbstgemachten Sachen gekocht. Sie ging weiter durch den nächsten Gang mit flachem Tonnengewölbe. Linke Hand sprang ihr sofort das toll designte Schild für den Hofladen ins Auge. Sie öffnete die Alte Tür mit der Türklingel und stand in einem schön eingerichteten Ladenraum, eine Kreuzung aus Bioladen und Teeladen. Vitrinen mit Ausgepackten Probierpäckchen und Geschenksets. Brusthohe Regale auf beiden Seiten und am schmalen Ende ein Verkaufstresen vor einer Wand mit Teekisten. Die Etiketten und Verpackungen waren erstklassig designt. Ob dafür der Typ zuständig war, der am liebsten für sich blieb und arabische Süßigkeiten aß? Auf den war sie sehr gespannt.
Sie ging wieder raus und starrte auf ein großes Terrarium mit dreieckiger Grundfläche, in dem ein mittelgroßer Waran schlummerte. Den musste sie hoffentlich nicht füttern.
   Auf einmal fühlte sie etwas Warmes am Bein und sah einen Pechschwarzen Kater um ihr Bein streichen. Sie wollte sich bücken um ihn zu streicheln, aber er schoss wie der Blitz davon, doofes Vieh. Zwischen einem Gartenhäuschen und einem Schuppen war ein mit einer Hecke umschlossener Bereich mit Glasdach, vor dem ein Schild mit „Ruhebereich“ angebracht war. Das Innere war recht hell und hier waren Sessel mit kleinen runden Tischchen in natürlich grün abgegrenzten Carrels. Die waren sogar echt bequem. Am Sessel war ein Rufknopf befestigt, wie praktisch. Hoffentlich übernahmen sich die nicht mit dem Restaurant und sie war nicht sehr begeistert von dem Gedanken kellnern zu müssen. Bestimmt machte sie alles falsch und ließ noch was fallen. Ihr schauderte. Hinter der Bar ausschenken und Drinks mixen würde sie gerne mal machen. Oder halt in der Küche helfen.
Nur Widerwillig erhob sie sich aus dem fürchterlich bequemen Sessel und sah sich weiter um.
Im Schuppen neben dem Ruhebereich und dem Terrarium wurden wohl die Stühle aufbewahrt.
Und der Rest des Gartens war eine riesige Rasenfläche mit ein paar eingestreuten großen Apfelbäumen. Ganz am Ende erkannte sie den großen Spielplatz von dem die Rede war. Und auf dem Rasen waren in Grüppchen ein paar Tische platziert, die gegen den Regen mit Planen zugedeckt waren. Und linke Hand war eine bestimmt vier Meter hohe gemauerte Mauer mit einem großen Tor.
Wahrscheinlich würde Rasenmähnen ihre erste Aufgabe sein.
   Sie lief an dem Schuppen vorbei, das ganze Grundstück war von hohen Mauern umrahmt. Auf der rechten Seite an der Wand war eine dunkle Matte befestigt und davor stand ein Bogenschussziel, das war ja cool. Hinter ihr am Gartenhaus war ein kleiner Schuppen wo bestimmt Bögen und Pfeile aufbewahrt wurden, denn das Schloss war ziemlich massiv. Sie rannte zurück zu Kaz auf die Dachterrasse. Sie stutzte, las er immer noch im selben Manga?
„Onkel, da habt ihr ja echt was auf die Beine gestellt.“
„Mh, hoffentlich übernehmen wir uns nicht. Wir machen das ganz geschickt. Xen ist ein irre guter und vor allem brutal effizienter Koch. Der zaubert die tollsten Gerichte in Rekordzeit und ist echt Multitasking fähig, das ist irre. Und wir tragen AR Brillen und ich hab eine Software geschrieben, wie wir die Wartezeiten minimieren können, damit der Laden mit einer Kellnerin und mir an der Bar läuft. Ihr dürft natürlich auch mitmachen, aber es ist keine Pflicht.“
„Was macht denn Wolf?“
„Im Cafébetrieb backt er Torten und andere Köstlichkeiten und wenn das Restaurant losgeht, kellnere ich und er übernimmt die Bar. Was würdest du machen wollen?“
„Nicht kellnern, dass traue ich mir nicht zu. Aber ich würde gerne mal an der Bar mithelfen.“
„Ist gebongt. Ich zeige dir wie es geht. Kaffee, Bier, Wein und Cocktails, das lernst du schnell. Nur eine Bitte.“
„Ja?“
„Trag eine Mütze oder eine Perücke, wenn Gäste da sind. Das ist zwar mutig von euch, könnte aber viele verschrecken. Nur ein paar Monate versprochen.“
Das leuchtete ein, sie war sich selbst optisch nicht ganz geheuer.
„Ich glaube Amber macht sich gut als Kellnerin, die ist sehr geschickt und kann auch jonglieren.“
„Solange sie nicht mit beladenen Tellern jongliert können wir das gerne ausprobieren.“
„Darf ich mir ein Manga von dir ausleihen?“
„Klar, such dir ruhig eins in meinem Zimmer aus. Ich empfehle dir Tokyo Ghoul, das ist meine Lieblingsserie. Du kannst es dir bequem machen wo immer du magst, auch in meinem Sessel, nur nicht in meinem Bett.“
Er zwinkerte ihr zu und widmete sich wieder seine Lektüre. Erst jetzt sah sie, dass er einen ganzen Stapel Mangas neben sich liegen hatte. Nachdenklich ging sie wieder zurück. Von hier aus fielen ihr die Balkone auf, das war im Sommer bestimmt toll. Oben lief sie Tamara in die Arme.
„Hey Liebes, hast du eigentlich warme Sachen dabei, heute Abend wird es frisch draußen werden und ich möchte nicht, dass du dich erkältest.“
Siedend heiß viel ihr ein, dass das Zeug noch im Internat im Schrank lag. Sie hatte nicht mal einen dicken Pulli oder Wollsocken dabei.
„Ähm, ich fürchte nicht.“
„Oh nein, dann gib mir mal deine Größe und ich gucke ob ich was für dich im Keller was finde.“
„Meine Freundin hat dieselbe Kleidergröße.“
Sie sagte ihre Größe.
„Das ist echt praktisch. Dann geh ich mal suchen, ansonsten würden dir meine Sachen vermutlich auch passen. Und zur Not leiht dir dein Onkel was, auch wenn es bei dir zeltartig wäre. Und Pelz gebe ich dir nicht, wenn wir fettig essen, sorry.“
„Habt ihr einen Balkon, wo man gut lesen kann?“
„Wolf oben unterm Dach hat den besten Leseplatz, aber der ist gerade einkaufen. Ansonsten ist der Sessel in eurem Raum sehr schön. Am besten eingekuschelt in eine warme Decke mit einem Becher Kakao. Auf dem Sessel hab ich schon so manches Buch verschlungen.“
„Darf ich eine von deinen Duftkerzen im Bad verwenden?“
„Oh Gott, das sind Xens, ich bade nie. Dafür dusche ich gerne und lange. Frag ihn doch, er ist in der Küche und bereitet für später vor. Ich flitze jetzt erstmal nach unten und hole euch warme Sachen. Und in den nächsten Tagen gehen wir ein bisschen shoppen, hast du Lust? Ich zahle natürlich.“
Akira nickte eifrig, das klang echt gut und die Russin wirkte nett. Tamara schoss an ihr vorbei und sie machte sich zu Kaz Zimmer hin. Das war kleiner als ihrs aber gut vollgestopft und mit einem Hochbett. Darunter stand ein Lesesessel mit einem Hocker, auf dem Sessel saß ein großer Plüschwaran. Alle waren im Warane-Fieber – verrückt. Das Manga Regal war über zwei Meter breit und ging vom Boden bis zur Decke. Hunderte von Mangas standen nach Genre sortiert in den Regalen. An Tokyo Ghoul kam sie gerade noch heran. Sie nahm sich nach kurzer Überlegung die ersten zwei Bände heraus und sah sich um. Sie vermisste einen Schreibtisch oder einen Gaming PC, danach würde sie ihn fragen. Nachdem sie Tamara vorhin so angefahren hatte, ließ sie Kaz Schränke lieber zu, den wollte sie nämlich echt nicht wütend erleben. Generell kam es ihr vor, als würden hier alle in einem einzigen Schrank leben. Wenn auch einem recht geräumigen und bequemen.
   Mit den Mangas ging sie zurück in ihr Zimmer wo Amber in die Plüschdecke eingekuschelt tief und fest schlief, die war heute ja einfach mal nur am Schlafen. Sanft stupste sie ihre Freundin an, aber die murmelte nur etwas Undeutliches und schlief sorgenlos weiter. Sie schnappte sich ihre Fleece Decke und machte es sich auf dem Sessel bequem. Hier hatte man auch eine gute Sicht nach draußen, aber die Aussicht war nicht sehr spektakulär, nur die Straße und die Häuser gegenüber. Sie sah das Schild des arabischen Süßigkeiten-Ladens, da würde sie mal hin falls Kaz ihr Taschengeld geben sollte.
Sie hatte keine Uhr, aber kurz vor Ende des zweiten Mangas klopfte Jemand an die Tür.
„Xen macht gerade den Grill an und ich hab warme Sachen für euch besorgt.“
Akira schälte sich aus der Kuscheldecke und öffnete die Tür. Auf dem Boden lag ein großer Stapel mit dicken Sachen, den wuchtete sie aufs Bett und rüttelte an Ambers Schulter.
„Es ist aber so kuschlig, noch wenigstens fünf Minuten.“ Grummelte sie.
Akira zog zu der warmen Jogginghose, die sie trug, einen dicken Pullover und Wollsocken an, die Mütze stopfte sie in die Tasche. Erstaunt bemerkte sie, dass Tamara zwei paar Schlappen für sie beide neben den Stapel gelegt hatte. Sie zog ein Paar an und lief in Richtung Wohnzimmer.
Hier waren riesig lange Regale mit Filmen und Games. Ein Tisch mit sechs Stühlen auf der einen Seite und ein langes sehr bequem aussehendes Sofa auf der anderen Seite. Letzteres stand vor einem riesigen Fernseher und einem Sorround Soundsystem und ganz vielen Spielkonsolen. Aber sie sah auch eine Deckenmontierte Leinwand und einen fetten Beamer. Sie öffnete die Balkontür und hier draußen waren noch ein Tisch und ein paar Blumentöpfe mit Pflanzen, die sie nicht kannte.
   Von hier oben sah sie wie der dicke Man am Grill hantierte und Luft zufächelte. Der Tisch war schon reich gedeckt und Kaz las immer noch Mangas – fauler Sack. Akira ging zurück und versuchte Amber zu wecken.
   Mühsam rappelte sich ihre Freundin hoch und ging mit ein paar Sachen ins Bad. In der Küche studierte Akira eine Teepackung, mit „Wachmacher“ Tee, den wahrscheinlich Wolf zusammen gemixt hatte, jedenfalls trug es das gleiche Logo wie die Sachen im Hofladen.
   Sie setzte Wasser auf und machte Amber einen schönen Tee. Der roch würzig und angenehm.
Den würde sie runternehmen. Vielleicht hätte ich den Becher nicht so voll machen sollen, dachte sie sich auf dem Weg nach unten. Auf der Dachterrasse stellte sie den Becher ab und sah sich um. Wolf kam gerade aus dem Haus und nahm etwas aus einem quadratischen Schacht, der bis hoch zum Dach reichte, wahrscheinlich ein Aufzug oder so. Tamara kam mit einem Stapel Decken unterm Arm hinter Wolf aus der Tür, sie schien ihr fast etwas überfürsorglich.
   Jetzt fiel ihr mit Schrecken etwas auf. Auf der Tafel hinter ihr waren die Geschenke aufgebaut, die sie gestern nicht mehr auspacken konnte, oh nein, darauf freute sie sich gar nicht so richtig.
   Wolf stellte eine lecker aussehende Torte auf das Buffet und setzte sich an den Tisch. Tamara legte die Decken in eine Ecke und kniff Xen in den Po, der am Grill hantierte. Er gab ihr einen Kuss auf den Mund. Die beiden waren wohl ein Paar.
   Kaz schob ein Lesezeichen in den Manga Band den er gerade las und erhob sich aus dem Liegestuhl.  
„Nanu, wo ist denn Amber hin.“
„Die war ganz schläfrig und ist erstmal ins Bad. Ich hab ihr einen Becher Tee gebrüht, der macht sie hoffentlich wach.“
„Der Wachmacher? Der kickt ordentlich, da ist scheißviel Koffein drin.“
„Aber ganz natürlich, mit Kolanüssen gemacht, die wir importieren. Wir haben übrigens auch Wachmacher Limo mit verschiedenen Geschmacksrichtungen im Kühlfach. Wir haben, Zitrone Limette, Orange, Kirsche, Holunder und Pur. Darfst dir was aussuchen. Die Limo füllen wir hier selber ab, aber wir haben keinen sehr hohen Output.“
„Ich würde gerne Orange und Pur probieren, dann hab ich den Vergleich.“
„Schlaues Mädchen, kommt sofort.“
Wolf stellte kurz darauf zwei 0,33l Glasflaschen mit toll designten Etiketten vor ihr auf den Tisch und Kaz, der neben ihr saß reichte ihr einen Flaschenöffner. Sie probierte zuerst Pur, der Koffeinkick kam zwar praktisch sofort, aber es war ziemlich herb, und nur marginal süßlich. Sie verzog das Gesicht.
Wolf und Kaz lachten und sie reichte die Flasche an Kaz weiter, Wolf nahm sich den Teebecher und stellte Amber auch eine fruchtige Limo auf den Platz.
   Orange war auch etwas herb, aber lecker fruchtig und süß genug um sie zu überzeugen.
„Orange ist echt gut.“
„Weißt du, Pur ist für die, die auch ihren Kaffee pur und ohne Zucker oder Milch trinken. An den Limos haben wir jahrelang probiert, bis wir die richtigen Grundmischungen hatten.
   Wir haben einen Deal mit NOX, wenn die Limos im Lokal gut ankommen, werden die im größeren Maßstab produziert und in NOX regionales Sortiment mit aufgenommen, von den Einnahmen bekommen wir dann ein nettes kleines Sümmchen. Dasselbe gilt für unsere restlichen Produkte. Wir haben einen guten Draht zu NOX, daher geht das so gut. Aber wir hoffen, dass das Café und das Restaurant gut laufen.“
„Das wird gut laufen, bei dem Marketing, das wir betrieben haben. Außerdem haben wir erstklassige Köche. Und es wäre cool wenn eine von euch mit kellnert oder die Bar übernimmt.“
„Was für Marketing habt ihr denn gemacht.“
„Unser Grafiker hat Marketingmaterial designt und wir haben Trailer mit den Speisen gedreht. Xen kocht nicht nur erstklassig, sondern richtet es richtig toll an. Tammy hat die Trailer aufgenommen und das Videomaterial professionell geschnitten, die gute hat echt Talent dafür.“
„Und wenn das nicht läuft, konzentrieren wir uns auf die Veranstaltungen. Kleinkünstler und so. Und wenn das gar nicht läuft züchten wir wieder Pflanzen und Viehzeug im Glaskasten, nur bitte keinen Weißkohl. Ich hab letztens mal unsere Vorräte gesichtet und wir haben dermaßen viel selbstgemachtes Sauerkraut, dass ich bang hoffe, dass es Abnehmer findet, allein bekommen wir das nie weg.“
„Wann geht es nochmal los?“
„Anfang Juni, wir müssen uns noch ein bisschen vorbeireiten und wir werden auch nicht rund um die Uhr offen haben. Unser Plan ist erstmal, das Café über das Wochenende von Freitag bis Montag laufen zu lassen und Samstag und Sonntag warme Küche anzubieten. Wir müssen erstmal gucken welcher Ansturm da ist und lernen, im Team gut zu funktionieren, wir sind ja nur zwei Kellner und der alten Sack an der Bar. Außer ihr zwei wollt mitmachen.“
„Hab ich was verpasst?“
Amber war aufgetaucht und tappte müde auf die Terrasse und setzte sich gegenüber von Akira auf die Bank, auch sie war schon dick eingepackt.
„Amber vor dir steht eine Flasche unserer Wachmacher Limo, die tut dir gut, wenn du so müde bist.“
Ihre Freundin öffnete fahrig die Flasche und trank die halbleer. Aber sie wirkte danach wesentlich wacher und nicht wie eine Schlaftablette.
„Wir haben Akira angeboten, im Restaurant zu helfen, du darfst natürlich auch mitmachen.“
„Darf ich Kellnern helfen?“
„Darfst du und wie steht es mit dir Akira?“
„Bar wäre mir am liebsten, Kellnern ist mir zu Heikel.“
„Wunderbar, dann nähe ich euch ein Outfit und mach euch schick, wenn es so weit ist.“
„Ich habe mit Akira vorhin besprochen, dass es vielleicht am besten wäre, wenn die beiden Mützen oder Perücken tragen, um die Kunden nicht zu verschrecken. Glatzen bei Mädchen ist kein alltäglicher Anblick.“
„Und ich dachte du bist liberal. Bis wir öffnen haben sie ja wieder ein bisschen was auf dem Kopf und den Rest spreche ich mit den Mädchen ab du alter Dinosaurier.“
„Der Saurier sitzt hier, du Nase.“ Brummte Wolf.
„Ich hab Earl oben vergessen. Und ich muss Rose nachher noch füttern, sonst ist sie wieder so unglücklich.“
„Warum habt ihr einen Waran im Garten?“
„Weil Wolf Warane über alles liebt und wir keinen Kaiserwaran halten dürfen. Rose ist aber sehr lieb, die tut euch nichts, auch wenn sie nicht die kleinste ist. Und ihr müsst sie auch nicht füttern.“
„Das ist beruhigend, ich mag Echsen nicht so sehr.“
Kaz und Wolf lachten.
„Wer hat denn schon mal Lust auf ein schönes Stück Fleisch?“
Alle meldeten sich.
„So viel hab ich nicht, dann erstmal unsere neuen WG Mitbewohner, Haltet mal eure Teller hoch.“
Das Fleisch roch so gut, dass ihr sofort das Wasser im Munde zusammen lief.
„Hier ist übrigens Blattsalat, dort Kartoffelsalat und für die Würstchen-Esser haben wir einen großen Topf mit warmen Sauerkraut, ach ja wir haben noch ein leckeres gefülltes Baguette dort hinten bei Wolf, da müsst ihr aber schnell sein, wenn ihr noch was abhaben wollt.“
Wie gut, dass sie kein Mittagessen hatte. Nacheinander schaufelte sie leckerstes Fleisch und Bratwürstchen plus Beilagen in sich hinein. Satt und zufrieden saß sie auf der Bank und sah den anderen zu.
„Ich denke wir schaufeln Xens Teller nochmal richtig voll und räumen schon mal ab. Dann darfst du Geschenke auspacken und wenn noch etwas reinpasst, gibt es danach noch einen Kakao und ein Stück Torte. Gewöhnt euch an Torte, Wolf ist ein Workaholic in der Küche.“
„Wenigstens kann ich meine Arbeit anschließend mit anderen teilen!“
„Das ist ein Argument, aber wir werden alle fett.“
„Dann müsst ihr härter trainieren.“
Sie halfen mit beim Abräumen, während Xen weiter schlemmte. Alles erst die Treppe runter und dann bis in den zweiten Stock, aber zu fünft ging es recht schnell. Tamara versorgte die Vorräte und sie Mädchen gingen wieder zurück. Xen aß immer noch, aber nur noch die letzten Reste, dann räumte er seinen Teller weg. Kaz wischte den Tisch ab und sie und Amber setzten sich wieder hin.
Nach einer Weile waren auch wieder alle da.
„So, ich denke wir fangen mit den schlimmen Sachen an, bevor die guten Sachen kommen. Das hier zum Beispiel.“
Er setzte ein kleines Päckchen vor sie hin, im Inneren war eine Damen Uhr in weiß und rot. Nicht gerade ihre Lieblingsfarben.
„Tja, das war daneben, aber das sind Sammys Lieblingsfarben. Die kannst du ihr zum Geburtstag schenken.“
Danach folgten ekliges Parfum und Schmuck am laufenden Meter, das war schrecklich.
„Wie Johnny doch jedes Mal ins Klo greift, wenn er seine Tochter eine Freude zu machen versucht. Wo ist denn das Geschenk von diesem Araber?“
„Hab ich schon ausgepackt, Das und die von dir und Wolf sind oben in meiner Tasche.“
„Was war denn drin?“
„Es war eine Buchattrappe mit Baklava innen drinnen. Und einer URL zu einer Webseite mit einem Auftritt als Standup Comedian.“
„Hm, typisch Sahid.“
Ihre Augen wurden groß und sie starrte ihren Onkel an, sie hatte gar nicht gesagt, dass er Sahid hieß.
„Was denn? Oh, damn it, da geht der Überraschungsmoment dahin. Tja, Sahid ist unser Grafiker und ist nach seinem Bachelor of Arts am BIT zu uns gezogen. Er bleibt am liebsten für sich. Momentan ist er bei seinen Eltern in Berlin, kommt aber morgen wieder her. Er hilft im Juni Kellnern.“
Sie schluckte, den Araber fand sie attraktiv, auch wenn sie doch mehr auf Amber stand.
„Seine Eltern sind recht streng und halten nicht so viel von ihm, nicht nur bei den Solomons gibt es schwarze Schafe. Wir haben unter dem Hof da hinten einen großen alten Keller, mit einem tollen Gewölbe, wo ab und zu kleine Veranstaltungen stattfinden – da wurde sein Auftritt aufgenommen. Er will nicht, dass seine Eltern irgendwas mitbekommen. Verständlich oder? Jetzt bist du zumindest eingeweiht.
   Und er ist schwul, das ist nicht sehr vorteilhaft wenn man Muslim ist. Wenigstens wohnt er hier in Deutschland und nicht im Iran.“
„Musst du seine ganze Lebensgeschichte ausplaudern du Trottel?“
„Sie wohnen doch jetzt hier, also warum das Versteckspiel?“
„Wir haben versprochen ihn zu schützen, das machst du nicht gerade.“
„Moment, ihr schützt ihn?“
„Ja, Potsdam und Berlin sind ein heißeres Pflaster als das Loch, wo dieses blöde Familien Schloss steht. Freidenkende Muslime mit einem sehr frechen Mundwerk sind hier nicht so gerne gesehen. Deshalb wohnt er auch in dieser Festung und geht selten raus. Er ist offiziell als Grafiker eingestellt, das gibt nicht viel, aber er zahlt keine Miete und wir kaufen für ihn ein. Er verlässt eigentlich nie das Grundstück. Hier in diesem Teil von Potsdam ist es ziemlich ruhig, aber es gibt andere Orte wo es echt hart zur Sache geht und die angeblich liberalen Harpyien alles anfallen, was provoziert.
Und hier hast du natürlich nur noch reiche Wichser, die sich einbilden, die Welt dreht sich um sie. Bezahlbare Mieten suchst du hier schon seit Jahrzehnten sehr vergeblich. Und selbst die WG Zimmer gibt es definitiv nicht umsonst. Und wir haben ja hier viel Platz zum Austoben und er ist ein sehr eifriger Helfer im Garten und im Workshop. Aber wir wohnen ja nicht seit gestern hier und es gibt immer Stunk mit Leuten, die uns hier nicht haben wollen, wir vier wohnen hier ja schon seit fast zwanzig Jahren. Und es gibt engstirnige Leute mit einem festen Weltbild, in das wir nicht passen. Die beschmieren die Hauswände und die Tore, die müssen wir viel zu oft waschen oder übermalen. Das ist echt doof. Schimpfen sich Liberal und machen dann so viel Terror. Deshalb sind die Fenster im Erdgeschoss und in der ersten und zweiten Etage auch vergittert, damit die keiner einschmeißt. Das Leben hier ist nicht ganz einfach, aber um das ganze Gelände zieht sich eine hohe Mauer. Also wenn ihr jemanden schwarzvermummten im Garten seht, der zu randalieren versucht, ruft uns sofort und haut ihm auf die Glocke. Die sind oft ganz schon dreist, deshalb ist hier das meiste auch verschlossen, auch wenn wir das nicht so wollen. Und verlass dich nicht auf die Polizei, viele von denen sind korrupt.“
Oje, auf was hatten sie sich denn hier eingelassen?
„Keine Sorge, die meiste Zeit ist es hier sicher. Aber passt nach Einbruch der Dämmerung auf euch auf!“
Sie wechselte ängstliche Blicke mit Amber. Das war aber nicht so toll.
„Warum habt ihr uns davon nichts gesagt?“
„Währt ihr sonst freiwillig hergekommen? Ihr könnt gerne wieder zurück oder fragen ob ihr Sammy besuchen könnt. Oder ihr könnt euch fragen, wann ihr aus eurem behüteten Leben aufwachen und etwas dagegen tun wollt! Wir werden den Kampf gegen die radikalen linken Spinner definitiv nicht aufgeben!“
„Willst du noch mehr Geschenke aufmachen Liebes?“
Sie nickte eifrig und Tamara legte den grünen Umschlag vor sie hin. Von Frank und Ben und ein zweihundert Euro Gutschein für NOX.
„Sei vorsichtig, wenn du nicht aufpasst sind die bei den NOX Preisen schnell weg. Und ruf Ben und Frank am besten an, um dich für das Geschenk zu bedanken.“
Dann kam das bunte Paket von Sammy. Es enthielt ihre Lieblings Action Filme als Steel Books, das waren ganz schön viele.
„Weißt du Sammy weiß immer, was man dir schenken kann, Johnny hat das noch nie gewusst. Deshalb hat er dieses Mal um Hilfe gebeten und wir haben ihm ganz schön was aus der Tasche geleiert.“
Kaz stellte das große Päckchen mit der Schleife vor die Nase. Ängstlich öffnete sie die Verpackung und fand drei kleine Schachteln im Karton vor. Ihre Kinnlade fiel beim Prism 12 herunter, das beste Highend Smartphone das man für Geld kaufen konnte. Der beste Prozessor, der bei Horizon in Brandenburg gefertigt wurde, das beste Display, die beste Kamera und der beste Akku. Stoß und Fallsicher mit ultrahartem selbstheilenden Glas und Wasserdicht bis vier Meter. Kostete ja auch nur dreitausend Euro. Total abgefahren. Dazu kam ein tolles Ohrumschließendes Wireless Headset, was sich sehr wertig und nicht zu schwer anfühlte und mit das man auch über Kabel anschließen konnte. Und dann die letzte Kiste, die eine Brille mit VR Aufsatz und Handschuhe enthielt, Ideal für Virtual und Augmented Reality.
   Sie sah auf und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Kaz neben ihr nahm sie in den Arm und Tamara strich ihr sanft über den Rücken.
„Jetzt seid ihr bei uns, jetzt seid ihr in Sicherheit. Keiner will euch an ein reiches Arschloch verheiraten oder missachtet euch wenn ihr mutig seid. Wir sind jetzt eine Familie!“
„Darf ich dich dann Papa nennen?“
„Ihr dürft mich beide Papa nennen, wenn ihr das wollt.“
Kaz stand auf, ging um den Tisch herum und umarmte Amber, die sich schniefend an ihn schmiegte.
„Und jetzt machen wir euch beiden einen schönen Kakao und uns Kaffee und dann gibt es lecker Torte.“
Eine Viertelstunde später aßen sie eine sehr leckere Schwarzwälder Kirschtorte und schlürften Kakao.
   So hätte ihr Geburtstag sein müssen, nicht dieser unnötige Trubel mit der großen Feier und den ganzen Menschen, die sie nicht kennenlernen wollte.
   Danach trugen sie den Stapel mit den Geschenken nach oben. Sie passte Xen ab, als der in der Küche fuhrwerkte.
„Du, die Badezusätze und Duftkerzen …“
„… darfst du gerne benutzen, ich komme nicht so oft zum Baden. Bedien dich ruhig. Und wir haben im Bad eine eingebaute Soundanlage mit Bluetooth Verbindung“
„Danke sehr. Das Fleisch war übrigens echt gut!“
„Nichts zu danken.“
Mehr aus Faulheit schnappte sie ihr altes Handy und das große Badetuch und eilte damit ins Bad. Sie ließ sich eine wunderbar heiße Badewanne ein und legte epische Musik auf, darauf hatte sie gerade echt Lust. In der überlangen Wanne machte sie sich lang und entspannte bei Kerzenschein und Musik. Eine gute Stunde später trocknete sie sich ab und ging in ihr Zimmer. Amber lag auf dem Bett und guckte etwas mit Kopfhörern auf ihrem Smartphone.
„Wasser ist noch warm wenn du Lust hast“ sagte sie laut.
„Das ist bestimmt ganz dreckig. Ne keine Lust.“
„Ok ich gehe ins Bett.“
„Ich nicht.“
„Ich schlafe aber neben dir, rück mal ein Stück du liegst schräg.“
„Nö. Kein Bock mich zu bewegen, ich liege hier gerade so schön.“
Beleidigt, zog sie sich Slip und T-Shirt an und ging ins Wohnzimmer. Tamara saß dick eingemummelt auf dem Balkon und rauchte eine Zigarette. Trug sie Pelz? Sah irgendwie so aus. Kaz saß am Tisch und guckte sich ein paar Karten an und Xen futterte ein Stück Torte.
„Hey Akira, auf was hast du heute noch Lust?“
„Weiß nicht, Amber ist gerade doof und lässt mich nicht pennen. Und ich glaube ich habe zu viel Wachmacher Limo getrunken.“
„Wir auch plus Kaffee satt, ich glaube wir machen heute noch einen langen Spieleabend. Xen hat Tammys Plan der Weltherrschaft vereitelt und sie ist beleidigt. Wir spielen die Siedler von Catan mit Erweiterung und Xen und ich haben sie eingebaut. Setz dich doch zu uns und nimm dir Torte in der Küche, die muss weg. Die Chance ist sehr hoch, das Wolf gerade wieder backt und er will die beiden Tage nichts tun kompensieren. Du musst wissen Wolf ist ein Workaholic der jeden Tag nur vier Stunden schläft und nur am Machen und am Tun ist. Wir sind zwar auch nicht faul, aber wir genießen jede Minute unserer Freizeit.“
Tamara kam wieder rein und warf den plüschigen Pelzmantel (hoffentlich Kunstpelz) über eine Stuhllehne. Sie trug fast nichts, deshalb wahrscheinlich auch der dicke Mantel – draußen war es bestimmt kühl geworden. Xen schob ihr eine Schachtel mit Pfefferminzpastillen zu.
„Ihr beiden seid doch super gemein, wenn du Sack noch einen Räuber auf meine sechs setzt, habt ihr ein Problem. Kaz du bist dran.“
„Und ich spiele einen Ritter und setze den Ritter auf deine Sechs und darf jetzt eine Karte von dir ziehen.“
„Oh, nein. Du hast Arsch hast mein letztes Erz gezogen und diesen doofen Räuber auf meine Erzader gesetzt. Xen ich wehe dir.“
„Ich spiele auch einen Räuber, stelle den Räuber auf die zehn neben dir und wünsche mir eine Karte von dir.“
„Manno, so macht das keinen Spaß mehr, wie soll ich denn da noch gewinnen. Und ich würfle ne zehn ihr seid doch Arschgeigen. Ich kann nicht, Kaz bist dran.“
„Ich spiele einen Ritter und setze den Räuber wieder auf deine Sechs. Damit bekomme ich die größte Rittermacht. Danke für das Korn, damit baue ich meine Stadt und habe gewonnen. Ätsch.“
Gebannt hatte Akira das Treiben beobachtet. Das waren ja richtige Schlammschlachten. Tamara stürmte wieder raus auf den Balkon und die Männer räumten lachend das Spiel ab.
„Warte ich zeig dir wo in der Küche der Kakao ist. Xen bau mal Dominion auf, wir spielen zu viert und das kennt Akira auch.“
„Siedler kenn ich aber auch.“
„Ja, aber Tammy dreht am Rad, wenn wir das nochmal spielen. Am Sonntag war Spieleabend und sie hat jede Runde Siedler vernichtend verloren, da hat sie echt kein Glück. Dafür macht sie uns jedes Mal bei Agricola platt, egal wie viel wir üben. Der Kakao ist hier. Du hast die Wahl zwischen echtem Kakao, Kaba Pulver, NOX und Zotter Trinkschokolade.“
„Habt ihr Indian Chai oder Honig Zimt von Zotter?“
„Gute Wahl, zur recht süßen Torte vielleicht ein Indian Chai, warte ich mach dir einen. Obwohl, wir bieten die im Café an, da ist es gut wenn du weißt wie es geht. Ich mache den Kakao am liebsten schon im Milchtopf fertig, aber vielleicht wollen die Gäste sich den Kakao selbst anrühren. Wir sind noch am überlegen. Und wir verwenden diese tollen Doppelwandigen Gläser. Am besten mit dem Glas die Milch abmessen und in den Topf damit, Und dann den Riegel verrühren, bis sich alles restlos aufgelöst hat.“
Sie folgte seinen Anweisungen und schüttete den fertigen Kakao in das Glas. Dann spülte sie sofort den Topf aus und legte ihn auf ein Abtropfgitter.
„Sehr gut gemacht. An der Bar haben wir ein Gerät zum Kochen von Milch, da haben wir natürlich keinen Herd. Aber eine Kuchen- und Eistheke, Die Ausgabe von Kuchen und Eis ist dann auch deiner und mein Job. Aber das bekommen wir hin, wir waren am überlegen, erstmal nur das Café zu starten und die Küche nach und nach ran zu koppeln.“
Im Wohnzimmer setzte sie sich mit an Tisch und sah Xen zu wie er das Deck an kaufbaren Karten aufbaute, die Konfiguration kannte sie nicht und acht Stapel waren zu viel und es waren viel mehr Karten pro Stapel als sie gewohnt war. Verwundert stellte sie einen Stapel mit Platin fest, was fünf wert war und zehn kostete. Drachen, was zum Teufel, das ist aber was ganz merkwürdiges.
„Wir spielen mit mehr Stacks und haben die Karten mehrerer Editionen zusammengelegt. Das ist eines unser über die Jahre entwickelten Spezialdecks, wir nennen es Schlammschlacht No1.
Ein paar Karten haben wir uns selbst ausgedacht und designt, einige sind richtig eklig. Und vom Grundspiel ist nicht mehr so viel übrig. Du kannst Karten verstärken und abschwächen und du kannst Leben bei einem Angriff verlieren. Das No1 ist gut gebalanced. Die höheren Decks gehen gut ab und bieten Stoff für absolut zerstörende Kombinationen. Aber wir spielen erstmal ein paar Runden um warm zu werden. Wir drei hatten die Idee, Brettspiele im Café anzubieten und Spieleabende zu machen. Aber unser Spezial Dominion ist nichts für schwache Nerven. Und die jüngste fängt an.
Du hast drei Leben und zehn Karten.“
Nach zwanzig Minuten stand sie auf um sich noch ein Stück Torte zu holen. Die drei hatten sie richtig nassgemacht und regelrecht blamiert. Eigentlich war sie in dem Spiel echt gut, aber mit diesen komischen neuen Karten und wirklich gemeinen Kombinationen war schnell Schicht im Schacht gewesen. Mit leichtem Entsetzen starrte sie auf Wolf der gerade eine Torte auf den Küchentisch abstellte.
„So, Pfirsich und Quark mit einem fluffig weichen Boden. Heute Abend mache ich noch ein paar.“
Und sie dachte nach den letzten beiden Stücken Schwarzwälder Kirsch war erstmal Schluss.
„In der großen Blechdose da auf der Anrichte sind verzierte Butterplätzchen und in der Dose daneben Baisse. Oben ist noch mehr. Schön das ihr da seid, dann kann ich noch mehr ausprobieren. Die vier kommen gar nicht mehr hinterher. Und immer schön viel bewegen und Sport machen!“
Und er verschwand wieder. Andächtig schob sie sich ein Stück von der neuen Torte auf den Teller und stöberte in den Keksdosen und lud ein paar auf einen anderen Teller. Beides transportierte sie wacklig ins Wohnzimmer, sie würde definitiv nicht kellnern.
„Mein Drache grillt deine Verteidigung und du verlierst ein Leben.“
„Und ich spiele zwei Drachen und du bist Toast, gewonnen.“
„Och nö, nächste Runde hätte ich den Wasserspeier gezogen, der Kontert deinen Drachen.“
„Nächste Runde spielen wir ohne Drache. Ihr schummelt doch, das ihr euch eine 12er Karte leisten könnt.“
„Wir setzen eben auf Gold und Platin satt, nicht auf poplige Punkte die unsere Decks verstopfen.“
„Ich will ja auch fair gewinnen. Nächste Runde spielen wir mit fünf Leben.“
„Und mit schwarzen Drachen?“
„Nein ganz ohne Drachen, wir wollen Akira nicht verschrecken. Ihr habt sie ja überrollt.“
„Ok, fünf Punkte ohne Drachen“
„NEIN!“
„Was denn? Du bist ja ganz bleich!“
„Wolf hat wieder gebacken!“
„Nicht ernsthaft.“
„Pfirsich-Quark Torte und Kekse. Irgendwann bringe ich ihn um.“
Akira machte ein unschuldiges Gesicht und setzte sich an den Tisch.
„Akira, wie du diese Runde festgestellt hast spielen die beiden auf einen unfairen Sieg durch gegenseitiges Angreifen hinaus. Nächste Runde spielen wir einsteigerfreundlicher.“
Sie nickte und nahm einen Bissen von der Torte, die war einfach köstlich.
In der zweiten Runde hielt sie bis zum Ende durch, war aber trotzdem letzte. Sie seufzte schwer als sie die dritte Runde vorbereiteten. Nach der vierten Runde musste sie aufs Klo. Sie war immer noch nicht Müde. Blöde Limo. In der Küche stand diesmal noch eine Torte, diesmal mit viel Schoko. Sie würde noch echt fett werden. Alle paar Stunden eine neue Torte.
„Wie viele Torten backt Wolf eigentlich?“
„Der hat da oben so einen Monsterherd der so viel gekostet hat wie einer der dicken Defender da unten im Hof. Und damit kann er parallel Kuchen, Plätzchen backen und auch noch kochen. Eigentlich fährt er erst nach dem Abendessen die Geschütze hoch und geht dann so ins Bett, dass er früh genug auf ist um die Pflanzen zu gießen bevor die Sonne aufgeht. Heißt, dass er mehr backt wenn Regenwetter ist. Und wir hatten zwar Glück mit dem Grillen, aber als wir alles abgeräumt haben hat es wieder angefangen zu regnen. Also wird dieser wahnsinnige noch ein zwei weitere Torten backen. Es gibt also Torte zum Frühstück. Der da wird bestimmt wieder um fünf trainieren wie blöde und zwischen sechs und sieben gibt es Frühstück. Noch eine Sache. Nie mehr als eine Wachmacher Limo am Abend trinken. Und einen von Wolfs Schlaf Tees trinken, wenn du ins Bett musst aber nicht schlafen kannst. Heute ist das ok, weil ihr erst frisch angekommen seid. Ok Jungs, eine Runde noch und ich geh ins Bett.“
Bei Torte und Plätzchen spielten sie die finale Runde und Akira schaffte es mit einem Punkt Vorsprung nicht letzte zu werden. Kaz schummelte bestimmt, denn er gewann immer.
Tamara ging mit Pelz auf den Balkon um eine zu rauchen. Akira räumte ab und stellte das dreckige Geschirr in die Spülmaschine, Die anderen räumten das Spiel ab. Sie sah auf ihre Uhr und es war drei Uhr Morgens und sie war immer noch nicht müde, so ein Mist.
„Und nun? Ich mach heute durch und schlafe nachmittags. Hat wer Lust auf Mario Kart?“
„Ihr spielt Mario Kart?“ Tamara steckte den Kopf durch die Tür.
„Ein Spiel wo ich nicht andauernd nur verliere? Ich bin dabei.“
„Darf ich auch mitspielen?“
„Aber klar Akira komm setz dich aufs Sofa, da passen wir zu viert rauf … und das obwohl Xen so fett ist.“
„Fick dich doch Kaz. Nicht jeder hat einen so geilen Stoffwechsel wie du!“
„Im Gegensatz zu dir mache ich Sport, schon mal daran gedacht?“
Xen setzte sich schmollend aufs Sofa. Die Leinwand fuhr automatisch herunter und der Beamer sprang an. Kaz verteilte die Controller. Tamara drückte sie fest und setzte sich neben sie hin.
Sie spielten wie besessen, stundenlang. Um sieben klopfte jemand an der Tür.
Das Spiel wurde pausiert und Wolf öffnete die Tür.
„Hey ihr vier. Ist das nicht unfair wie ihr Amber ausschließt? Sie ist gerade unter der Dusche und würde sich bestimmt über etwas Herzhaftes zu essen freuen. Herr Koch sie sind gefragt. Und lasst die kleine Mitspielen!“
Xen erhob sich grummelnd und Tamara guckte sehr verlegen. Amber war vorhin so doof zu ihr, sollte sie doch schmollen. Auf der anderen Seite stimmte es schon, dass es Unfair war.
   In den Schränken suchte sie nach Tellern und Besteck und deckte den Wohnzimmertisch für fünf Personen. Xen sagte ihr, was gedeckt werden sollte und nach und nach trug sie Schüsseln mit Rühreiern und Speck und den Resten vom Grillen gestern. Also eine Platte Bratwürstchen und den Kartoffelsalat und Sauerkraut. Und Torte, oh nein. Amber kniff ihr in den Po und setze sich an den Tisch, sie setzte sich neben ihre Freundin.
„Ich mag das Frühstück am meisten, wenn wir am Vortag gegrillt haben.“
„Na dann, haut rein, das Zeug muss weg.“
Sie schlemmten mit Genuss und schafften tatsächlich alles leer zu bekommen.
„Heute kommt Sahid. Tammy hol du ihn vom Bahnhof ab und Akira begleitet dich.“
„Warum ich?“
„Damit du das irgendwann auch machst. Du holst ASAP deinen Führerschein nach, ihr beide. In der Nähe ist eine Schule, da schicken wir euch hin. Jetzt habt ihr Zeit und wir finanzieren euch das.“
„Warum denn.“
„Damit seid ihr unabhängiger und für uns mehr von Nutzen. Frag nicht so viel.“
Verstimmt sah Akira auf ihren leeren Teller. Das mochte sie gar nicht so herumkommandiert zu werden.
„Hey, sei nicht so grob, das war eine legitime Frage. Wisst ihr, ihr seid nicht gezwungen das zu machen, aber ihr uns viel besser helfen Personen und Waren zu transportieren. Dann könntest du Sahid das nächste Mal selbst abholen. Das würde uns ein bisschen entlasten weißt du?“
Das leuchtete ihr schon eher ein.
„Ok ich mach‘s.“
„Wunderbar. Ich melde euch an. Sahid hat mir geschrieben, dass er um neun ankommt. Also geh mal duschen und zieh dir ein paar Sachen an, ich leg dir was raus.“
Tamara hatte etwas Mütterliches, was Akira irgendwie total toll fand. Amber half abräumen während sie in die Dusche stieg.
   In ein Handtuch eingewickelt sah sie den frischen Stapel auf der Waschmaschine. Die Sachen passten gut und waren bequem. Gegen die Mütze sträubte sie sich etwas, setzte sie dann trotzdem auf ihren kahlen Schädel. Tamara wartete schon auf sie, die schwarzen Haare zu einem Zopf geflochten. Ein bisschen beneidete sie die Frau um ihre langen schönen Haare schon etwas.
„Jetzt noch Schuhe an und wir können los.“
Tamara stieg auf der Fahrerseite ein und Akira auf der Beifahrerseite. Der mächtige Motor sprang an und sie fuhren aus dem Hof. Aber das Tor war noch zu. Und jetzt?
Sie riss die Augen auf, als das Tor zügig im Boden verschwand.
„Wir haben noch ein Fallgitter auf der Innenseite. Das Tor hat auch ne Tür, deshalb fährt das wieder hoch und arretiert wenn wir weg sind. Das haben sich Xen und Kaz ausgedacht und gebaut. Und jetzt los. Den Weg musst du dir nicht unbedingt merken, das kommt alles mit der Zeit und Sahid geht fast nie raus.“
Der schwere Geländewagen schoss die Straße entlang zur Hauptstraße und dann nach rechts zur großen Kreuzung und dann die Straße Richtung Norden. Sie fuhren gefühlt ewig durch einen Wald, aber denn fuhren sie unter einer Eisenbahnüberführung durch, welche die Straße schräg schnitt.
„Dein Vater hat eine Menge Einfluss, er hat den Bau dieses Bahnhofs finanziert und mit viel Geld und anderen Druckmitteln dafür gesorgt, dass Potsdam wieder eine ICE Anbindung bekommt, mit der Strecke die über Solomon Central zum Hauptbahnhof Berlin führt. Und der Hauptbahnhof Potsdam wurde auch wieder angebunden und kräftig modernisiert. Finanziert von Horizon natürlich. Ein paar der guten Dinge, die er veranlasst hat. Einen kompletten Wald zu fällen um dieses dämliche Horizon Gelände zu bauen, war weniger gut finde ich. Ich fürchte Horizon ist mittlerweile too big to fail und das macht mir eine Menge Angst. Deine Tante hin oder her. Hat sie nicht die Garde gegründet?“
„Und die Schwesternschaft und die Bruderschaft. Ziemlich krank … und cool.“
„Tja wer findet diese Ritter in ihren Rüstungen und der Bewaffnung denn nicht cool. Und wir sind gleich da. Die haben den Bahnhof so weit draußen außerhalb der Stadt gebaut, weil das auch ein Knotenpunkt für HRZN Travel mit ihrer Orca Luftflotte ist. Und die sind ziemlich laut. Ich frag mich wie die das in Berlin Solomon durchgesetzt bekommen haben. Solomon Central ist mitten in der Stadt und der größte Flughafen für VTOL Flugzeuge in Berlin. Das muss doch eine irre Lärmbelastung sein. Warst du da schon mal?“
„Ein paar Mal, aber nur zum Umsteigen. Wir sind immer mit einem Beluga erste Klasse in irgendein belangloses fünf-Sterne Resort geflogen. Entweder das oder mi dem Privat-Orca meines Vaters. Total überzogen und doof. Als hätten wir nicht wie normale Menschen reisen können.“
„Weißt du seit es Horizon gibt, werden überall in Deutschland Grundstücke und Wälder in günstiger Lage aufgekauft und Cargo Terminals und HRZN Flughäfen gebaut. Das ist mittlerweile echt schlimm und breitet sich in Europa aus. Und der komplette Logistik Verkehr läuft fast nur noch über Dronen. Und Millionen von LKW Fahrern sind arbeitslos, weil autonome LKWs den Job besser und unfallfreier machen. Von Arbeitslosen Lieferwagenfahrern und Postboten gar nicht erst zu sprechen. Automatisierung hat nicht nur schöne Seiten.“
Tamara bog auf den großen Parkplatz mit Parkhaus ein und suchte einen Stellplatz, dann stiegen sie aus. Tamara hielt ihr ein Mundtuch und eine Sonnenbrille hin.
„Horizon verwendet Überwachungssysteme mit Gesichtserkennung. Vielleicht besser ist es besser Anonym zu bleiben. Für den Fall der Fälle.“
Maskiert betraten sie die Abfahrtshalle und Tamara warf einen Blick auf die Tafel der Züge und Flieger. Der Orca mit Sahid würde an Gate vier ankommen. Zügig führte die Russin sie durch den Bahnhof. Oder Flughafen? Oder einfach beides. Das Ding war echt groß. Ein Zwerg gegenüber Berlin Solomon Central, aber doch einer Hauptstadt würdig, wenn auch ein bisschen am Arsch der Welt.
Sie warteten in der Empfangshalle von Gate vier mit ein paar anderen Menschen. Pünktlich um neun landete der Orca von HRZN Travel. Ein Flugzeug mit zwei mächtigen Turbo Prob Triebwerken an den Flügeln. Die Heckklappe öffnete sich und Menschen strömten heraus. Eine Gestalt mit einem schweren Seesack kam unauffällig auf sie zu.
„Wer ist das da? Du hast versprochen allein zu kommen.“
„Das ist unser Neuzugang, sie soll lernen, wo wir dich abholen wenn du zurückkommst.“
„Mhmpf, ok. Kommt ich will hier nicht erwischt werden.“
Sie beförderten den nervösen Araber durch den Flughafen und in den Defender. Im Inneren atmete er sichtlich auf und schnallte sich an.
„Wer ist die kleine wirklich?“
Sie wechselte Blicke mit Tamara, diese nickte. Dann schob sie sich das Mundtuch runter und nahm die Sonnenbrille ab.
„DU?!“ die Augen des Arabers wurden groß.
„lange Geschichte, ihr könnt euch zuhause in Ruhe beschnuppern.“
Und ohne etwas Weiteres zu sagen heulte der Motor auf und sie düsten zurück nach Hause. Dort angekommen sprang Sahid aus dem Wagen, bevor Tamara überhaupt die Chance hatte richtig einzuparken, und rannte wortlos ins Haus.
„Ist der immer so?“
„So schreckhaft? Das ist er nur, wenn er seine Umgebung nicht unter Kontrolle hat. In seinem Arbeitszimmer oder auf der Bühne ist er wie ausgewechselt. Gib ihm ein bisschen Zeit, die wird er brauchen. Wolf müsste für ihn schon eingekauft haben. Und gegenüber gibt es einen Laden für arabische Süßigkeiten. Wenn du ihm eine Freude machen willst kannst du ihm von dort etwas einkaufen. Und jetzt kannst du dir überlegen ob du mit Wolf Unkraut zupfst oder dich ins Bett legst. Dir nimmt niemand übel, wenn du letzteres machst.“
Sie entschied für Schlaf und legte sich in eine Fleece Decke eingekuschelt ins Bett. Sie schlief beinahe sofort ein.

2.     Akira – Überfall.

Erstes Juli Wochenende. Sie hatte keine Glatze mehr, trotzdem versteckte sie ihre Haare unter einer Mütze. Ihre Freundin Amber ging viel freier damit um und trug bei der Arbeit weder Mütze noch Perücke. Aber die hatte auch ein unerschütterliches Selbstbewusstsein, darum beneidete sie Amber.
„Bitte ein Eis mit zwei Kugeln in einer Waffel. Zitrone und Joghurt.“
Am Anfang war sie noch sehr ängstlich am Tresen gewesen, aber mittlerweile war sie sehr gelassen geworden. Sie drückte dem jungen Mann das Eis in die Hand und kassierte die zwei Euro. Er lächelte ihr zu und sie lächelte zurück. Ein Glockenton erklang über Lautsprecher, die Küche war jetzt geöffnet. Tamara und Amber gingen herum und horchten auf die Wünsche der Gäste. Dann kam der Moment der alles ins Rollen brachte. Ein junger Mann in einem lilanen Anzug und Clowns Schminke kam mit seiner Begleitung, einer jungen blonden Frau mit viel Schminke und einem bunten Kleid. Sie suchten sich einen Tisch in der Nähe der Bar. Der Typ stand auf und inspizierte die Bar.
„Was kosten die Torten?“
„Sechs Euro pro Stück.“
„Puh, der totale Wucher. Die müssten kostenlos sein. Ne sowas will ich nicht. Eis auch nicht. Also habt ihr wenigstens ne Küche? Ich will den ganzen Weg nicht umsonst gefahren sein.“
„Ja die Küche wurde vor ein paar Minuten geöffnet, soll ich Ihnen eine Karte reichen.“
„Nein, das soll jemand weniger hässliches machen, die Russin da hinten vielleicht.“
Sie biss sich auf die Lippen, so ein blödes Arschloch. Der Mann setzte sich wieder hin, steckte die Finger in den Mund und pfiff laut. Die anderen Gäste drehten sich empört um und Tamara eilte herbei.
„Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“
„Wir wollen speisen.“
„Ich gebe ihnen die Speisekarten einen Moment. Möchten sie etwas trinken?“
„Den besten Schampus den ihre Klitsche zu bieten hat.“
„Sehr wohl wie sie wünschen mein Herr.“
Tamara eilte zur Bar und fluchte lautlos. Wenig Später reichte sie dem Clownsgesicht und Begleitung die Speisekarte samt Tageskarte und servierte den Champagner. Der Typ nahm einen Schluck.
„Hey wir wollen Champagner und keine Katzenpisse!“
„Das ist Champagner werter Herr.“
„Nein ist es nicht, dass ist Pisse. Servieren sie uns etwas wobei man nichts falschmachen kann. Einen doppelten Whiskey auf Eis. Den edelsten Tropfen.“
„Sehr wohl. Kommt sofort.“
Das war ihr Zeichen und sie griff nach dem edlen gereiften Whiskey und goss ihn in Tumbler Gläser auf Eiswürfel. Tamara servierte wieder.
„Na das nenne ich einen anständigen Tropfen. Wir nehmen beide das Tagesmenü, aber zackig.“
Was bildete sich dieser Typ eigentlich ein? Tamara gab die Bestellung an Xen in der Küche weiter. Und dann passierte das ungeheuerliche. Die Russin transportierte gerade ein Tablett mit frisch zubereiteten Speisen aus der Küche an dem Clown vorbei. Der sprang sofort auf, rannte Tamara hinterher und trat ihr kräftig zwischen die Beine, sie verlor das Gleichgewicht und stürzte mitsamt ihrer Last zu Boden. Es klirrte laut und sie schrie schmerzvoll auf.
„Hey Fotze, du hast uns zuerst zu bedienen. Wisst ihr nicht wer ich bin? Ich bin Adrian Drosser meine Damen und Herren und mir gehört die Stadt und ihr habt mir zu dienen!“
Tamara rappelte sich auf und sammelte die Scherben auf, Amber rannte herbei um zu helfen. Ein paar Gäste waren auch aufgestanden um zu helfen. Der Clown ging selbstgefällig zurück zu seinem Platz. Seine Begleitung lachte schadenfroh und schrill. Xen trat aus der Tür zur Küche und sah sich um.
„Ey Fettqualle, ab in die Küche und mach unser Essen fertig.“
„So nicht Bürschchen, Tamara könnte sich verletzt haben.“
„Bist du so doof wie dick bist? Mach deinen Job du Idiot!“
„Und wenn nicht?“
Der Clown zog ein Handy aus der Tasche und fuchtelte damit in der Luft herum.
„Ein Anruf bei meinem Vater und euer Saftladen wird von der Presse landesweit in der Luft zerfetzt. Wollt ihr das?“
Xen zuckte resignierend mit den Schultern und ging in die Küche zurück. Tamara flitze kurz nach hinten um sich eine neue Schürze anzuziehen, während Amber sich um den Scherbenhaufen  kümmerte. Xen servierte zuerst den Salat. Das Pärchen schien das Essen zu genießen. Dem Salat folgte der Hauptgang. Angus Steak mit Pilzsoße und angedünstetem Gemüse. Auch das schien sehr zu schmecken. Dieses Mal wurde Tamara nicht angegriffen, als sie den anderen Gästen ihr Essen servierte. Nach der Nachspeise, taten sich die beiden an der Spirituosen Karte gütlich und Akira kam mit dem Mixen kaum hinterher.
„Ey du russische Fotze, bring uns die Rechnung.“
Grölte der betrunkene Clown. Sichtlich genervt händigte Tamara die Rechnung aus und öffnete ihr Portemonnaie.
„Wow ist das viel … ne das zahle ich nicht. Das Essen war der letzte Dreck. Das waren Küchenabfälle und der letzte Rotz. Dafür müsste ich Schmerzensgeld bezahlen. Das gibt einen schönen Artikel morgen in der Zeitung. Milliardärs Sohn vergiftet. Wir gehen jetzt! Miranda komm jetzt.“
Der Clown erhob sich wankend und seine Freundin folgte ihm nicht minder schwankend. Tamara und Amber sahen ihm hilflos nach. Akira war innerlich am Kochen, sie war auch eine Milliardärs Tochter, aber das gab ihr nicht das Recht sich wie Abschaum zu benehmen. Die anderen Gäste waren sichtlich empört und diskutierten angeregt.
   Fünf Minuten später war das Arschloch wieder da und er war nicht allein. Akira riss angstvoll die Augen auf und viele Gäste schrien erschrocken. Adrian mit einer Heckler und Koch MP5 Maschinenpistole und seine weibliche Begleitung mit einer Beretta 92. Dazu zehn Schlägertypen mit Clownsmasken und Baseballschlägern.
„Das ist ein Überfall ihr Wichser. Ich zahl doch nicht, dann beraube ich mich doch selbst.“
Er brach in schrilles Gelächter aus.
„Wir nehmen alles mit. Schmuck, Handys und Geld. Und dann zünden wir hier alles an.“
Die Clowns gingen um und die Gäste warfen panisch alles was sie an wertvollem hatten in die Säcke. Tische wurden umgeworfen, Blumentöpfe zersprangen unter den Schlägen. Miranda zielte mit der Pistole auf Akira, die unkontrolliert zu zittern begann.
„Mädchen, Kasse leeren. Und zwar zügig sonst knall ich dich ab.“
Lallte sie.
   Derweil ballerte Adrian lachend sein Magazin leer. Glas splitterte und Akira zuckte zusammen als Tamara schmerzvoll und laut aufschrie. Xen stürzte auf der Küche und Miranda schoss in seine Richtung. Der dicke Mann hechtete ungewöhnlich behände in die Küche zurück.
„Ey wird’s bald, ich will hier nicht festwachsen.“
Miranda legte einen Sack auf den Tresen. Akira tippte fahrig auf dem Display die Taste für die Kassenschublade und stopfte das Geld so schnell es ging in den Sack.
„Hast du den Kassenschlüssel für den Hofladen, Schlampe?“
Akira nickte angstvoll und rannte nach hinten zum Hofladen. Miranda und ein paar Clowns folgten nach hinten. Fahrig sperrte sie die Tür auf und rannte zur Kasse. Panisch öffnete sie die Kasse und warf den Inhalt in den Sack.
„Ui, das lohnt sich ja gar nicht. Was für ein Saftladen. Los Jungs wir hauen alles kurz und klein.“
Akira duckte sich weg als der Baseballschläger auf die Kasse zu rauschte. Sie sah nichts aber sie hörte wie Glas zerschlagen und Regale umgeworfen wurden. Sie weinte lautlos und hielt sich die Hände vor den Mund und nicht zu schreien.
„Igit, die haben eine eklig große Echse, sowas will ich nicht.“
Ein Schuss und Glas zersprang, gefolgt von einem tierischen Schmerzenslaut. Diese Wahnsinnige hatte auf den Waran Rosa geschossen! Mit einer Eisenstange bewaffnet schlich sie um die Theke herum und sah Miranda vor dem Terrarium stehen.
   Da wurde die Zicke von Luzifer angefallen und sie schoss dem Kater ohne zu zögern in den Kopf. Jetzt war es ihr zu viel, Akira sprang auf, hechtete durch die Scherben nach draußen. Und kam nicht weiter. Jemand schlug ihr einen Baseballschläger in den Bauch und sie japste. Sie stürzte zu Boden und ein wahres Feuerwerk an Schlägen und Tritten hagelte auf sie ein. Sie nahm Embryonalhaltung ein und versuchte ihren Kopf zu schützen. Dann war alles vorbei und Miranda trat über sie.
„Du beißt die Hand die dich füttert? Dann musst du bestraft werden.“
Sie hob die Pistole und zielte auf ihren Kopf.
„Ey!“ brüllte jemand laut aus einiger Entfernung. Miranda wirbelte herum und etwas traf sie mit voller Wucht in die rechte Schulter. Sie schrie unter Schmerzen laut auf und Akira sah wie die blutige Broadhead Pfeilspitze hinten aus ihrer Schulter ragte. Die Clowns wirbelten herum und Akira drehte sich mühsam und unter großen Schmerzen auf die Seite um was zu sehen. Einer der Clowns nahm die Pistole und schoss ziellos auf Onkel Kaz, der eine Ausweichrolle machte und auch diesem Clown einen Pfeil in die Schulter jagte. Ihr Onkel schmetterte dem einen Clown den Compoundbogen ins Gesicht und trat dem anderen mit Anlauf in den Schritt, danach hechtete er nach der Pistole.
„Akira geht’s dir gut?“
Er warf ihr einen besorgten Blick zu. Sie nickte, auch wenn das gelogen war. Sie fühlte sich absolut  beschissen und alles tat ihr weh.
„Im Lagerraum hinter der Theke sind Kabelbinder. Verbinde damit diese Schweinekerle. Wenn einer aufmüpfig wird ruf mich, dann mach ich ihn kalt. Ich muss nach den anderen sehen.“
Dann rannte er durch den Durchgang in Richtung Restaurant. Ihre Ohren klingelten und sie bekam von dem Trubel nicht sehr viel mit. Hier wälzten sich nur drei Clowns und Miranda schmerzvoll auf dem Rasen. Sie fand die Kabelbinder und fesselte die Typen und die Schlampe wie im Film. Miranda als letzte. Dann stand sie zu schnell auf und kotzte auf das bunte Kleid von Miranda. Dann wurde ihr schwarz vor Augen und sie verlor das Bewusstsein.

3.     Kaz – Trümmer

Er befestigte das Bild von Miranda Klee und Adrian Drosser mit vier Heftzwecken auf seinem Bogenschussziel. Er trat einen Schritt zurück um zu gucken ob es auch gerade war. War es. Zufrieden nahm er sich einen Compound Bogen und eine Kiste Carbonpfeile und ging in Richtung Haus. Rosas Terrarium stand leer und die Frontscheibe fehlte. Der Waran war tot. Ebenso wie ihr Kater Lucifer, einfach kaltblütig hingerichtet. Er sah auf die Stelle wo der Kater tot gelegen hatte. Am liebsten hätte er dieser dummen Nuss in den Kopf geschossen.
   Er warf einen Blick auf den Laden, die Fensterscheiben und die Vitrinen waren zerschlagen. Die Kasse war kaputt, die wuchsen auch nicht an Bäumen. Wolfs liebevoll eingepackte Geschenkpackungen waren zerschlagen worden. Er hatte alles aufgeräumt und entsorgt was nicht mehr zu retten war. Die Fenster waren mit Folie abgeklebt.  
Seufzend betrat das Restaurant. Die Tische und Stühle waren zur Seite geräumt worden. Auf dem Boden lag noch ein bisschen Erde von den zerbrochenen Blumenkübeln. Er warf einen langen Blick auf die Stelle, wo Tamara verletzt in einer Blutlache gelegen hatte. Die Wunde war glimpflich gewesen, aber man hatte sie fast verbluten lassen. Die Bar war hinüber. Die Gläser, die Tassen die Spirituosen, Maschinen, alles in Stücke geschlagen. Die Küche hatte auch ordentlich was abgekommen. Er sah nach oben. Die zerbrochenen Scheiben waren mit Plastikplanen überklebt. Dann der Hof mit der Einfahrt. Einer der Defender stand in der Werkstatt und Xen bastelte daran herum, die Ersatzteile waren schon bestellt. Der andere Defender stand unglücklich auf seinem Platz. Zerbrochene Scheiben, zerstochene Reifen, Dellen, Kratzer im Lack und man hatte versucht ihn anzuzünden. Beim VW Golf war das gelungen und das ausgebrannte Wrack stand noch als Mahnmal herum. Das Tor war verrammelt und alle waren zuhause. Nicht unter Hausarrest, aber vielleicht war es besser wenn es so wäre. Einkaufen mussten sie nicht einkaufen und statt Torten backte Wolf jetzt jeden Tag frisches Brot. Und in der Tiefkühltruhe war noch genug Fleisch, Wolf hatte einen Jagdschein und die Vorräte vom Restaurant waren immer noch gut gefüllt. Aber allen war die Lust auf alles irgendwie verstrichen.
   Amber hatte einstecken müssen, Tamara lag oben im Bett und erholte sich von ihrer Schussverletzung und seine Nichte Akira war übel zusammengeschlagen worden. Sie hatten alles Mögliche getan um die Russin aus dem Krankenhaus zu entlassen, zurück in die Sicherheit ihrer Festung. Sahid kümmerte sich um die Mädchen und Xen hielt Wache über seine Freundin Tamara. Wolf war niedergeschmettert und brütete vor sich hin. Die gekaufte Presse hatte sich mit einer falschen Story nach der anderen die Mäuler zerrissen. Es war unwahrscheinlich, dass sie das Restaurant jemals wieder eröffnen würden. Und egal was passierte, gegen korrupte Cops und Journalisten kamen sie nicht an. Resigniert ging er nach oben und besuchte Wolf zwangsweise auf dem Weg zum Dach.
   Die tolle große Küche mit dem Riesenteil von einem Ofen war erstaunlicherweise an. Zwei Brotlaibe und ein paar Kekse, es war aber auch schon mal mehr gewesen. Er öffnete den einen der drei Kühlschränke wo Wolf Kuchen und Torten kaltstellte und der war völlig leer. Er hatte sich so an die obligatorischen Torten jeden Tag gewöhnt, dass es ein kleiner Schock war einen leeren Kühlschrank vorzufinden. Mit grummelnden Magen ging er ins Wohnzimmer. Auf dem Tisch lag die Post, auch ein Brief an ihn wie er feststellte, den würde er nach dem Schießen öffnen. Er stieg auf den linken großen Balkon und die Treppe hoch zum Dach, mit seinen gummierten Sohlen hatte er guten Halt. Oben stellte er sich auf seine Plattform, legte den Bogen und die Pfeile auf den Tisch und zog eine Schublade mit einem starken Fernglas auf. Damit beobachtete er die Umgebung. Von hier oben hatte man einen guten Blick. Dann ergriff er den Bogen mit links, legte einen Pfeil ein und befestigte den Release an der Sehne. Er zielte sorgfältig, von hier oben waren das über hundert Meter und die Bedingungen für den Schuss waren nicht ideal. Er öffnete den Release und der Pfeil schoss von der Sehne. Er legte den Bogen weg und prüfte mit dem Fernglas wie er getroffen hatte. Der Pfeil steckte in Mirandas Brust. Er wiederholte das Spiel mit den anderen elf Pfeilen. Sein Trefferbild war gut, die Gruppen lagen sehr eng beieinander. Zufrieden verstaute er das Fernglas und machte sich mit dem Bogen in Hand auf den Abstieg. Komisch das er Wolf nicht gesehen hatte. Wieder im Wohnzimmer angekommen legte er den Bogen aufs Sofa und öffnete den Brief mit seinem Messer und entnahm das Schreiben. Aufmerksam las er das Schreiben durch dann zerriss er den Brief suchte in der Küche einen leeren Blumentopf und verbrannte die Schnipsel. Er wartete die die Asche kalt war und warf die Asche in den Hausmüll. Dann wusch er den Blumentopf sorgfältig aus und stellte ihn zurück.
Nach dem Bogenschießen kam das Training. In seinem Zimmer in der WG verstaute er den Bogen sorgfältig. Er hörte Wolfs Stimme aus der Küche, er klang frustriert.
„Wir haben alle Schäden systematisch aufgelistet und alles eingereicht und der Antrag wurde kommentarlos abgelehnt. Die Versicherung zahlt nicht, die Banken geben uns nichts mehr, der Laden ist zu und das Restaurant auch, ich weiß nicht mehr was wir machen können. Die Presse zerreißt uns und die Clowns drohen mit weiterer Randale, wenn wir jemals wieder irgendwas öffnen. Man, das waren über hunderttausend Euro in Schäden, das steckt man nicht so einfach weg, wenn man nichts hat. Wir sind am Ende.“
Fast wollte er zu Wolf in die Küche gehen und ihn trösten, aber es war der falsche Zeitpunkt. Kaz schloss leise die Tür und verriegelte. Er schob den Sessel zur Seite und öffnete die Falsche Rückwand hinterm Hochbett. Alles war noch da und so wie er es verstaut hatte. Er nahm sich ein paar Sachen und verschloss die Abdeckung wieder. Er legte seine Ausrüstung zusammen und überlegte ob etwas fehlte. Wäre natürlich schick wenn Xen den Wagen wieder flott bekommen würde. Aber er hatte noch ein Ass im Ärmel, das war unauffälliger. Und jetzt Sport. Leise öffnete er die Tür und entging Wolfs Tirade. Auf dem anderen Grundstück nebenan hatten sie einen großen Schuppen zum Sportstudio umgebaut. An einer hohen Sprossenwand machte er Klimmzüge. Er vergaß zu zählen und gab sich voll und ganz dem Training hin. Plötzlich ein falsche Bewegung und ein explosionsartiger Schmerz schoss durch seine linke Schulter. Er ließ sich fallen und kam verdammt ungünstig auf dem Knie auf. Sein rechtes Bein pochte und er humpelte unter großen Schmerzen zurück ins Haus. Xen war nirgendwo in Sicht. Mit dem Bein würde er nie die Treppe hochkommen. Er klingelte in der zweiten Etage.
„Wir haben nichts bestellt!“ raunzte Xen.
„Hey man, ich hatte einen kleinen Sportunfall und könnte deine Hilfe gebrauchen.“
„Oh man ey, was hast du denn diesmal angestellt?“
„Meine linke Schulter und mein rechtes Knie sind hin.“
„Ah verdammt, wir haben noch Krücken im Keller. Am Ende der Straße ist zum Glück ein Orthopäde. Ich hoffe bis dahin kommst du noch gehumpelt. Viel Spaß. Pass doch auf wenn du trainierst.“
Und damit kappte Xen die Verbindung und ließ ihn einfach stehen. Arschloch.

*

Er stieg mühsam aus dem Taxi und sah sich um. Reichlich wenig Parkplätze. Er bezahlte den Fahrer und humpelte in Richtung Praxis. Er warf einen Blick auf die Uhr, siebzehn Uhr dreißig, reichlich spät.
Die Tür öffnete mit einem Bimmeln und er mühte sich ab zum Tresen zu kommen. Aus seinem Rucksack kramte er den Arztbrief und die beiden Rezepte. Auf das Klingeln kam eine Frau um die dreißig mit lose hochgesteckten dicken braunen Haaren, einem schönen Gesicht und intensiven grünen Augen. Etwas lustlos sah sie ihn an. Laut dem Schild mit den Öffnungszeiten war es kurz vor Feierabend und er war bestimmt der letzte Patient.
„Ja bitte?“
„Ich hatte einen Sportunfall.“
Er reichte ihr die Unterlagen und sie zückte eine Lesebrille. Missbilligend sah sie ihn an.
„Keine Vermummung in der Praxis!“
Missmutig nahm er die Sonnenbrille ab und schob das Mundtuch runter. Ihre Augen wurden riesig.
„Sie sind dieser Mörder auf der Flucht, der zwei Jugendliche ermordet hatte.“
Resigniert verdrehte er die Augen und er dachte die Meldungen kurz nach dem Angriff auf das Restaurant wären überzogen …
„Hilfe. HILFE!“ Schrie sie.
„Hey! Schon mal den Gedanken dass unsere Zeitungen einen Haufen gequirlte Scheiße schreiben und die Wahrheit unter den Teppich kehren? Nur Vollidioten glauben den Mist.“
„Wollen sie mich beleidigen?“
Sie wirkte sichtlich empört.
„Wenn sie sich angesprochen fühlen bitte sehr. Komm geben sie mir meinen Krempel wieder, ich sehe doch schon, dass sie mich genauso abweisen wie die anderen elf Vollidioten. Langsam hab ich auch kein Taxi Geld mehr übrig.“
„Ganz richtig, wir behandeln keine Mörder Herr Solomon … Solomon.“
Sie schien einen Moment nachzudenken, dann legte sie die Unterlagen wieder auf den Tresen.
„Nein sie müssen gehen.“
Er war verzweifelt, wo sollte er jetzt denn noch hin?
„Bitte ich flehe sie an. Ich bin ein Krüppel, ich komme nicht mal mehr die Treppen zu meiner Wohnung hoch und muss im Garten zelten.“
„Buhu, wie mir das einfach mal nicht Leid tut. Raus hier!“
Grimmig sammelte er seine Sachen zusammen.
„Wenn sie es sich anders überlegen sollten hier ist meine Nummer.“
Er legte eine Visitenkarte auf den Tresen und verließ die Praxis. Nummer zwölf. Nein die anderen elf waren gelogen gewesen. Er humpelte sichtlich solange sie ihn sehen konnte bis er einen schwarzen Ford Bronco Geländewagen erreichte. Im Vorderen Radkasten war der Schlüssel versteckt. Er nahm ihn und setzte sich unauffällig auf den Fahrersitz. Aus dem Handschuhfach entnahm er einen Injektor und spritzte sich ein Mittel ins Knie, mitten in den Schmerz. Dann ein Tütchen mit verschiedenfarbigen Tabletten, die er mit Mineralwasser herunterspülte. Einfach nur scheußlich. Die Painkiller wirkten schnell und die Schmerzen ließen nach. Von hier aus hatte er durch die getönte Scheibe gute Sicht auf die Praxis. Um viertel nach sechs kam die Therapeutin, auf deren Namensschildchen Emily Engström gestanden hatte, in einem dicken Wollmantel aus der Praxis und wartete. Kurz darauf fuhr eine dicke Mercedes G-Klasse in schneeweiß vor und Emily stieg auf der Beifahrerseite ein. Er wartete sicherheitshalber noch eine Stunde, dann stieg er aus und ging zum Kofferraum. Er nahm einen Werkzeugkoffer mit und ging ganz normal über die Straße zur Praxis. Er schob seine AR Brille auf die Nase und sah zum Bronco. Eine Klappe auf dem Dach öffnete sich und eine etwas füllige Drohne surrte in die Luft. Vollgepackt mit Sensoren und Kameras gab sie ihm einen Überblick über das Gehäuse. Die Vorder- und Hintertür war durch einen Alarm gesichert. Das WLAN war jedoch ungeschützt. Nirgendwo waren Kameras oder Sensoren, die nicht zur Alarmanlage gehörten.
„Hal hack dich ins Netzwerk und sie dich um ob du eine Datei mit Passwörtern und Codes findest.“
„Sehr wohl Sir, ganz wie sie wünschen.“
zwei Minuten später sagte Hal ihm die vierstellige Nummer für den Alarm. Er knackte das Schloss in wenigen Sekunden und schaltete den Alarm ab. Mit dem Werkzeugkoffer in der Hand betrat er die Praxis und sah sich vermummt und mit Handschuhen um. Wartebereich mit Tresen und Garderobe. Drei Behandlungsräume, ein großer Raum für Gruppengeschichten, eine Toilette, Lager und Büro.
„Sir, ich habe auf den PCs unsere Spionagesoftware installiert. Sichere Verbindung zu den Servern steht und das synchronisieren der Daten beginnt.“
„Wunderbare Arbeit Hal.“
In einigen strategischen Positionen installierte er Kameras und Mikrofone die man nicht sah, außer man wusste ganz genau wonach man Ausschau halten musste. Er schaltete durch die Kameras und testete das Setup, alles lief optimal. Zufrieden packte er zusammen, schaltete den Alarm wieder ein und schloss ab. Von einem der Reserveschlüssel im Büro hatte er sicherheitshalber einen Wachsabdruck gemacht. Der 3D-Drucker im Keller war schon fleißig am Drucken. Stabiler Metalldruck war heutzutage Gang und Gebe.
   Er fuhr nach Hause und parkte auf dem Gästeparkplatz für das geschlossene Restaurant. Jetzt spielte er wieder den humpelnden und schleppte sich in den Garten zu dem Zelt, dass er sich aufgebaut hatte, setzte sich auf das Feldbett und öffnete eine Packung Kekse. Hier hatte er seine Ruhe. Wolf war schwer geknickt und Xen wich nicht von Tamaras Seite. Sahid war ein Nervenbündel und die Mädchen hatten gut was abbekommen. Und er auch, wenn er es nicht mit Painkillern unterdrückte.

*

Samstag. Er saß auf einem Hocker vor seinem Zelt und brutzelte sich eine Mahlzeit auf dem Kocher. Alle waren immer noch sehr angespannt drauf. Sie machten sich Sorgen um Tamara, sie hatte am vorletzten Sonntag viel Blut verloren. Hoffentlich nicht zu viel. Wolf backte mittlerweile nicht mal mehr Brot und Xen und die anderen mussten auf Reserven zurückgreifen. Der Garten verwilderte langsam und das Gras könnte mal wieder gemäht werden.  
   Linsensuppe aus der Dose war zwar nicht das leckerste, aber es tat gut eine warme Mahlzeit im Magen zu haben. Plötzlich klingelte sein Handy und er ging ran.
„Ja, Solomon.“
„Oh, entschuldigen Sie die Störung, aber sie haben mir ihre Nummer gegeben, mein Name ist Emily Engström, die Physiotherapeutin von vor anderthalb Wochen. Ich war neugierig und hab ein bisschen recherchiert und ich muss mich bei Ihnen entschuldigen, ich habe Ihnen Unrecht getan. Ich hab heute frei und könnte ihnen als Ausgleich für die Abfuhr eine freie Stunde anbieten. Ich stehe gerade vor dem Tor aber dieser unhöfliche Mann lässt mich einfach nicht rein.“
„Mh ok ich lasse sie rein, aber es dauert einen Moment, ich bin gerade nicht der schnellste.“
„Alles gut ich kann warten.“
„Bis gleich.“
Er nahm seine Linsensuppe vom Kocher und aß sie in Ruhe auf, die war beim letzten Mal so unhöflich, dass er sie ruhig ein bisschen zappeln lassen würde. Dann ging er gemächlich zum Tor und öffnete ihr nachdem er die Kamera am Tor gecheckt hatte. Sie sah genauso aus wie am Tag in der Praxis nur in normalen Alltagssachen und Turnschuhen. Emily lächelte höflich und er ließ sie herein.
„Wow, das ist aber eine echt dicke Tür, haben sie Angst vor Einbrechern?“
„Angst nicht, aber wir haben nicht so recht Lust darauf angezeigt zu werden wenn wir uns gegen Einbrecher wehren, also gehen wir das Risiko gar nicht erst ein.“
„Oh nein was ist denn mit dem Wagen dort passiert?“
„Scheiben eingeschlagen und einen Molotow versenkt. Haben sie mit dem armen Defender da auch probiert aber wir konnten das Feuer löschen.“
„Wer macht sowas?“
„Möchtegern Gangster machen sowas. Schon mal von den Junior Clowns gehört?“
„Nein, wer soll das sein?“
„Eine Bande von Schlägern und Gangstern, die Potsdam und Teile Berlins Terrorisieren:“
„Aber die Nachrichten hätten das doch ganz groß gebracht.“
„Nicht wenn man die Sender besitzt oder genug Geld und Einfluss besitzt diese zu bestechen.“
„Das wäre sehr schlimm denke ich.“
„Und wird seit Jahren so gehandhabt. Kennen sie Torsten Drosser und seinen missratenen Sohn Adrian? Der kleine ist der Kopf der Junior Clowns. Zusammen mit seiner Braut Miranda Klee, der Tochter des Berliner Polizeichefs.“
„Die haben sie zu ermorden versucht!“
„Versucht? Ich bitte sie, ich hab die Schlampe entwaffnet. Wenn ich sie ermorden wollen würde hätte ich woanders hingezielt, aufs Herz zum Beispiel. Meine Dame, ich bin Bogenschütze seit ich zwölf bin und ich trainiere jeden Tag und bin ein guter treffsicherer Schütze auf lange Distanzen.
Wenn ich Miranda tot sehen würde, wäre sie bereits tot.“
„Warum machen sie so schreckliche Sachen. Auf Menschen schießen und so.“
„Was würden sie machen, wenn man ihrer Tochter oder Nichte eine Waffe an den Kopf drückt. Bleiben sie da ganz ruhig und tun so als würde nichts passieren?“
Sie machte ein beschämtes Gesicht.
„Das wusste ich nicht, Entschuldigung. Ich hab keine Kinder, aber ich habe Nichten und Neffen. Ich könnte mir das gar nicht vorstellen.“
„Miranda hat meine Nichte übel verprügeln lassen und dann hat sie mit der Pistole auf Akiras Kopf gezielt. Ich war zu dem Zeitpunkt im Garten und hab Bogenschießen trainiert. So konnte ich rechtzeitig reagieren und das Blatt zum Guten wenden.“
„Zum Guten? Sie haben unschuldige Menschen angegriffen und verprügelt.“
„Wo bitte haben sie bitte recherchiert? Ich hab mit einer Pistole bewaffnet zuerst Adrian nicht-tödlich ausgeschaltet und dann die randalierenden Clowns unter Kontrolle gebracht. Dieser arrogante Bengel hat auf meine beste Freundin geschossen, ich wünschte ich hätte ihm eine Kugel durch den Schädel gejagt, aber dann könnte ich meinen Freunden nicht mehr helfen.“
„Sie reden von Mord, das ist ungeheuerlich.“
„Ich hab nicht damit angefangen. Was machen sie mit einem Wahnsinnigen der mit einer MP5 wahllos in den Raum schießt. An diesem Abend wurden auch andere Gäste schwer verwundet. Und diese kleine Psychopatin erschießt erst Rosa die Waranin und schießt dann unserem Kater Lucifer in den Kopf.“
Emily schlug sich die Hände vor den Mund.
„Davon hat keine Zeitung berichtet.“
„Die Großen bestimmt nicht, nur die kleinen unabhängigen Journalisten, die man noch nicht beseitigt hat, haben die Wahrheit geschrieben, aber nur wenige Menschen verfolgen die News dieser mutigen Frauen und Männer. Kommen Sie nur, ich zeig ihnen den Rest.“
Zufrieden stellte er ihren wachsenden Unglauben fest, als er ihr humpelnd das verwüstete Restaurant mit der zerschmetterten Bar zeigte und den zerstörten Hofladen.
„Als letztes wollten diese Gauner hier alles anzünden. So ist der Schaden überschaubar, aber leider kaum zu stemmen geblieben. Hundertfünfzig Tausend Euro Sachschäden plus die Arztkosten der Verletzten. Dazu noch Rosa, Warane sind absolut keine billigen Haustiere. Nicht zu vergessen der Rufmord und Imageschaden durch die gekaufte Presse. Wir sind weiß Gott nicht reich und in das Restaurant und den Laden ist viel Geld und Herzblut geflossen. Banken wollen nichts mit uns zu tun haben und wir haben gerade noch genug Geld, um den einen Defender zu flicken. Wir sind am Ende und sie schimpfen mich einen Mörder. Wer ist hier das Monster?“
Sie hatte Tränen in den Augen als er fertig war.
„Das wusste ich doch nicht. Es tut mir so leid, dass ich so schnell geurteilt und sie abgewiesen habe.“
„Schon ok, sie konnten es ja nicht besser wissen.“
„Doch, ich hätte vernünftig sein und besser recherchieren müssen.“
„Das macht der normale Bürger aber nicht.“
„Ich will aber nicht der normale Bürger sein!“
„Wer will das schon?“
„Haben sie irgendwo eine Liege oder einen Platz wo ich sie mir mal ansehen kann?“
„Wir haben tatsächlich eine Liege im Ruheraum neben unserem Fitnessstudio.“
„Wow, sowas haben sie hier?“
„Klar wir wollen unabhängig von anderen sein.“
„Das will ich auch, aber sie sagten doch sie sind nicht reich?“
„sind wir definitiv nicht, aber der Laden gehört uns seit über zwanzig Jahren.“
„So alt können sie doch nicht sein, wenn sie so lange hier wohnen, sie sind doch keine vierzig!“
„Warum nicht? Ich bin hier mit achtzehn eingezogen, nachdem ich Stress mit meinen Eltern hatte. Wolf hat mich netterweise aufgenommen und er ist wie ein Vater für mich.“
„Ist das irgendein Codename?“
„Ach Quatsch, nur ein Spitzname. Er heißt Wolfgang, aber alle nennen ihr nur Wolf.“
„Ach so ist das.“
Er humpelte auf das Tor zur, dass die beiden Grundstücke trennte und öffnete das Zahlenschloss. Emily half ihm beim Öffnen des schweren Torflügels und sie wirkte sichtlich beeindruckt von dem Garten auf der anderen Seite.
„Das ist ja toll hier. Sie müssen ja bestimmt keine Gemüse oder Obst kaufen.“
„Stimmt, es bleibt so viel übrig, dass wir es weiterverarbeiten oder verkaufen. In unserem Hofladen, dessen Reparatur wir uns nicht mehr leisten können.“
„Ich könnte ihnen einen Privatkredit geben, ich bin zwar auch nicht reich aber ich mag es nicht, wenn man anderen ihre Lebensgrundlage wegnimmt.“
„Das ist zu freundlich, aber wir wollen es lieber alleine schaffen. Hier sind wir.“
Er machte die Tür zu einem Raum mit einer Massageliege in der Mitte auf dem gepflasterten Boden. Zu den Seiten waren ein Bücherregal mit Sachliteratur und ein Regal mit Handtüchern, Kissen und Massageölen. Dazu ein Waschbecken mit Seife. Die einzigen Benutzer waren Tammy und er, weil sie trainierten und sich danach gegenseitig massierten. Wolf trainierte in seiner Wohnung, und Xen und Sahid trainierten nicht und die Mädchen waren erst seit ein paar Wochen da.
„Durch die Tür da geht’s zu den Duschen und Umkleiden und von dort in unser kleines Studio. Alles hier haben wir selber gebaut und gemauert. Der Boden hat eine Fußbodenheizung nach römischen Vorbild.“
„Wow, das ist ja alles sehr professionell, ok, dann machen Sie sich bitte mal oben frei und ziehen Sie die Hose aus.“
Er tat wie geheißen und setzte sich in Boxershorts auf die Liege.
„Das sind eine Menge Muskeln, Sie trainieren oft?“
„Jeden einzelnen Tag. Muskelgruppen, Ausdauer, Bogenschießen und Kampfsport.“
„Da war es wohl absehbar, dass irgendwann mal etwas schief gehen würde. Schulter sieht übel aus und das Knie hat auch ordentlich was abbekommen. Auf was sollen wir die Therapie konzentrieren?“
„Definitiv Knie. Ich will endlich wieder die Treppe hoch können und in meinem eigenen Bett schlafen und nicht im Zelt.“
„Ok, ich mache ihnen ein Angebot. Ich komme hierher zu Ihnen und behandle sie in Doppelterminen. Dann sparen sie sich die teuren Taxifahrten, denn so sollten sie nicht selber fahren!“
„Das klingt gut das machen wir so, immer Samstag um …“ er sah auf seine Uhr „ … drei?“
„Abgemacht und jetzt lege ich los. Legen Sie sich bitte auf die Liege, dann starte ich mit dem Knie.“
Auch wenn sie anfangs unfreundlich gewesen war wirkte sie nett und sympathisch. Und sie war professionell.
   Fünfzig Minuten später verabschiedete sie sich wieder und er führte sie zurück zur Straße. Dann verriegelte er hinter ihr und tappte wieder zu seinem Zelt. Schob sich die AR Brille auf die Nase und startete sein Prism 12. Im Rechner der Praxis hatte er die Schichten der Physiotherapeuten geprüft und am Freitag im Zeitfenster ihrer Arbeitszeit war er in ihre Wohnung eingebrochen und hatte die Mikrofone und Kameras strategisch angebracht und ihr Netz infiziert. So wurde ein kleines Malware Paket auf ihr Smartphone geladen sobald sie sich am Abend ins WLAN einwählte und der Virus breitete sich aus und sendete ständig ein Signal des Mikrofons an seinen Server im Keller. Hal sichtete die Ergebnisse und schickte ihm Updates, wenn er etwas wichtiges bemerkte. Er war gespannt auf die Aufnahmen aus der Kabine des weißen Geländewagens. Laut Kennzeichen gehörte der Wagen der Firma Newton Dynamics. Der Firma dieses Ekelpakets James Newton, Ambers Vater. Der ganz dicke mit seinem Bruder Johnny war, ein weiteres Ekelpaket. Es galt herauszufinden wer hinter den Angriffen der Clowns steckte. Sie wirkten chaotisch, aber ihre Ressourcen waren schier grenzenlos. Ein Gefühl sagte ihm, dass Johnny da auch irgendwie mit drin steckte. Und James Newton erst recht. Das Emily Engström heute bei ihm aufgetaucht war, konnte kein Zufall sein. Und er würde herausfinden was dahinter steckte. Koste es was es wolle.

*
„So, bist du fit genug, dass du die Treppe hochkommst? Die Privatstunden mit dieser heißen Physiotherapeutin müssen ja Wunder wirken.“
Wolf zwinkerte ihm zu und stellte eine Platte mit Keksen auf den großen Tisch im Wohnzimmer. Alle saßen beisammen, Tamara sah immer noch sehr blass um die Nase aus und die Mädchen wirkten unsicher. Sahid war ein reines Nervenbündel und fürchterlich nervös.
„Naja, Schmerzmittel helfen auch, so ist es nicht, aber ich bin gerade alles andere als schnell zu Fuß, insbesondere Treppen hoch und runter, da überholt mich selbst eine Schnecke.“
Wolf nickte und wurde wieder ernst.
„Jetzt sind wir alle versammelt. Die Lage ist ernst. Die Presse belagert uns wegen des Vorfalls, ich bin gespannt wie sehr sie die Wahrheit noch verdrehen können. Unser Ruf hat sich erledigt und keiner will mehr etwas mit uns zu tun haben. Die Banken wollen uns keine Kredite geben und ohne Geld können wir die Schäden nicht reparieren und das ist ein Desaster. Am geringsten würde es kosten den Hofladen instand zu setzen, aber was bringt das schon, wenn wir keine Kundschaft haben.
Und ich will das Tor nicht aufmachen, wenn diese verdammten Clowns und Reporter uns auf der Pelle sitzen. Es reicht wohl schon, dass Protestler seit zwei Wochen die Straße blockieren und uns nachts nicht schlafen lassen. Aber ich sage euch was, ich gebe den Kampf nicht auf, niemals. Auch wenn alles gegen uns spricht. Ich habe viel Herzblut in die Sache gesteckt, das wird nicht umsonst sein!“
Kaz und Xen brummten zustimmend, Tamara nickte unmerklich und der Rest starrte ins Leere. Plötzlich vernahmen sie von draußen Motorenlärm und lautes Gehupe. Kaz stand rasch auf und suchte ein Fenster in Richtung Straße und öffnete es. Draußen bot sich ihm ein Schauspiel.
Ein Konvoi schwerer gepanzerter Geländewagen der Horizon Bruderschaft bahnte sich einen Weg durch die langsam zurückweichende Menge, die die Hofeinfahrt blockierten. Wagentüren öffneten sich und bewaffnete Gardisten strömten rechts und links aus den Wagen und sicherten die Straße.
Entlang der Straße öffneten sich immer mehr Fenster und Schaulustige sahen nach draußen um zu sehen was los war. Der mittlere Wagen war eher ein Radpanzer als ein Geländewagen. Die Türen des Fonds öffneten sich und zu seiner Überraschung entstiegen seine Schwester Samantha und ihre Assistentin Mara und näherten sich dem schweren Tor der Einfahrt. Das Geschehen hatte ihn so sehr in seinen Bann geschlagen, das er gar nicht bemerkt hatte wie Xen und Tamara neben ihm standen und ebenfalls nach draußen guckten.
„Wo ist Wolf?“
Fragte er auch wenn er sich die Antwort denken konnte. Wolf würde seine Tochter und ihre Mentorin sicher nicht im Regen stehen lassen. Und so standen sie dann zu siebt im Flur neben der geöffneten Wohnungstür und lauschten den Schritten von unten.
Dann erreichten Sammy und Mara das Dachgeschoss und Sammy strahlte sie an. Mara lächelte etwas verlegen und sie bemerkten die schwer aussehende schwarze Horizon Reisetasche in ihren Händen.
Seine Schwester sah wie immer furchteinflößend aus mit dem völlig haarlosen Kopf, der schneeweißen Haut und dem strengen dunklen Makeup. Ihre langen augmentierten Beine endeten in Klauenfüßen mit drei Zehen wie bei einem Raubvogel. Ihr dunkel gehaltenes Kostüm mit blutroten Ziernähten verstärkte nur den unheilvollen Eindruck. Kein Mensch kam dabei auf den Gedanken, dass es sich bei seiner Schwester um eine liebevolle freundliche Frau handelte, die sehr gerne lachte und ein echter Familienmensch war. Mara war das beste Beispiel, die von Sammy nach Maras schwerem Unfall wie eine Tochter aufgenommen wurde. Die gute gab sich alle Mühe dem Vorbild ihrer Mentorin gerecht zu werden. Er konnte sich denken was die Reisetasche zu bedeuten hatte.
„Kommt rein Samantha und Mara, wir hatten uns gerade im Wohnzimmer zusammengesetzt. Darf ich euch etwas anbieten. Wir haben Kekse, Tee, Kaffee, Limonade.“
Samantha lächelte gewinnend.
„Ich bitte dich alter Mann, wo wenn nicht hier hat man die Chance eure einmalige Limonade zu kosten. Für Mara bestimmt auch, nicht wahr?“
Mara nickte eifrig und stellte ihre Tasche versucht unauffällig ab. Zu neunt wurde es etwas eng und er holte sich einen Stuhl aus der Küche und Wolf servierte eisgekühlte Limonade für ihre Gäste.
Als alle saßen waren sieben Augenpaare auf seine Schwester und Mara gerichtet. Sie räusperte sich.
„Mir ist nicht entgangen, dass ihr gewaltig in der Tinte sitzt. Die Presse lügt über euch, die Versicherungen zahlen nicht, die Banken erst recht nicht und trotz der siegreichen Unterdrückung eines, an einen terroristischen Akt erinnernden Überfalls durch meinen lieben Bruder scheinen euch jetzt alle zu hassen. Und ohne Geld und Unterstützung kommt ihr aus dieser Misere vermutlich nicht so ohne weiteres heraus, habe ich Recht?“
Betretenes Schweigen. Samantha nickte zufrieden.
„Nun, da mir mein Bruder des Öfteren aus der Patsche geholfen hat, sehe ich mich in der Pflicht euch auszuhelfen. Ich würde mich freuen euch eine großzügige Geldspritze zukommen zu lassen die eure Schäden deckt und euch ein kleines Polster für zukünftige Anschaffungen erlaubt. Zusätzlich …“
„Das können wir nicht annehmen! Wir …“
Wollte Wolf sie unterbrechen aber Samanthas stechender Blick ließ ihn den Mund wieder zuklappen.
„Zusätzlich wird Mara hier ihr Lager aufschlagen und nach dem Rechten sehen. Sie ist bestens in einer Reihe von vielseitigen Kampftechniken geschult und wurde für den Einsatz im Anti-Terror Kampf trainiert. Und sie kann auch kellnern und hat ein Händchen für Pflanzen wenn ihr Hilfe braucht.“
Kaz wusste dass Wolf innerlich frohlockte, weil er so mehr Zeit für seine geliebte Tochter haben würde, aber er hielt sich zurück.
„Falls das nicht reichen sollte lasse ich zwei Ritter der Bruderschaft vor dem Tor Wache stehen solange diese unschönen Proteste andauern.“
„Wie können wir dir dafür danken?“
„Ihr könnte mich und meine Lieben irgendwann mal zum Essen einladen.“
Sie zwinkerte ihnen zu.
„Leider habe ich in einer Stunde einen wichtigen Termin und muss schon los, aber ich besuche euch wieder sobald ich kann.“
Sie trank das Glas Limonade mit bedächtigen Schlucken aus und verabschiedete sich dann von allen und verließ die Wohnung. Kurze Zeit später hörten sie schwere Dieselmotoren draußen aufheulen und den Konvoi sich wieder in Bewegung setzend. Derweil goss Mara sich noch ein Glas Limonade ein, nahm sich einen Keks und sie schien zu strahlen.
   Der Rest saß wie versteinert auf ihren Stühlen. Soeben hatte man ihnen die Lösung für ihr Problem aufs Butterbrot geschmiert. Sie konnten die Schäden reparieren und wieder öffnen. Ob jemand kam war eine andere Sache, aber sie konnten wie öffnen!
„Wolf, wo soll Mara schlafen? Unten bei Sahid?“
Wolf zuckte zusammen und sah ihn überrascht an.
„Ähm, ich hab ein Gästezimmer hier oben bei mir, da kann sie schlafen wenn sie mag. Ich … ähm.“
Er brach ab und starrte wieder seltsam ins Leere. Mara warf ihrem Vater einen überraschten Blick zu und kaute langsamer, wie als ob sie sich fragen würde, ob sie nicht willkommen war. Sie schien zu zögern.
„Freust du dich nicht, Papa?“
„Freude ist das falsche Wort, ich will nur nicht dass du dich wieder unnötig in Gefahr bringst!“
Ein Ruck ging durch Mara.
„Wie bitte? Ich mach nur meinen Job, du blödes Fossil. Und ich liebe meinen Job!“
Sie wirkte plötzlich beleidigt und griff sich noch einen Keks auf dem sie schmollend herumkaute. Wolf rang sichtlich um Fassung, seufzte dann und ließ sich in seinen Stuhl zurück sinken. Tamara biss sich auf die Lippen und räusperte sich.
„Entschuldigung Mara, Wolf hat das nicht so gemeint. Er ist nur besorgt weil das hier alles momentan … nicht sicher ist.“
Mara schnaubte verächtlich.
„Und ich bin kein hilfloses Prinzesschen, nie gewesen. Ich hab schon schlimmeres als das erlebt. Außerdem stehen da draußen zwei Ritter in Kampfanzügen, da wird definitiv keiner aufmucken.“
Sie verschränkte die Arme während Tammy nachdenklich auf ihrer Unterlippe kaute.
   Kaz gab sich einen Ruck.
„Mara verzeih den alten Sack, er meint es doch nur gut mit dir. Ich denke ich spreche für alle, wenn ich dich in unseren Reihen willkommen heiße. Du kannst hier oben einziehen oder in der WG im dritten Stock, Sahid könnte bestimmt etwas Gesellschaft gebrauchen.“
Als der Araber seinen Namen hörte zuckte er heftig zusammen und sah sich hektisch um.
„Alles gut Sahid, zu bist in Sicherheit. Ich fände es gut wenn eine starke junge Frau auf dich aufpasst.“
Er zwinkerte ihm zu und Sahid sah ihn lange fragend an.
„Ich nehme die WG mit diesem liebreizend nervösen Kerlchen.“
Wolf brummte irgendwas unverständliches und Kaz überhörte es.
„Dann ist ja alles gut. Willkommen im Irrenhaus.“
Er bemerkte Akiras Gesichtsausdruck, eine Spur der Empörung. War sie sauer, dass sie Mara vor ihr zu Sahid in die WG durfte? Oder hatte sie Angst, dass sie ihn ihr streitig machte? Er zuckte mit den Schultern und nippte an seinem Kaffee.    

4.     Akira – Schutzgeld

Sie durften wieder öffnen! Dank Tante Sammys großzügiger Spende hatten sie das Restaurant und den Laden wieder repariert und alles schick hergerichtet. Wolf war aufgelebt und er hatte wieder angefangen zu backen. Tamara war noch nicht wieder fit, deshalb kellnerten Onkel Kaz und Amber, die an sehr an Selbstsicherheit gewann, und sie übernahm die Bar, wo sie sich mittlerweile sehr wohlfühlte. Mara hatte in diesen Zeiten Aufstellung am Tor übernommen, wo sie alle Besucher gründlich durchleuchtete, und nebenbei schlürfte sie alkoholfreie Cocktails und stöberte in Modemagazinen herum. Die Kontrollen schreckten zwar ein paar ab, waren aber doch schon irgendwie notwendig. Sie mochte Mara, auch wenn sie einen nicht wirklich an sich heranließ, was sie wurmte. Sie war so stark und hatte eine unerschütterliche Selbstsicherheit.
   Der Defender stand während des Betriebs sicher in der Garage, sie wollten kein Risiko eingehen und die Clowns hatten sich auch nicht mehr gemeldet, das war wie ein kleines Wunder.
Eine Mutter mit einem Kind näherte sich der Bar.
„Bitte eine Kugel in der Waffel für Max und zwar Vanille, und eine Kugel für mich, bitte Mango.“
Akira kam der Bitte nach und stellte zwei Waffeln in den Ständer. Auf den Fünfer gab sie drei Euro Rückgeld und die Frau und der Junge bedankten sich. Dann war ein Herr mit einem mächtigen Schnauzer und einer Halbglatze in einem eher schlecht als recht sitzendem Jackett und Jeans dran.
„Zwei Kugeln in der Waffel, Vanille und Erdbeere … und tausend Euro bar auf die Kralle.“
Ungläubig starrte sie den Typen an der unauffällig sein Jackett öffnete und ihr ein Pistolenschulterholster zeigte. Sie schluckte und drückte unauffällig auf den Panikknopf, der an ihrer Schürze befestigt war, bevor sie das Eis bereitete und in den Ständer steckte.
„Das war aber noch nicht alles Junge!“
Kaz eilte heran und stellte sich neben sie.
„Uhm, gibt es ein Problem mein Herr?“
Fragte er höfflich.
„Dieser Junge da hält sich nicht an die Verabredung.“
Dann flüsterte er.
„Tausend Euro bar auf die Kralle.“
„Ich bitte um Verzeihung, wie meinen sie das?“
Der Typ zeigte auch Kaz die Pistole.
„Sind sie so taub wie der Junge da in der Ecke? Ich will mein Geld.“
„Das ist wohl kaum ihr Geld.“
„Sind sie der Besitzer oder was? Da wollen sie doch bestimmt dass alles rund läuft und keine … Unfälle den Betrieb lahmlegen. So wie beim letzten Mal, sie wissen schon. Es muss keiner verletzt werden!“
„Verlassen sie augenblicklich unser Gelände oder …“
„… oder was du Pisser. Wirst schon sehen, bald frisst du mir aus der Hand.“
Der unangenehme Typ verschwand wortlos und Akira nahm sich dem nächsten Kunden an, der hatte zum Glück nichts bemerkt. Kaz wirkte beunruhigt und sah dem Typen hinterher. Sie ahnte dass sie nicht das letzte Mal von dem gehört hatten. Sie kam der Anfrage des Kunden nach und kassierte das Geld.
„Wie hat Mara den nur reingelassen mit der Waffe?“
Raunte er ihr zu.
„Warte einen kurzen Moment und geh dann zu ihr und klär das, ich übernehme in der Zwischenzeit die Bar.“
Sie nickte eifrig und linste um die Ecke, dem unangenehmen Typen hinterher, der gerade durch die Einfahrt nach draußen ging. Bedächtig ging sie nach vorne in den Hof und fand Mara in einer Zeitschrift blätternd in einem Liegestuhl sitzen. Sie bemerkte gar nicht, dass Akira neben ihr stand.
Sie räusperte sich, Mara sah nicht auf.
„Was ist denn los, dass du mir in der Sonne stehen musst?“
„Der Typ eben, warum hast du den reingelassen?“
Mara hielt inne und sah zu ihr auf.
„Weil das ein potentieller Kunde ist?“
„Aber er hatte eine Waffe!“
„Ich weiß, das war ein Polizist, ich habe mir seinen Dienstausweis zeigen lassen. Stimmt denn etwas nicht?“
Akira erstarrte und rannte zurück zu Kaz, ohne etwas zu Mara zu sagen. Diese sah ihr ratlos nach.
„Kaz, Maras Angaben zufolge war das ein Polizist der uns eben bedroht hat.“
Flüsterte sie ihm zu. Sie bemerkte wie ein Ruck durch Kaz ging, aber er sagte nicht sofort etwas.
„Das ist ernst, verhalt dich ruhig, wir reden mit allen darüber wenn wir schließen.“